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Hitverdächtig

Ganz früh schon in der Musen Banne,
sang solo sie und Schaum im Ohr
in der berühmten Badewanne
dem Entchen lust’ge Lieder vor.

Und was an Stimme ihr noch fehlte
zur melodiösen Meisterschaft,
ersetzte, was nicht minder zählte,
durch Inbrunst sie und Wasserkraft.

Was für ein Groove! Und jeder Kenner,
der still gelauscht dem Wunderkind,
er hätt geschworn, dass hier ein Renner
die Reise in die Charts beginnt.

Prophetisch! Denn die süße Göre,
aus Schaum zur Venus aufgeblüht,
erwies sich bald als beste Röhre
des Labels „Bis die Platte glüht“.

Denn dieser Sound, den sie kreierte,
berührte so unmittelbar,
dass über Nacht sie avancierte
zum viel gefragten Schlagerstar.

„Ein letzter Kuss, mein Schornsteinfeger“
und „Bleib mir treu bis Ultimo“ –
vom Kellner bis zum Kammerjäger
flog alles auf ihr Kunstniveau.

Die Melodie ließ sich noch zeigen,
weil sie das Ohr in Honig taucht;
man kann wohl nicht so viel vergeigen,
wenn man nur wenig Töne braucht.

Der Text indes, der unterlegte,
sofern er aus den Klängen schallt,
doch mehr an gutem Willen hegte
als an geballter Sprachgewalt.

Grammatisch ging schon in die Hose
so mancher Haupt- und Nebensatz
und wurd trotz Bühnenheldenpose
kein Fundstück im Zitatenschatz.

Zwar war auch noch der Reim vorhanden
als einprägsamer Verseschluss,
doch nur verstümmelt, missverstanden
als Lautung, die sich ähneln muss.

Drum dieser Wust von Assonanzen,
die auf dem Weg zum Reim krepiert,
doch fröhlich aus der Reihe tanzen
wie Bolle, der sich amüsiert.

Den Fan wird das nicht weiter schrecken;
der Durchblick ist ihm eh versperrt,
und um die Lust auf Deutsch zu wecken,
geht keiner in ein Popkonzert.

Man will ja einmal live erleben
sein stimmgewaltiges Idol,
um seinem Sound sich hinzugeben
im Vollrausch ohne Alkohol.

Ja, so ein Song mit seinen Macken
den meisten Freaks weit besser schmeckt
als einer, der bis zu den Hacken
im Sonntagsstaat der Regeln steckt.

Es könnt nicht vorm Parnass bestehen,
was hier als Hit man gelten lässt
und selbst die klügsten Medien krähen
ins äußerste verschlafne Nest.

Doch unerforschlich sind die Triebe
des Menschen heute ja nicht mehr;
er schenkt den Dingen seine Liebe
auf keinen Fall von ungefähr.

Denn dank dem Jauchzen und dem Hüpfen
im bunt umfluteten Gewühl,
kann in ‘ne andre Haut er schlüpfen –
mit eingebautem Glücksgefühl!