Erinnerung

zeit_vergehtJetzt bloß Vergangnes nicht beschwören,
mich selber fragen: Weißt du noch?
Wie’n Hirsch allein nach vorne röhren.
Ihr alten Fotos, bleibt im Loch!

(Sie fielen just mir in die Hände,
die ich an dunkle Schapps gelegt,
weil in so muffigem Gelände
man manchen Müll zu finden pflegt.)

Nur flücht’ge Blicke hab gestattet
ich mir aufs wellige Papier,
das, ob es glänzend, ob gemattet,
so fern vom Heute und vom Hier.

Archaisch gleichsam die Gestalten,
in Wuchs und Frische ganz Natur,
naiv und süß beim Händchenhalten,
von Bauch und Becken keine Spur.

Bin das da wirklich ich gewesen,
ich, dieser halbe Naseweis,
der, von der Kindheit kaum genesen,
noch hölzern tappt im Lebenskreis?

Und all die anderen Epheben
und Nymphen, dass es überquillt,
das reine, unverbrauchte Leben
wie’n Botticelli-Frühlingsbild!

Jetzt bloß nicht in Gewesnem Wühlen
mit „Weißt du noch?“, wie’s alle tun,
die, um sich wieder jung zu fühlen,
so kindisch gehn in Kinderschuhn!

Nie wird uns drast’scher als von Linsen
bescheinigt, dass wir sterblich sind,
und dennoch gucken wir uns grinsen
zum Knipsen wie’n Reklame-Rind

Das nach dem Willn der Werbeleute
sich sehr um Heiterkeit „bemuht“,
doch, wenn’s auch grad noch wiederkäute,
im Nu verreckt im Schlachthausblut.

Was soll das mit den Fotoalben
und ihren Bildern, kleinen Türn
ins Gestern, die doch allenthalben
nicht wie Advent nach vorne führn?

Sie können nur das Herz beschweren
mit Sehnsucht nach dem Augenblick,
da wir als junge Ephemeren
noch blind fürs flüchtige Geschick.

Drum weg, zurück da in die Ecke
mit dieser ganzen Herrlichkeit,
damit ich nicht die Wunden lecken,
die grade sie nicht heilt, die Zeit!

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