Tag der Berufung

tag-der-berufung-francesco-petrarcaVersäumt, ach, diesen Tag zu ehren,
das fällt post festum mir nun ein –
zehn Jahre die Kultur vermehren
sollt Anlass des Gedenkens sein!

Um es konkreter auszudrücken:
So lange ring und reim ich schon
um Verse, die nur selten glücken,
doch stets der Mühe schöner Lohn.

(Ich muss mich hier bescheiden geben –
ein Urteil steht mir ja nicht zu:
Zur Kunst die Zeilen erst erheben
Experten, Leserin, wie du.)

Als ich indes vor ’ner Dekade
die ersten Strophen mir ersann,
wie wusst ich, ob ich auf dem Pfade
Euterpes wacker wandern kann?

Es ist kein Engel mir erschienen
auf eines Höheren Befehl,
der Menschheit fürderhin zu dienen
mit Leich, Terzine und Ghasel.

Es kam mir wohl aus eignem Triebe
und kam mir gleichsam über Nacht,
genau wie jede andre Liebe
aus dunklen Tiefen jäh erwacht.

Doch während Amors süße Pfeile
ihr Ziel verfehln nach kurzer Frist,
währt meine Schreiblust eine Weile,
die sich nach Jahren schon bemisst.

Die Treue kann ich nicht erklären,
mir macht die Sache einfach Spaß,
und keinen Tag möcht ich entbehren,
an dem ich froh zu Verse saß.

(Heißt nicht, ich hab den Bock verloren
auf dralles, pralles Menschensein –
ich bin auf beides eingeschworen
wie weiland Meister Wolkenstein.)

Ha! Kann man so zu Potte kommen?
Ich grapsche grübelnd mir ans Kinn.
Bin in den Redefluss geschwommen
und treibe träge in ihm hin.

Mehr Disziplin ist hier geboten:
Was du zu sagen hast, das sag!
Ich schlürfe also meinen Roten,
auf den verpassten Jubeltag

Und widme dieses Dutzend Strophen
dem Dämon, der mir Kraft verlieh,
dass zwischen Spüle ich und Ofen
noch folg dem Weg der Poesie!