Neujahrsvorsätze

Hab weiter mir nichts vorgenommen
für dieses Jahr, das vor mir liegt.
Ist bloß ein neuer Tag gekommen,
der so wie jeder andre wiegt.

Die Zeit, die fein wir unterteilen
nach Kreisendem am Firmament,
ist ja ein stetes Weitereilen,
das weder Punkt noch Komma kennt.

Zeigt weder Sprünge noch Zäsuren,
nur diesen unentwegten Fluss,
der alle sterblichen Naturen
früh oder spät verschlingen muss.

Sich selbst indes ‘nen Einschnitt machen
in seinen Alltagsschlendrian
erfordert nicht, dass Böller krachen
und Glocken schwingen simultan.

Man muss nur fest ins Auge fassen
‘nen Vorsatz, sagen wir fürn Lenz,
um dann den Zeitpunkt anzupassen:
März, nein, April, Mai – spätestens…

Das kann man jeden Tag so halten,
auch wenn er nicht mit Lärm beginnt,
Veränderungen zu entfalten,
die längst schon überfällig sind.

Sollt es bei mir denn gar nichts geben,
was schmerzlich mir ins Auge sticht?
Marotten, die wie Kletten kleben,
auch Magersucht und Schwergewicht?

Dem Tabak hab ich abgeschworen
vor ungezählten Jahren schon,
das Bäuchlein Gramm für Gramm verloren
durch Drosselung der Essration.

Von andren Süchten, die mir schaden,
fühl ich im Augenblick mich frei.
Pralinen, Bonbons, Schokoladen
warn eh mir immer einerlei.

Nein, nichts Besondres einzuräumen.
Doch halt, was tu ich mich so schwer –
ich sehe ja vor lauter Bäumen
den Wald tatsächlich schon nicht mehr!

Denn hier direkt vor meiner Nase
ragt wie ein Tännchen rank und schlank
gerade jetzt zur späten Phase
der Wein in seinem Flaschen-Tank.

Das wär schon was, ihm abzuschwören,
ist auch das Quantum moderat –
doch wenn wir auf die Ärzte hören:
Die Sucht mit der Gewöhnung naht!

Indes hieran will ich nicht rühren
durch eidesstattlichen Verzicht,
könnt schlimmstenfalls doch dazu führen,
dass mir der Stoff fehlt zum Gedicht.

Und überhaupt, ganz ohne Schwächen
das harte Brot der Welt zu kaun,
heißt das, den Milch- und Honigbächen
des Paradieses zu vertraun?

Ein äußerst zweifelhafter Handel,
weil man sehr schnell den Kürzren zieht,
bedeutet dieser Erdenwandel
denn auch das Ende schon vom Lied.

Wenn nicht, werd ich zu ew’gem Frieden
auch wirklich mal dahin versetzt?
Da scheint mir sichrer doch hienieden
mein kleines sünd’ges Hier und Jetzt.