Der Aufschneider

Der AufschneiderAuf langen Fluren seht ihn wandern,
taucht er die Hand mal nicht in Blut,
von einem Lagerraum zum andern,
zu inspiziern sein Krankengut.

Nie geht er solo auf Visite,
Weißkittel trotten ihm zur Seit.
Er prüft auf Herz und auf Rendite,
bevor er wem ein Lächeln leiht.

Er liebt die große Entourage,
die seinem Status Ehr’ erweist,
der sich auch äußert in der Gage,
die Honorar honorig heißt.

Wie unerschütterlich sein Wissen,
sein diagnostisch siebter Sinn!
Der Kranke sinkt belehrt ins Kissen
und nimmt’s wie Gottes Ratschluss hin.

Womit wir seinen Ruf nicht schänden:
Er ist der Herrscher der Station,
Chirurg mit goldnen Gummihänden,
wer weiß, Asklepios in Person.

Zumindest Chefarzt mit der Würde,
die für ‘nen Magier sich schickt,
der oft kurz vor der letzten Hürde
noch wen zurück ins Leben flickt.

Doch diese hohe Kunst zu heilen,
die er so fruchtbar praktiziert,
vergiftet auch mit tausend Pfeilen
die Seele, die ihr Herz verliert.

Das heißt sub rosa nicht gesprochen:
Der Halb-, Voll-, Mittelgott in Weiß,
das ist ein arroganter Knochen
und bräuchte mal ‘nen Tritt in’n Steiß!

(Den kann indes kein Siecher leisten –
zum einen, weil er eh geschwächt,
zum andern, weil ein solch Erdreisten
ihn um des Feldschers Hilfe brächt.)

Was mag er sich nur dabei denken,
wenn auf so hohem Ross er thront?
Dass ein paar Jahre Leben schenken
ihn selber vor dem Tod verschont?

Den Zweikampf wird er glatt verlieren,
zu dem ihn fordert einst Freund Hein –
der kann mit Sense operieren;
Skalpelle sind da viel zu klein.

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