Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Zuständigkeiten

Manch klugen Kopf hört ich beteuern,
allein aus seinem Schaffen schon,
aus pausenlosem Versefeuern
bezieh der Dichter seinen Lohn.

Da bräucht es keine andern Ehren,
schon gar nicht was wie Gut und Geld,
um die Glückseligkeit zu mehren,
die strophenweise ihn befällt.

Ich möchte keineswegs bestreiten,
dass da ein Körnchen Wahrheit steckt
und auf dem Musenross zu reiten
meist alle Wünsche abgedeckt.

Doch selbst im schlichtesten Gemüte
ist Eitelkeit ein treuer Gast,
damit man ihm mit Lob vergüte,
was noch in Lorbeer nicht gefasst.

Auch der Erzeuger dieser Zeilen
hat jene schon an sich bemerkt,
begrüßt mit Kusshand, wenn bisweilen
ein Leser ihm den Rücken stärkt.

Versteht sich online heutzutage.
Und sogar ohne Abc.
Ein Klick nur, und mit einem Schlage
hebt sich der Daumen zum Okay.

Tatsächlich mir zu schreiben pflegen
paar Typen sogar lang und breit –
doch leider nicht der Lyrik wegen,
dafür nimmt keiner sich die Zeit.

Man will mich technisch optimieren
(„Du schöpfst nicht wirklich aus dem Volln“),
wovon die selbst nur profitieren,
die mich zu was belatschern wolln.

Die haben wohl noch nie betreten
die Meldeämter des Parnass.
Apoll betreut doch die Poeten,
nicht Bruder Hermes – merkt euch das!

Immunitäten

Wer würde jetzt sein Bündel schnüren,
sich rauszuwagen in die Welt?
Wohin du kommst: Verschlossne Türen.
Du hast ein Ticket? Es verfällt.

Verödet sind die Kinosäle,
in Dunst und Dämmer eingehaust.
Kein Popcorn knirscht sich in die Kehle,
wenn’s dich vor Spannung grade graust.

Museumswände und -vitrinen
verfehlen gleichfalls ihren Zweck.
Statt intressierter Kennermienen
schaun hier nur Putzen nach dem Dreck.

Die Tiger, Löwen und Giraffen
in ihrem städtischen Asyl
sind derzeit auch nicht zu begaffen,
und zwar aus ähnlichem Kalkül.

Denn Menschenmengen sind zu meiden,
damit man sich kein Virus fängt.
Das Herdentier muss von den Weiden
und bleibt auf seinen Stall beschränkt.

Nur noch zur Arbeit darf man gehen
im Schatten dieser Pandemie,
den Lebenssaft nicht abzudrehen
dem Handel und der Industrie.

Und, ebenfalls leicht auszumalen,
zum Kauf von Nudeln, Wurst und Brot,
doch ohne Stau an den Regalen,
sonst sieht der Ladenschwengel rot.

Und wer als Maurer nicht gerade
bei Regen schuftet oder Schnee,
der wandert online seine Pfade
und jobbt jetzt auf dem Kanapee.

Das mag wohl manchem auch gefallen,
der packt die Einsamkeit beim Schopf,
doch kommt durchaus nicht an bei allen:
„Mir fällt die Decke auf den Kopf!“

Entwarnung, lauten die Prognosen,
wenn man geimpft landauf, landab,
doch leider sind dafür die Dosen
noch immer himmelschreiend knapp.

Die „Macher“ soll der Teufel holen,
die schon geschlampt gleich zu Beginn –
jetzt halten sie mit Trostparolen
die ungeschützten Massen hin!

Ja, einige der hohen Räte,
das Telefon gespannt am Ohr,
sie ziehen ihre dunklen Drähte
und drängeln sich noch schamlos vor!

Reiseziele

Mallorca wäre mir doch lieber
als so ein Ausflug auf den Mond,
vor dem hat mich das Reisefieber
bis heute immer noch verschont.

Mögen sich andre gerne rüsten
fürn längeren Raketentrip,
mich zieht es zu den Sonnenküsten
mit Mandelmilch und Kokosflip.

Was hat er denn schon groß zu bieten,
als dass er wirklich weit vom Schuss?
Kann man da günstig Zimmer mieten?
Fährt pünktlich da der Linienbus?

Erstreckt sich da in weitem Bogen
ein Strand, von Busch und Fels gesäumt,
auf den mit saphirblauen Wogen
die Brandung rauschend sich verschäumt?

Führn da verwunschen dunkle Pfade
durch baumbestandne Berge hin,
dass sich in frischer Waldluft bade
der Wandrer und die Wanderin?

Mit spießiger Pauschalidylle
hat diese Gegend nichts gemein;
die erdgewohnte Landschaftsfülle,
sie könnte nicht bescheidner sein.

Mag dir die Kehle auch verbrennen,
von Wasser nicht die kleinste Spur!
Was hier sie aber „Meere“ nennen,
sind uferlose Senken nur.

Genauso heißt’s auf Luft verzichten,
zum Atmen brauchst du ein Gerät.
Nach Sauerstoff von Buchen, Fichten
hat hier noch nie ein Hahn gekräht.

Tags würde man als Braten schmoren
in der extremen Sonnenglut,
und nachts ist hier der Hund verfroren,
erstarrt zu Eis im Nu das Blut.

Vielleicht lässt sich hier Eindruck schinden
bei dem, der gute Küche liebt?
Du wirst nicht mal ‘ne Bude finden,
wo’s halb verkohlte Pommes gibt!

Gewiss wird dieser Ort nicht geizen
mit Sehenswertem mancher Art?
Nun ja, sofern dich Steine reizen,
dann lohnt sich allerdings die Fahrt.

Nein, diese Tour kann man sich schenken,
es sei denn, man ist Astronaut.
Nur einen Grund könnt ich mir denken,
dass jemand auf den Mond sich traut.

Denn unsre Erdenspurn verblassen,
der Winde und der Zeiten Raub –
die aber dort wir hinterlassen,
sie bleiben selbst in Sand und Staub!

Bürofreuden

Büroambiente. Alltagsszene.
Man klebt am Platz, der abonniert,
wie eine hungrige Hyäne
den Blick auf den PC fixiert.

Gelegentlich die Finger gleiten
über die Tastenreihn dahin,
wobei sich die Pupillen weiten,
zufrieden mit dem Satz und Sinn.

Geräusche eher Mangelware.
Der Schreibtischstuhl knurrt öfter bloß.
Man fährt sich manchmal durch die Haare,
kratzt sich am Kopf gedankenlos.

In diese friedliche Idylle
platzt höchstens mal der Chef herein,
der mit der Weisheit ganzer Fülle
noch nie am Ende vom Latein.

Dann setzt’s womöglich einen Tadel
(mit Lob gehn Chefs ja sparsam um),
den nimmst in deinem Seelenadel
du diesem „Fuzzi“ nicht mal krumm.

Dann führst du wieder an der Leine
die Maus durchs Bildschirmareal,
damit ihr Spürsinn dir vereine
das nöt’ge Datenmaterial.

Beharrlich folgst du ihrer Fährte.
Die Stirn gefurcht. Konzentration.
Wer weiß, wie lange dies schon währte,
da weckt dich jäh das Telefon.

Kollegin… wie war doch ihr Name?
Abteilung hast du mitgekriegt.
Was will zum Teufel diese Dame?
Ob die bei mir auch richtig liegt?

„Zuständigkeit dafür bei Ihnen.“
Dann wird das Thema ausgewalzt.
Ein Feld voll Fallen und voll Minen.
„Was hab ich mir da aufgehalst!“

Im Übrigen Besprechung heute.
Zwei Stunden wieder für die Katz.
So an die dreißig, vierzig Leute.
Und stille ruht der Arbeitsplatz.

Ein paar wie üblich sich berauschen
an ihrem schwafelnden Talent
und sich begeistert selber lauschen.
Der Rest mit offnen Augen pennt.

Nachdem man sich halb lahm gesessen
auf seinem eingekeilten Sitz,
stürzt man befreit zum Mittagessen,
auf das Menü des Tages spitz.

O nein, ist Mittwoch: Leberkäse!
Den kannst du langsam nicht mehr sehn.
War immer ja schon deine These:
Kantinen möglichst weit umgehn.

Du hast den Bauch dir vollgeschlagen
und schon die Müdigkeit beginnt.
Die Lider Blei auf einmal tragen,
und bleiern auch die Zeit verrinnt.

Vermehrter Griff zur Kaffeetasse.
Den Hintern hoch und beug und streck!
Wie ich die Nachmittage hasse!
Die Stunden kommen nicht vom Fleck.

Erlösung endlich. Runterfahren
die Kiste mit der Tastatur.
Am Ausgang warten schon die Scharen
auf das Okay der Stempeluhr.

„Schön‘ Feierabend!“ floskelweise
dir zwanghaft von den Lippen fliegt,
bis dich die Bahn auf schrillem Gleise
noch meilenweit nach Hause wiegt.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen,
als früh man in den Dienst geeilt
und mit geselligem Behagen
den Raum mit Tausenden geteilt!

Der lange Marsch zur Arbeitsstelle,
er ist uns heute ja verwehrt;
man hockt allein in seiner Zelle,
den ganzen Tag an Heim und Herd.

Kein Vormann aus der Chefetage
kommt reingeschneit in dein Büro,
dir zu verkünden, deine Gage
verdopple sich ab Ultimo.

Auch liebenswürdige Kollegen
der eher mitteilsamen Art
dich nicht mehr zu zerstreuen pflegen
mit ihrer ständ’gen Gegenwart.

Man kaut auch nicht mehr seine Knochen
als Clique wo im Speisesaal,
du musst dir selbst dein Süppchen kochen,
so wie ‘s dein Gusto dir empfahl.

Und alles dies will man verspielen
zu Hause jobbend, fern der Welt?
Ich frag mich nur, warum so vielen
gerade das so gut gefällt!

Gratiskonzert

Die tiefen Töne überwiegen
bei dieser kruden Melodie,
die morgens schon herüberfliegen
vom Baugelände vis-à-vis.

Nur eine Handvoll Instrumente,
doch nichts von Flöte und Spinett.
Das Fehlen feinerer Akzente
macht ein konstantes Forte wett.

Der Bohrer spielt die erste Geige,
ein riesenhafter Kontrabass,
dass tief er in den Boden steige
zu Proben ohne Unterlass.

Ein Scheppern ist sein Markenzeichen,
wenn innen an sein Rohr er schlägt,
dass dem Gewinde so entweichen
die Klumpen, die es mit sich trägt.

In einer etwas höhren Lage
gibt sich dafür die Raupe kund –
Gestöhn hält dem Gequietsch die Waage,
düst sie con brio übern Grund.

Dazu das Brummen der Motoren
von Lastern, die geduldig harrn,
wie große, schwerbereifte Loren
das Baggergut davonzukarrn.

Die Kammer-Crew der Interpreten.
Doch gibt auch einer an den Ton –
statt mit dem Stock, dem obsoleten,
mit einer Mess-Totalstation.

Ein Weißhelm hebt ihn aus der Menge
der Spieler mit den bunten raus.
Er kennt nach Breite und nach Länge
den Masterplan des ganzen Baus.

Obwohl die Töne üppig fließen,
bis abends man die Bühne sperrt,
lässt sich doch eintrittsfrei genießen
dies lange Open-Air- Konzert.

Doch leider hab auf die Moderne
ich immer noch nicht richtig Bock
und träum mich lieber in die Ferne
zurück zu Klassik und Barock.

So zähln zu meinen Favoriten
Vivaldi, Telemann und Bach.
Was die da drüben aber bieten,
das nenn ich schlicht und einfach Krach.

Verkrümelung

Als Vorsatz zwar nicht ausgesprochen
und heimlich nicht einmal gedacht,
hab ich doch mit dem Brauch gebrochen,
der Weihnachten so schmackhaft macht.

Mit Keksen Schluss und Schokolade,
Krokant und Kuchen und Konfekt
und jeder Form von Eskapade,
in der ein Haufen Zucker steckt!

Bin sonst nicht so ‘ne süße Schnute,
die’s dick mit Näschereien hat,
doch rund ums Fest ist mir zumute,
als würd ich ohne gar nicht satt.

Dann kann ich gar nicht so schnell schlecken,
wie neue Tütchen ich mir hol,
um mich mit Mengen einzudecken,
die’s reinste Gift fürs Magenwohl.

Ja, wenn die Sinne mich nicht trügen:
Beginnt man mit dem Zeug erst mal,
entfaltet es in vollen Zügen
sein knusperfreud‘ges Suchtpotenzial.

Wer zählt die feinen, flücht’gen Happen,
die auf der Zunge fast zergehn?
„Na, einen will ich mir noch schnappen,
hm, lecker, ehrlich – Madeleine.“

Auf diese milde Variante
‘ne kräftigere folgen muss.
„Doch gibt’s denn so was, ‘ne pikante?
Natürlich, hier die Pfeffernuss!“

Die Augen nur sind auf dem Posten,
doch der Verstand wie üblich pennt –
was bremst dich also, durchzukosten
das ganze Sündensortiment?

Vorbei indes die Mußestunden,
die ‘n feierliches Flair beschwörn
mit all den Dingen, die uns munden,
weil sie seit je dazugehörn.

Nicht dass sie keinen Spaß mehr machten,
ist erst die Krippe abgebaut,
doch muss man schließlich wieder achten
auf die Figur, die man versaut.

Doch dann liegt jäh dir auf dem Magen
der große Rest der Schlemmerzeit!
Die Altlast gilt’s noch abzutragen.
In Wochen. Und nach Haltbarkeit.

Mit Abstand besser

Der Mensch ist ein gesellig Wesen,
hat einst ein weiser Mann gesagt,
und hockte nächtelang am Tresen,
bis morgens ihn der Wirt verjagt.

So kann ich jedenfalls mir denken,
wie es zu diesem Urteil kam,
obwohl man auf den harten Bänken
der Schule so es nie vernahm.

Nun, Aristoteles beiseite,
der Ausspruch hat sich oft bewährt,
so, wenn man solo durch die Weite
der menschenleeren Wüste fährt.

Auch wenn im Stampfen der Motoren
man nächtlich an der Reling lehnt
und in der finstren Flut verloren
sich nach der fernen Liebsten sehnt.

Was sag ich – selbst von unsresgleichen
wie von ‘nem Bienenschwarm umschwirrt,
kann leicht uns das Gefühl beschleichen,
wir hätten uns im Wald verirrt,

Ja, mitten unter Volksgenossen,
‘nen halben Meter kaum getrennt,
hält man die Lippen wohl verschlossen,
weil keinen man persönlich kennt.

Am meisten macht uns grad zu schaffen
ein mikrowinziger Filou,
der dazu zwingt, dass Lücken klaffen,
Distanzen zwischen Ich und Du.

Mit dem ist nicht gut Kirschen essen,
hat man sich den erst aufgesackt,
drum Vorsicht und schön Abstand messen,
mit ihm auf keinen Fall Kontakt!

Doch wär’s nicht an der Zeit, zu fragen,
da uns schon lang das Virus quält,
ob da kein Vorteil draus zu schlagen,
der seine Wirkung nicht verfehlt?

Ich seh euch an die Stirne tippen:
Schon wieder so ‘ne Schnapsidee.
Die Leute aus den Latschen kippen,
und er malt Engel in den Schnee!

Doch denkt zum Beispiel an Soldaten,
die eingeschnürt in Reih und Glied,
und leicht so in Gefahr geraten –
den Mund womöglich auf zum Lied!

Würd denen aus Gesundheitsgründen
„Kein Schulterschluss!“ man dekretiern,
die Stiefel einmal stille stünden,
die ewig in den Krieg marschiern!

Der blaue Nils

Es war einmal ‘ne Nilpferddame,
die hat im Bade sich entspannt,
auf dass sie in Gedanken krame,
was farblich ihr am besten stand.

Sie musste nicht sehr lange grübeln,
war sie auch nicht besonders hell:
Das größte doch von allen Übeln
war zweifellos ihr graues Fell.

O wie den Löwen ich beneide,
so dachte sie im Stillen sich,
wie er in golden-gelbem Kleide
beherrscht den ganzen Wüstenstrich!

Und auch die zierliche Gazelle
in ihrem rötlichen Gewand,
die oft gar des Geparden Schnelle
mit kühnen Sprüngen widerstand!

Doch nicht zuletzt dem würdevollen
Flamingo mit dem rosa Frack
muss jederzeit Respekt ich zollen
für den erlesenen Geschmack!

Sie schlüpfte in die Badeschlappen,
vor Augen nur das eine Ziel,
und stampfte fort auf Schusters Rappen
bis ganz hinauf zum Blauen Nil.

Dort warf sie gleich sich in die Fluten,
die ewig blasse Meerjungfrau,
und wurde, was wir schon vermuten,
im Handumdrehen völlig blau.

Wie dröhnte unterm Huf die Erde,
als sie nach Hause galoppiert
und stolz sich zeigte ihrer Herde
zum ersten Male koloriert!

Da nahm der Jubel gar kein Ende,
dass man’s gesehen haben muss.
Ein Ruf durchtoste das Gelände:
Hipp, hipp, hipp Hippopotamus!

Der Ruf hat rascher sich verbreitet,
als irgendwer sich vorgestellt.
Wie ‘n Dschinn, der auf den Wolken reitet,
flog bald er um die ganze Welt.

Ein blaues Nilpferd? Muss ich sehen!
Zuerst warn die Touristen da.
Ihr Lohn fürs lange Schlangestehen:
Ein Schnappschuss mit der Kamera.

Dann Künstler ihre Koffer packten.
Und einer, trotz Entrüstungssturm,
ein junger Meister des Abstrakten,
verstieg sich bis zum „Nilpferdturm“.

Rund um den Globus jeder kannte
die Nachbarin des Krokodils
und zärtlich sie mit Namen nannte
(doch fälschlich, wie wir wissen) Nils.

Der aber dieser Rummel schmeckte,
so von der Menge fast erdrückt,
bis diesem seltenen Objekte
die Wissenschaft zu Leib gerückt.

Die ging denn anders auch zur Sache:
Sich wundern statt Bewunderung.
Die Mädchen und die Jungs vom Fache
berochen alles – bis zum Dung.

Und dieses kolossale Wesen,
es wurd geprüft auf Herz und Niern
von einem Team, das auserlesen
für den Verkehr mit großen Tiern.

Da wurd gemessen und gewogen,
der Puls gecheckt, die Tempratur,
und langsam ihm der Zahn gezogen,
das Leben sei Vergnügen nur.

Tagtäglich musste Blut es lassen,
den nackten Stachel in der Haut,
und pinkeln, was die Eimer fassen,
weil jemand den Urin beschaut!

Und schließlich noch, zu viel des Guten,
verdonnert man es zur Diät –
statt leckrer Schilf- und Weidenruten
‘nem Brei, dass sich der Magen dreht!

Was ist dabei herausgekommen?
Hat schließlich man den Grund entdeckt?
Im Bulletin hieß es verschwommen:
Ein chromophorer Gendefekt.

Bedeutet, klarer ausgesprochen,
für den entscheidenden Befund,
das Fazit vieler Forschungswochen:
Das Tier ist ohne Zweifel bunt.

Dieser Triumph in allen Ehren,
so Dr. Bongo aus Gabun,
doch gibt‘s noch mancherlei zu klären,
das heißt noch ziemlich viel zu tun!

O welch Entsetzen da erfasste
die Dame, die schon höllisch litt
und mehr als irgendetwas hasste,
wenn ihre Freiheit man beschnitt!

Sofort begann sich Wut zu regen:
Zum Teufel mit dem blauen Schund!
Was warn Experten schon dagegen:
Sie kannte ja den wahren Grund.

Sie machte also möglichst leise,
Getrampel meidend und Geschnauf,
des Nachts sich nochmals auf die Reise
zu des Gewässers Oberlauf.

Mal schwamm, mal trabte sie ‘ne Strecke,
so wie es grade ihr gefiel,
und kam auch glücklich an die Ecke,
wo’s abgeht in den Weißen Nil.

Rasch wieder ohne Badehose
den Leib da in die Flut gesenkt,
und fertig war der farbenlose,
den einst ihr die Natur geschenkt!

Danach hat Aufsehn sie vermieden.
Und trotz des mächt’gen Körperbaus
lebte noch Jahre sie zufrieden
inkognito als graue Maus.

O Tannenbaum

Ein Stückchen Wald mitten im Zimmer,
das gibt es nur zur Weihnachtszeit.
Und an dem Baum der sanfte Schimmer
von Kugeln, ins Geäst gereiht.

Dazwischen eine Lichterkette
wie eine Perlenschnur, die glüht
und aus dem dunklen Nadelbette
gleich Sternen aus der Nacht erblüht.

Das mag als Zierrat auch schon reichen.
Lametta braucht es wirklich nicht.
Die Spitze kann getrost man streichen.
Der Ständer nur, der Fuß ist Pflicht.

Auf dem ist er nicht weit geschritten
aus seinem waldigen Revier
und hat auch keinen Bruch erlitten –
kam makellos von da bis hier.

Ja, wie es heißt, naturbelassen
zog er ins Oberstübchen ein,
im vollen Schmuck der Blättermassen
und noch bewässert obendrein.

Ich war auf ihn nicht vorbereitet.
Trat in den Raum ganz ahnungslos,
von nichts als der Idee geleitet,
dass ich auf Altbekanntes stoß.

Da prangte er in vollem Glanze
vor dem erstarrten Blick auch schon –
verklärt die immergrüne Pflanze
zu einer himmlischen Vision.

Und staunend wie in Kindertagen,
wenn sich der Vorhang plötzlich hob,
ließ ich mein Herz in Weiten tragen,
wo aller Erdenstaub zerstob.

Die Überraschung war gelungen,
die’s kaum vom Wunder unterschied.
„O Tannenbaum“ wurd nicht gesungen.
Da stand er ja, lebendig Lied!

Nabelschau

Mein Festmahl ist frugal geblieben.
Hab nicht gesüffelt und geschlemmt.
Auch hab ich mich nicht rumgetrieben
auf Pisten, wo man Bogen stemmt.

Hab mich so weihnachtsfromm verhalten,
dass kaum ich mich vom Stuhl bewegt,
rigider als die Staatsgewalten
es diesmal uns ans Herz gelegt.

Als braver Bürger nicht zu toppen,
der seine Mitwelt respektiert,
mocht ich als Kind mich schon nicht kloppen
und hab mir kaum die Knie blessiert.

Stets war das Zanken mir zuwider,
hab keinem Böses je gewollt,
nennt ihr mich feige auch und bieder
und mit Verachtung Tugendbold.

Wie über meinen Schatten springen?
In meiner Wiege lag kein Schwert.
Und solche mörderischen Klingen
hab ich mein Lebtag nicht entbehrt.

Oft könnt ich mir die Haare raufen,
seh ich Halunken auf dem Thron,
würd aber niemals Amok laufen
in blutig-blinder Rebellion.

Doch ebenso wie Steinewerfen
und wie Parolen zu skandiern
die Tritte mich von Stiefeln nerven,
wenn eins, zwei! eins, zwei! sie marschiern.

Muss ich in Sack und Asche gehen,
weil er mir fehlt, der Sinn für Drill,
und die Gewalt, die alle schmähen,
ich wirklich nicht verüben will?

Um eine bessre Welt zu bauen,
als einst der Schöpfer sie ersann,
muss man sie nicht in Stücke hauen –
man fang nur bei sich selber an!