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Von Mäusen und Menschen

Wie sich die kleinen Nager gleichen
im Unisono ihres Graus,
und dass sie keinen Stand erreichen
als den der armen Kirchenmaus!

Doch steht der Löwe sich da besser?
Frisst er sich an Gazellen satt,
bis eines Tags er Silbermesser
und eine Luxusvilla hat?

Frag Elefanten, Krokodile,
den Reiher und den Kormoran,
ob ihre schlichten Domizile
sie jemals mit Komfort versahn.

Woher denn sollte der auch stammen?
Man bringt mit einem Beutezug
das Fressen grade mal zusammen,
das kaum für einen Tag genug.

So lebt das Tier im wahrsten Sinne
bescheiden von der Hand ins Maul
und hätt nicht mal was vom Gewinne,
der, kaum gelagert, auch schon faul.

Ob unterm Leben sie wohl leiden,
so völlig ohne Prunk und Pracht?
Ach, nicht mal von den Trauerweiden
hat je sich eine umgebracht!

Es ist dem Menschen vorbehalten,
zu jammern, dass er lausig lebt,
und einen Ehrgeiz zu entfalten,
der stets nach tausend Dingen strebt.

Am liebsten auch nach solchen grade,
mit denen er sein Image pflegt –
‘nen Portikus vor der Fassade,
‘nen Hänger, der ein Rennpferd trägt.

Doch wussten schon die alten Weisen,
dass Reichtum nicht das Glück vermehrt,
und eher noch den Wunsch, den leisen,
nach immer neuem Plunder nährt.

Inzwischen hat sich rumgesprochen,
dass wer darauf versessen ist,
beim Nagen seiner goldnen Knochen
auch massenhaft Ressourcen frisst.

Und während alle dies beteuern
von unsrer höchsten Führungscrew,
den Wachstumskurs sie weitersteuern
mit Volldampf auf die Klippen zu.

Politiker sind Totengräber,
die unter Trauergästen stehn.
Am falschen Flor der schlauen Streber
wird alles in die Grütze gehn.

Bestiarium, kulinarisch

bestiarium-kulinarisch-rembrandtBegrüßt sei, Leserin, auf dieser Seite,
sie freut sich herzlich über den Besuch,
zumal du ja schon ’ne gewisse Weite
damit erreicht in diesem Liederbuch.

(Ich will mich lieber gar nicht lange fragen,
ob nicht vielmehr der Zufall dich geführt
und dieses Blatt gezielt du aufgeschlagen,
nachdem du andre gar nicht erst berührt.)

Anscheinend hat es also dir gefallen,
was du an Versen unterwegs gewahrt,
dass deine Augen willens fortzuwallen
auf ihrer apollin’schen Pilgerfahrt.

Da du schon eine lange Wegesstrecke
hast mit Bravour bewältigt bis hierher,
verweil ein wenig doch an diesem Flecke –
zu Rast und leichter Geisteskost Verzehr.

Will dir hier nicht den del’schen Taucher spielen
und gründeln in der Weisheit Tiefenschicht –
begnügen mich mit erdennäh’ren Zielen,
aus denen auch der Schalk im Nacken spricht.

Lass mich, um dir mit heiteren Gedanken
die kleine Abschaltpause auszufülln,
mit ein paar Schnacks von Backen und von Banken
den Acker deiner Fantasie begülln.

Wie glücklich war die Hummerdame
im kühlen Kosmos ihrer Flut,
bis Fischerlist sie, o infame,
in siedend heiße Kessel lud!

Noch unlängst schwamm im Meer, im Gelben,
ein Thunfisch voller Energie.
Jetzt dient er ferne von demselben
in Osaka als Sashimi.

Auch seine Häscher waren schneller,
für immer sein Gequak erlosch:
Zerstückelt gliedert er den Teller,
der unerlöste Prinz – der Frosch.

Die Kröten-Seniorengruppe,
die gerne auf ihr Alter pocht,
sie wurd zur Lady-Curzon-Suppe
noch vor dem Hundertsten verkocht.

Da schau wer diese Turteltauben,
das schnäbelt sich nach Menschenart!
Na wartet! Schluss mit Küsserauben,
wenn über Flammen ihr erst gart!

Den Weckruf, Gockel, kanns vergessen
und auch den Kamm, der öfter schwillt!
Man hat auch so dich gern zum Fressen –
als Hähnchen, das selbst halb was gilt!

Und unsre Puszta-Bekassine,
die doch auf Vorsicht stets bedacht?
Ein Meisterschuss. In die Terrine.
HEUT GALA-JAGDSOUPER UM ACHT.

Ein Ferkel schnappt nach Mutters Zitze,
dass saugend Sättigung ihm werd.
Doch in des Mehls gemeiner Schwitze
brät’s früh vollendet auf dem Herd.

Der Pfau auch, der mit kühnem Schwunge
sein stolzes Rad uns präsentiert,
was nützt ihm seine schrille Zunge,
wenn ‘nen Gourmet sie int’ressiert?

Ein Lämmchen, grade erst geboren
und noch zu nackt, um es zu schern,
muss dennoch schon im Topfe schmoren
an Kümmel und Wacholderbeern.

Mit zartem Fuße die Savanne
betupfte das Gazellenkitz,
das nun in der Etoscha-Pfanne
zerschmurgeln muss bei Oberhitz.

Kaninchen mümmelten noch eben
ihr Feldgemüs in aller Ruh,
um jetzt ’ne Karte zu beleben
als Hasenpfeffer-Wildragout.

Die neulich noch in ihrem Koben
behaglich aufgegrunzt, die Sau,
lässt sich als Kotelett nun loben
von einer drallen Fleischersfrau.

Auf fetter Weide sah man grasen
ein Holstein-Rind gesund und heil,
da kam, um Kuhtod ihm zu blasen,
der Schlächter mit dem Hackebeil.

Der Ruhe freudig sah entgegen
ein Gaul nach langer Plackerei,
doch man entschied der Kohle wegen,
dass „Maxe“ zu verwursten sei.

Selbst Äffchen, ähnlich jenem Wesen,
das seines Schöpfers Ebenbild,
sind örtlich dazu auserlesen,
dass Hunger man an ihnen stillt.

Dies also, Leserin, dich zu erheitern.
Ich hoff, das Intermezzo dir gefiel.
Gelöst geh zu den Versen nun, den weitern,
die wieder ernst in Anspruch und in Stil.

Wie? Meine Meinung kannst du gar nicht teilen?
Die Pause bot kein muntres Possenspiel?
Ich hieß dich nur, in Muße zu verweilen
als ahnungsloses Propagandaziel?

Sehr wohl. Doch tu ich nur, was andre machen.
Verhöhn die Opfer unsrer Esskultur:
Die Werbung lässt die armen Kühe lachen,
schickt Schweine grinsend auf die Tötetour.

Der Teller, den wir täglich leeren:
Ein Golgatha aus Tiergebein.
Wann wird der Mensch sich menschlich nähren –
so wie der Ochse und das Schwein?

Unsere Preiszeit

Unsere PreiszeitEs ließ sich leider nicht vermeiden,
ich musste noch mal runter heut,
um die Regale zu beweiden,
wo Lebensmittel ausgestreut.

Des Fortschritts wesentlicher Träger
scheint mir der Supermarkt zu sein,
seitdem als Sammler wir und Jäger
die Beute selber brachten ein.

Jetzt liegt gehäuft an Ort und Stelle,
was man an Nahrung täglich braucht;
man jagt nicht Mammut und Gazelle
und ist weit weniger geschlaucht.

Auch rennt man nicht mehr Stund um Stunde,
bevor der Spieß sich endlich dreht.
Am meisten opfert noch der Kunde
an Zeit, der in der Schlange steht.

Doch auch dies nützliche Verfahren,
es hat natürlich seinen Preis:
Berappen muss man für die Waren,
und immer mehr, wie jeder weiß.

Und mancher muss da schließlich passen,
der seinen Brotkorb höher hängt.
Das Nötigste nur für die Massen,
der Rest fürn Klüngel, der sie lenkt!

Vielleicht war das mit Selberjagen
im Grunde doch ganz sinnvoll schon –
denn im Glazial, würd ich mal sagen,
sprach noch kein Schwein von Inflation!