Chefsache

Ist euch das schon mal vorgekommen:
Ihr werkelt still im Aktenmuff,
da stürmt (habt’s Klopfen nicht vernommen)
auf einmal jemand ins Kabuff?

Ja? Aber dass dann auch der Gute,
der euch beim Schaffen überfällt,
‘ne veritable Wünschelrute
am ausgestreckten Hebel hält?

Und latscht damit von einer Ecke
zur anderen, wobei er kuckt,
ob’s ihm auf dieser Wanderstrecke
nicht plötzlich in den Pfoten juckt?

Nun, wenigstens vom Hörensagen
war der Kollege mir bekannt,
dass ich sein seltsames Betragen
nicht ganz so überraschend fand.

Er stand auf der Beamtenleiter
schon hoch im oberen Geschoss
und hätte zwei, drei Schritte weiter
es noch gebracht zum Oberboss.

Doch dann hat es ‘nen Knacks gegeben,
der folgenreich: Karriereknick.
Sein Geist wurd schwer und schien zu kleben
wie Klompen im Gezeitenschlick.

Und jäh war nicht mehr dran zu denken,
dass er das große Los erwisch –
er rutschte von den Ehrenbänken
fast runter bis zum Katzentisch.

War nix mehr mit „Abteilung leiten“;
er kriegte einen vorgesetzt,
den er in seinen bessren Zeiten
gewiss doch in der Luft zerfetzt.

Jetzt hieß es kleine Brötchen backen,
Handlangerdienste nur versehn
und statt Meriten einzusacken,
den andern auf die Nerven gehn.

Nun wollte er sich niederlassen
gleich in der Bude nebenan
und mit der Rute erst erfassen,
ob unterwärts ein Bächlein rann.

Ich griff geschäftig gleich zur Strippe
und wünscht ihm flüchtig „Guten Tag!“
und dass mit seiner Wasser-Wippe
er nicht bei mir noch Wurzeln schlag.

Es ließ sich dennoch nicht vermeiden,
dass ich ihn traf von Zeit zu Zeit
und kein fingiertes Augenleiden
von der Begegnung mich befreit.

Ich musste mit ihm Worte wechseln,
die jeglichen Gehalts so bar,
als würde man das Stroh noch häckseln,
das lange schon gedroschen war.

Doch er sprach mit Prophetenfeuer
im Rederausche des Blablas,
dass immer wen’ger mir geheuer
der amtlich mir am nächsten saß.

Er hatt es grade mit Mikroben,
sofern in Bauten sie gedeihn –
ein Stoff, sich daran auszutoben
akribisch bis Sankt Nimmerlein.

Ich durfte aber noch erleben
das fert’ge Buch plus zweitem Band –
gedruckt indes, o eitel Streben!,
es gleich im Magazin verschwand.

Ein Tiefpunkt, den zu überwinden
erfolglos mancher sich bemüht,
da er im Eifer, seinem blinden,
von neuen Grillen schon geglüht.

Doch jäh hat sich das Blatt gewendet;
wieso, das ist mir schleierhaft –
als hätt der Heil’ge Geist gesendet
ihm gnädig neue Schaffenskraft.

Statt weiter ihm was aufzubürden,
was vom Ergebnis her egal,
beförderte in Amt und Würden
man ihn wie anno dazumal.

Und dafür gab’s wohl gute Gründe
auch ohne Himmelsprotektion,
denn der Gewinn der alten Pfründe
war ohnehin ein Wunder schon.

Sollt für ‘nen Job er plötzlich taugen,
den man ihm einmal aberkannt? –
Ich hab ihn lebhaft noch vor Augen,
wie kopflos er durchs Haus gerannt,

Den Wünschelstab in alle Ecken,
die er dazu verdächtig fand,
mit rüder Neugier reinzustecken
als Fühler für den Wasserstand!

Doch was erst dunkel mochte scheinen,
es war mir bald schon sonnenklar:
Ein Amt steht fest auf tausend Beinen –
der Wasserkopf ist austauschbar!