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Bergparadies

Die Luft ist ziemlich dünn hier oben
und manchmal fällt das Atmen schwer,
und wenn die Winterstürme toben,
hilft auch kein Reisigfeuer mehr.

Es gibt nur wenig breite Wege,
wo man ‘nem Bus sich anvertraut,
und ganz im Sinn der Landschaftspflege
hat Tunnel man hier nicht gebaut.

Um in dein Heimatdorf zu kommen
vor Einbruch noch der Bergesnacht:
Die Beine in die Hand genommen
und viel, viel Muße mitgebracht!

Doch lohnt es überhaupt die Mühe,
was dich zu Haus erwarten mag?
Die Sippe und ‘ne Handvoll Kühe
fürn kümmerlichen Milchertrag?

Und Butter, die man sich in Stunden
geduldig aus der Bütte stampft,
wie kann sie irgendjemand munden,
der nichts als dies und Käse mampft?

Ein bisschen Dörrfleisch hin und wieder
und Paprika, gekocht mit Reis.
Gebetsmühlnartig brav und bieder
dreht sich der Speiseplan im Kreis.

Wo soll er auch Impulse kriegen?
Was es im Dorf an Läden gibt
hat eher Zwirn und Hammer liegen,
als was ein feiner Gaumen liebt.

Das Nötige, was unser Ländler
nicht selber produzieren kann,
besorgt er sich bei einem Händler,
der hier ein wahrer Ehrenmann.

Er bietet nur solide Sachen,
zieht niemand übern Ladentisch,
und will nicht mal Reklame machen,
dass derart er im Trüben fisch.

Und die Behausung? Komfortabel?
Schon leicht von Luxus angehaucht?
Das Gegenteil von Sündenbabel –
nur was man so zum Leben braucht!

‘ne Handvoll Kissen, Kessel, Schalen,
ein Rad, mit dem man Fäden spinnt –
genug grad, um sich auszumalen,
dass selbst ein Dieb hier nichts gewinnt.

An dieser Dürftigkeit gemessen
lebt unsereins im Überfluss,
fest überzeugt davon indessen,
dass vieles man noch haben muss.

Man sollte also wirklich meinen,
wird einer hierzulande groß,
hätt allen Grund er, zu beweinen
sein karges, kummervolles Los.

Wo aber sind die Unglücksraben
mit ihrem Sauertopfgesicht,
die alle Hoffnungen begraben
in achselzuckendem Verzicht?

Man sieht nur helle, offne Mienen
und Fröhlichkeit in jedem Blick,
als würde man Fortuna dienen
und keinem widrigen Geschick.

Es scheint, dass sie sich wenig scheren
um steigendes Konsumniveau,
und ständig Hab und Gut zu mehren
nicht ihres Daseins A und O.

Nein, was wir längst verloren haben
an menschlichem Zusammenhalt,
gehört hier zu den großen Gaben –
Familiensinn bei Jung und Alt.

Und wenn man bei ‘ner kleinen Feier
gemeinsam in die Schüssel langt,
fühlt man gelöster sich und freier,
als hätt Hormone man getankt.

Dem Vogel gleicht das Glück, dem zagen,
so lautet hier ein schönes Wort –
je eifriger wir nach ihm jagen,
desto geschwinder fliegt er fort.