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Der geneigten Leserschaft

Was glotzt ihr denn auf meine Seiten,
habt ihr nichts Besseres zu tun?
In einem Bittgang mitzuschreiten?
‘nen Barfußbruder zu beschuhn?

‘ner netten Oma abzunehmen
des Einkaufsbeutels Schwergepäck,
dass beide heil nach Hause kämen,
die Kundin und ihr Schweinespeck?

Des Nachbarn Bude einzuhüten,
der sich erfüllt ‘nen Urlaubstraum,
und wässern seine biedren Blüten,
den Ficus und den Gummibaum?

Wär löblich auch, sich vorzuknöpfen
Lektüre (Milton, Marx und Mann),
um aus den Weisheitsquelln zu schöpfen,
in die mein Vers nicht reichen kann.

Doch seid ihr nun einmal gelandet
(ich frage allerdings mich, wie
ihr dieses weiße Fleckchen fandet)
im Dschungel meiner Fantasie!

Was hat euch dabei angetrieben?
Die angeborne Lyriklust,
dass alles, was als Vers geschrieben,
das Herz euch hebe in der Brust?

Die Reise in verborgne Welten,
von Touri-Massen unbeleckt,
um als Kolumbus einst zu gelten,
der den Parnass für sich entdeckt?

Ach, warum weiter räsonieren?
Es heißt doch: ‘nem geschenkten Gaul…
Sei es zu zweit, zu dritt, zu vieren –
schaut mir recht fleißig nur aufs Maul!

Früh verdunkelt

frueh-verdunkeltSchon gehn die Tage zügiger zur Neige,
ergeben früher sich der Dämmerung.
Der Nacht gebieterisches „Schlaf und schweige!“,
es liegt halb zehn schon wieder auf dem Sprung.

Noch kürzlich zeigten hell sich die Fassaden
der Häuser drüben um die gleiche Uhr,
die nun verschämt schon ihre Ziegel baden
im Dunkel der erschlaffenden Natur.

Und meine Klause, die in vollem Lichte
den alten Möbelstücken Glanz verlieh,
verdüstert sich, als wär’s zum Weltgerichte,
klingt neun Mal erst die Kuckucksmelodie.

Der Kühlschrank mit den schneeig weißen Wänden,
ein Block, wie aus poliertem Firn gehaun,
steht hoch schon über seinen steifen Lenden
in Schatten, die sich mählich höher staun.

Auch ihn, den Vorhang mit den aufgedruckten
Silhouetten von Henne und von Hahn,
die rabenschwarzen Mäuler schon verschluckten
bis fast ans Ende seiner ausgerollten Bahn.

Der Kaktus ebenfalls in Nichts zerflossen
samt seinem stopp’ligen Dreitagebart!
Wo er gewurzelt, mäßig aufgeschossen,
hat nur die Furcht vor Stichen sich bewahrt.

Und wie ein Spuk in nachtverlassner Heide,
des Wanderers beklommnes Herz zu narrn,
scheint reglos nahezu und weich wie Seide
die Heizungsflamme in den Raum zu starrn.

Doch da ins Dunkel alle sie enteilen,
die tausend Dinge meiner kleinen Welt,
erglänzen umso heller diese Zeilen,
auf die des Lämpchens trauter Kegel fällt.

O hauche, Schimmer, ihnen deine Seele,
des Lichtes fleckenlose Tugend ein,
dass ihnen Klarheit nicht noch Wärme fehle
noch eines glüh’nden Herzens Feuerschein!

Und lass sie, die von Finsternis umgeben,
die täglich gegen meine Mauern rennt,
wie ein Fanal dagegen sich erheben,
das weithin leuchtend für die Musen brennt!

Zaungäste

ZaungästeZwei weiße Katzen auf der Mauer
bewachen meine Hintertür,
‘ne Doppelsphinx auf steter Lauer
am Durchschlupf – ohne Mautgebühr.

Ein müdes Blinzeln ich nur kriege
von diesem flausch’gen Augenschmaus,
wenn in den schmalen Gang ich biege
statt ins Portal am Vorderhaus.

Sie stellen mir auch keine Fragen,
die wunderlich und rätselhaft,
dass schwer ich müsst an ihnen tragen
mit schwächlicher Gedankenkraft.

Ich höre sie noch nicht mal schnurren,
miauen, maunzen und so fort,
geschweige denn wie Tauben gurren –
‘n Katzenfisch mit einem Wort!

Sie hocken da auf ihrem Posten,
als ob’s ein alter Wachturm wär,
und übersehn von West bis Osten
den Strand, die Straße und das Meer.

Doch dass im Notfall vor Piraten
und andren Arten von Gefahr
sie warnten hier die Fischerkaten,
erschien mir eher sonderbar.

Der eignen Sicherheit nur wegen
verweiln sie auf dem hohen Grat –
kein Feind jagt ihnen hier entgegen,
kein Kläffer und kein Gummirad.

Schön abgeblitzt

Schön abgeblitztMuss man denn lang um Themen ringen?
Es gibt sie doch wie Sand am Meer.
Fang einfach an, dein Lied zu singen
und schon ist es ‘ne Strophe schwer!

Picasso hat sie ausgegeben,
die Losung für die Künstlerschaft:
„Ich suche nicht, ich finde eben“ –
Geheimnis seiner Pinselkraft.

Nun, wenige gewiss nur reisen
auf einem Ticket dieser Art,
obwohl’s natürlich anzupreisen,
weil manchen Umweg es erspart.

Die meisten hocken dritter Klasse
auf Pritschen unbequem genug
mit Körper- mehr denn Strophenmasse
in ihrem lyr’schen Bummelzug.

Und kaun verbissen an den Nägeln
und trübe aus dem Fenster stiern,
wo Dinge rasch vorübersegeln,
die, husch, sie aus dem Blick verliern.

Wenn schließlich sie ihr Ziel erreichen,
fühln sie sich durch den Wolf gedreht,
gebückt zum nächsten Bahnsteig schleichen
wo schon ihr Anschlussbummler steht.

Man muss mit ihnen Mitleid haben,
die doch der Muse so geneigt:
‘ner Dame auf dem Fuß sie traben,
die ihnen nur den Hintern zeigt.