Autonarren

Erfinder heißen, die erfunden,
was irgendwem womöglich nützt,
und in Erwartung vieler Kunden
ihrn Geistesblitz patentgeschützt.

Doch manche Hoffnung hat getrogen,
die als begründet eingeschätzt,
und sich trotz schönem Werbeslogan
am Markt nicht richtig durchgesetzt.

‘nem andern ist ein Wurf gelungen,
an den er nicht im Traum gedacht,
und so in Sphären vorgedrungen,
in denen man Millionen macht.

Doch beide sind von gleichem Geiste
beflügelt wie der Alchimist –
dass ihre Kolbenschöpfung leiste,
was eigentlich unmöglich ist.

Der Alltag strotzt von solchen Dingen,
die int’ressierten erst kein Schwein,
bis plötzlich sie auf goldnen Schwingen
in jeden Winkel zogen ein.

Das ging nur, weil die guten Seiten
allmählich besser man erkannt –
ein Zuwachs an Bequemlichkeiten
und Ansehn für den Bürgerstand.

Und niemand ließ sich jetzt noch stören
durch manches skeptische Gesicht –
man mochte wohl Kassandra hören,
doch glauben mochte man ihr nicht.

Ein Beispiel nur, doch das nicht ohne:
Der Wagen, der Profil gewann.
Einst Spleen der Bosse und Barone,
den jeder sich heut leisten kann.

Am Anfang schwer nur zu verkaufen,
macht‘ auch der Fiskus kein Trara,
ließ sogar wen vorweg noch laufen
zur Warnung: 20 km/h!

Doch als er immer mehr die Schwelle
zur Massenware überschritt,
ging auch die tolerierte Schnelle
nach oben mit der Steuer mit.

Wir wissen, was daraus geworden.
Es blieb nicht bei dem Zuckeltrab.
Zu immer neuen Speed-Rekorden
den Pferden man die Sporen gab.

Schnell konnt man auf ‘nen Typ verzichten,
der warnend seine Flagge schwingt:
Er lässt sich heute nur noch sichten,
wenn er Boliden „Einlauf“ winkt.

Die Angst vorm Risiko geschwunden?
Gewiss doch. Doch nicht von allein.
Da haben Kräfte sich gefunden,
die redeten es ständig klein.

Verschwindend. Aber dafür priesen,
was für ein Vorteil uns entsteht:
Zu fahrn, wohin die Winde bliesen –
o Freiheit der Mobilität!

Die komödiant’schen Profiteure
beherrschten blendend ihren Part,
wenn man so sieht, dass Trauerchöre
viel passender zur Gegenwart.

Was hätten diese zu beklagen?
‘ner Iphigenie Opfertod?
Nein, dass durch kriegerische Wagen
Millionen ein Massaker droht!

Ihr glaubt, ich würde übertreiben?
Das sieht nur so für einen aus,
der denkt, ein paar kaputte Scheiben,
mehr kommt bei so ‘nem Crash nicht raus.

Die Sicherheit ist doch gestiegen
mit Anschnallpflicht und Rettungssack,
und neue Brüssler „Spitzen“ kriegen
wir täglich fast im Doppelpack.

Das heißt auf seinen Bauch vertrauen,
statt gründlich sich zu informiern;
wenn auf Statistiken wir schauen,
wir jede Illusion verliern.

Ihr Leben lassen auf den Straßen,
so stellen sie ernüchternd fest,
die Menschen derart ohne Maßen,
dass einen es erschauern lässt.

‘ne ganze Stadt von Münchens Größe,
1,3 Millionen schwer,
wird Opfer der Zusammenstöße
weltweit und jährlich im Verkehr!

Und das wird in den Wind geschlagen!
So sicher wähnt man das Gefährt,
dass es vom Braut- zum Leichenwagen
für tausend Zwecke heiß begehrt.

Verdrängung sowie Imagepflege,
wie jede Marke sie betreibt,
verhindern, dass die Schicksalsschläge
der Kiste man aufs Konto schreibt.

Der Blutzoll, den so viele zahlen,
wem wär er ständig auch bewusst?
Und Satan an die Wand zu malen,
erhöht nicht grad die Lebenslust.

Drum wird man fröhlich weitermachen,
solang nicht selbst dahingerafft.
Doch hört bei andren man es krachen –
dann bleibt man gerne stehn und gafft.