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König Kunde

Zum ersten Mal in unsrem Laden?
Herzlich willkommen umso mehr!
Soll ihnen jedenfalls nicht schaden,
für Qualität geb ich Gewähr.

Hier ist sogar der König Kunde,
und zwar ein treuer überdies,
der grade erst vor einer Stunde
sich wieder etwas liefern ließ.

Und das ermutigt mich, zu hoffen,
dass wir auch Sie zufriedenstelln –
wir sind für alle Wünsche offen
bis zu den ausgefallnsten Fälln.

Was Sie im Übrigen hier sehen,
womit ich gerne Ihnen dien,
ist nur als Auswahl zu verstehen
aus unsrem Riesenmagazin.

Durchweg die allererste Ware
mit Gütesiegel und Grand Prix,
doch weitre Worte ich mir spare,
denn der Experte sind ja Sie.

So geht der letzte Ladenschwengel
der werten Kundschaft um den Bart,
ein ausgebuffter Lügenbengel
als Sinnbild unsrer Gegenwart.

Die weiß von nichts als von Geschäften
und von der Aussicht auf Gewinn,
und jeder gibt mit allen Kräften
sich dem Gespenst des Mammons hin.

Nicht ahnend, dass auch dies Verhalten
zu einem schillernden Phantom,
schon ausgeheckt von einem Alten,
der hochberühmt als Ökonom.

Was der indessen noch nicht wusste
und nicht als wünschenswert empfand,
entsprechend seiner Lehre musste
entfachen doch ‘nen Flächenbrand.

Denn wie der Habgier stete Flamme
sich tiefer in die Herzen frisst,
wurd jener mählich zum Programme,
das wie ein Amen gültig ist.

Soll jeder nur sein Süppchen kochen,
er nützt damit dem ganzen Land –
und die Verteilung aller Knochen
besorgt ‘ne „unsichtbare Hand“.

Will man erfolgreich konkurrieren,
dass sich das Unternehmen lohn,
muss man in Massen produzieren,
auch für den Wohlstand der Nation.

Es muss kein Einzelner mehr feilen,
bis ihm ein Meisterwerk geglückt –
er soll es sich mit andren teilen,
die gleichfalls dran herumgestückt.

Sich in ‘ne Schöpfung zu verlieben,
wie es Pygmalion widerfuhr,
wär ihm wohl nur ein Fuß geblieben
statt der vollendeten Figur!

Und eh das Fließband noch erfunden,
behalf man sich mit diesem Kniff:
Der Mensch in seinen Arbeitsstunden
macht immer nur denselben Griff.

Das leisten allerdings Maschinen
mit weitaus größrer Effizienz,
dass ihres Arms sich zu bedienen
schon bald die Produktionstendenz.

Gehn da nicht massenweise flöten
die nöt’gen Jobs im Lauf der Zeit?
I wo, auch auf der Jagd nach Kröten
siegt letztlich doch die Menschlichkeit!

So ward zum Dogma denn erhoben
ein niedrer, räuberischer Trieb
und mit dem Christentum verwoben
zum „ökonomischen Prinzip“.

Dem Kaufmann schwitzt aus allen Poren
die Galle seiner Heuchelei,
doch predigt er nicht tauben Ohren –
wer ist von Eitelkeit schon frei?

Konkurrenzkampf

Ein Brauch, in Hellas einst geboren,
doch mittlerweile unbegrenzt:
Man holt im Wettkampf sich die Sporen,
mit denen man ein Leben glänzt.

Denn Typen, die so hurtig rennen,
dass man nur ihren Hintern sieht,
kann man mit Recht wohl Götter nennen,
unsterblich durchs Bewegungsglied.

Das gilt auch für die Schultermuskeln,
mit denen man ‘ne Kugel schmeißt:
Die fliegt zum Sieg. Und in Majuskeln
den Stoßer man auf Stelen preist.

Beim Boxen just so wie beim Ringen,
beim Lanzenwerfen, einerlei:
Man muss den Gegner nur bezwingen,
egal, wie knapp der Sieg auch sei.

Du warst mit deinem Fuß im Ziele
‘ne Handbreit vor des Gegners Zeh?
Das reicht im Sinne dieser Spiele
fürn Ehrenplatz im Elysee.

Du warst mit deiner Schleuderscheibe
demselben einen Tick voraus?
Schon sucht dein Ruhm sich eine Bleibe
in Zeus‘ erhabnem Gästehaus.

Du warst mit deinen Faust-Attacken
um einen einz’gen Treffer vorn?
Die Himmelspforte wirst du knacken
im Schweinsgalopp mit Englisch Horn!

Bezeichnend für den Geist der Wesen,
die auf der Erde vegetiern –
sie machen nicht viel Federlesen
mit denen, die kaum differiern.

Das mag im Sport noch „sportlich“ gehen,
ansonsten aber oft fatal:
Man liebt’s, den Schwächeren zu schmähen,
und leider nicht nur rein verbal.

Der Erste wird als Held gefeiert
mit Blasmusik und Kaisermarsch –
der Zweite ist schon angemeiert
und fühlt sich wie der letzte Arsch.

Allein Dabeisein gilt als Ehre,
nicht, dass man auch Furore macht?
Dies Motto, wenn’s doch Wahrheit wäre!,
hat wohl ein Träumer aufgebracht.

Die Wirklichkeit in allen Lagen,
in die das Leben einen bringt,
heißt sich so tapfer durchzuschlagen,
dass man den Sieg! Sieg! Sieg! erringt.

Und unsre flotten Ökonomen,
die sich auf Wert und Preis verstehn,
entdeckten in den Chromosomen
auch noch das Maximierungs-Gen!

Mit kleinstem Aufgebot an Kräften
zum allergrößten Resultat –
so hat bei allen Geldgeschäften
den besten Maßstab man parat!

Der Mensch verblasst zum Kostenfaktor
in diesem eisigen Kalkül
und teilt mit Stromtarif und Traktor
sich des Inverstors Wertgefühl.

Der aber pocht auf dessen Stärken,
weil er von ihnen profitiert –
indes die Massen nicht mal merken,
dass sie zum Werkzeug degradiert.

Sie hasten blindlings einfach weiter
auf der umkämpften Aschenbahn.
Ein jeder seines Glückes Streiter –
voll Dampf. Voll Neid. Voll inhuman.

Wohnobjekte

WohnobjekteMan braucht doch irgendeine Höhle,
wo nachts man seine Füße reckt
und auch, dass man vom Hals sich gröle
das Los, das einem bitter schmeckt.

Der Fuchs im Wald hat so ‘ne Bude,
der Hase eine, wen’ger groß,
ein bisschen derb, ein bisschen krude,
doch immerhin auch kostenlos.

Der Mensch, gewohnt sich auszunützen
in der ihm eigenen Manier,
er baut mit steinern starken Stützen
dem Nächsten ein Betonquartier.

Und für die kalten, kahlen Wände,
vom Zauber des Zements umweht,
kralln gierige Vermieterhände
sich so viel Zins, wie’s irgend geht.

Dafür dass man mit Arsch und Kragen
nicht kläglich in der Gosse liegt,
muss seinen halben Lohn man tragen
zu einem, der’s im Schlafe kriegt.

Und dass so viel es zu berappen
für diese Kasematten gilt,
muss sie der Staat geschickt verknappen
als der Besitzer Schirm und Schild.

Dann machen Nägel wir mit Köpfen
und hausen preiswert in ‘nem Stall.
Doch ach, selbst da wird man uns schröpfen –
denn das „Prinzip“ gilt überall!