Schlagwort-Archive: Sachsen

Das Gleiche in Grün

In noch nicht allzu fernen Zeiten,
als sozialistisch sich genannt
die Zonen, die sich „blühnd“ jetzt breiten
im Thüringer- und Sachsenland,

Warn da an jeder Straßenecke
Plakate dicht an dicht gedrängt,
die unverkennbar zu dem Zwecke
der Propaganda aufgehängt.

Mit selbstgefälligen Sentenzen
schlug man sich an die eigne Brust,
um wenigstens verbal zu glänzen
im Klassenkampf nach Herzenslust.

„Der Fortschritt lässt sich nicht verbiegen.
Wir gießen Eisen, schmieden Stahl.
Einst wird der Sozialismus siegen.
So geht Geschichte nun einmal.“

Ein Satz mit x. Der clev’re Westen
verschlang das spröde Plansystem,
denn seinem waren nur die Besten,
das heißt die Gierigsten genehm.

Und so setzt sich mit andern Zeichen
die Wäsche der Gehirne fort –
die Ecken und Plakate gleichen
sich von der Absicht bis aufs Wort.

Nur dass statt der Politparolen
sich Werbung nun an Werbung reiht,
die kunterbunt und unverhohlen
Produkte in die Gegend schreit,

Die allesamt, auf Kaufmannsehre!,
von einzigart’ger Qualität,
dass gradezu ein Schussel wäre,
wer nicht in’n nächsten Laden geht.

Und noch dazu bei einem Preise,
der „supergünstig kalkuliert“,
dass man sich fragt, auf welche Weise
denn der Verkäufer profitiert.

„Sie wollen den perfekten Wagen,
wo rundum einfach alles stimmt?
Vom Starten bis zum Türenschlagen
es Ihnen schlicht den Atem nimmt?

Was suchen Sie nach andern Marken?
Wir haben ihn für Sie gebaut –
gazellenhaft, um einzuparken,
mit Blech wie Elefantenhaut.

Und fast so fix wie ‘ne Rakete
mit Spitze xx km/h,
der flitzt nur so durch Land und Städte
und ist schon vor der Ankunft da!“

In diesem Stil bei allen Dingen,
die’s einen zu erwerben juckt –
mit süßen Engelszungen klingen
die großen Töne, die man spuckt.

Doch oft kommt noch das dicke Ende
aus weiß der Teufel welchem Grund
und mancher seufzt, ach, hätt die Hände
ich nie gestreckt nach diesem Schund!

Die Kunst, wen auf den Leim zu locken,
ist reine Seelenwissenschaft
und Kunden psychisch abzuzocken
des Werbefritzen Schaffenskraft.

Das heißt, die Kunst zu überreden
geht der zu überzeugen vor.
So zog die Lüge ihre Fäden,
bis sie als Lüge sich verlor.

Denn dies Gespinst von Geld und Gütern,
durch das kein Adlerauge blickt,
ist ja den gierigsten Gemütern
wie eigens auf den Leib gestrickt.

Hoch leben materielle Werte,
und König sei, wer konsumiert!
Auf jenes Goldnen Kalbes Fährte
bald auch der Mensch zum Vieh mutiert.

Ihm ihren Willen aufzuzwingen,
ist nicht nur Diktatorenbrauch –
die seine Freiheit stets besingen
verschmähn für ihren Zweck sie auch.

Mag vieles die Systeme trennen,
in einem sind sie schrecklich gleich –
dass Menschen scheinbar sie nicht kennen,
Figuren nur, wie Wachs so weich.

Solln wir den Mut drum sinken lassen?
Wie fest schien damals die Partei!
Man muss ‘nen langen Atem fassen –
auch dieser Spuk geht mal vorbei.