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Die Felsenbirne

Die FelsenbirneSchon streut sie die zerrupften Blüten
in krausen Flocken übern Weg,
dem Wind sie lassend, seinem Wüten,
dass er wie Staub davon sie feg.

Wie strahlend lag ihr grad die Krone
noch majestätisch auf dem Haupt,
da man ihr jetzt, schon beinah ohne,
die alte Fülle nicht mehr glaubt.

Doch was uns bei der Felsenbirne
so schmerzlich in die Augen sticht,
gilt unserm wissenden Gehirne
nicht als das letzte Weltgericht.

Das Feuerwerk nur ist verglommen,
mit dem der junge Lenz beglückt.
Jetzt schweigt er. Muss zu Atem kommen.
Hat sich beileibe nicht verdrückt.

Schon sieht man sich in Knospen regen
der neuen Blüte Lebenskraft,
die wie die Küken aus Gelegen
beharrlich ihren Durchbruch schafft.

Die Osterglocken sind verklungen,
des Krokus Kelche längst geleert,
verblasst schon zu Erinnerungen,
obwohl noch längst nicht mal verjährt.

Der Frühling, dieser eitle Bube,
der’s möglichst bunt und knallig liebt,
drückt ständig auf die Farbentube,
die immer frisch ihm Schönheit gibt.

Kornelkirschfarbengelbe Blässe,
Magnolienweiß und Violett –
das war ihm gestern von Int‘resse,
heut ignoriert er es komplett.

Jetzt will er, dass in frischem Grüne
wie eine Wiese vor dem Schnitt
der Ahorn diese Blütenbühne
mit seinem Zackenblatt betritt.

Und dass die Kerzenblütenkette
dann die Kastanie wieder reckt,
als ob dem Weihnachtsbaum wer hätte
schon jetzt die Lichter aufgesteckt.

So geht es fort in buntem Reigen,
Ranunkel, Löwenzahn und Mohn,
als wollte die Natur uns zeigen
der Schöpfung Musterkollektion.

Heut legt der Regen seinen Schleier
in grauen Schwaden um die Welt,
dass diese schöne Frühlingsfeier
vorübergeh’nd ins Wasser fällt.

Muss ich als Unglück es empfinden?
So tragisch nehm ich nicht die Flut!
Am Ufer warten Ackerwinden,
erwartet mich der Fingerhut.

Gelassen, himmlische Najaden,
ich euren faden Nektar trink,
bevor an sonnigen Gestaden
in neuen Blüten ich versink!