Urbane Reize

urbane-reize-van-goghHier ward der Mond zum Gegenstand,
der keinen Reiz mehr hat.
Von Schönheit voll bis an den Rand
ist selber ja die Stadt.

Wie farbig ist der Straßenraum
mit Bildern ausgeschmückt,
dass jedes Haus und jeder Baum
von Werbung fast erdrückt!

Die Bauten selbst, Paläste schier
aus Stahl und aus Zement,
begeistern sogar den Polier,
der schon Manhattan kennt.

Und dieser Plätze Mobiliar!
Geklump aus Schrott und Stein!
Doch eingestuft als „wunderbar“
vom hies’gen Kunstverein.

Auch in den Buden ist was los,
da geht die Luzie ab!
Da lacht sich selbst ein Trauerkloß
die Tränensäcke schlapp.

Hier Jahrmarkt, nur hereinspaziert!
Da Kino-Flimmerwelt:
Ein jeder findet und goutiert,
was immer ihm gefällt.

Und überall dies Tütata
von cremig gelbem Licht,
das dröhnend auf der Retina
von groben Lüsten spricht!

Dies zieht die Blicke magisch an,
erfüllt die Seele ganz,
dass keiner sich entziehen kann
dem städt’schen Totentanz.

Man jagt nach Flitter und nach Tand,
nach seichter Gegenwart,
und wähnt sich dabei weltgewandt
nach bester Spießerart.

„Für uns zwei Bierchen, bitte sehr!
Und Premium-Qualität!“
So gibt selbst ein Gesöff Gewähr,
dass man im Leben steht.

Vor so viel blindem Unverstand,
da wird mir richtig flau:
Man steckt die Rübe in den Sand
und hält sich noch für schlau.

Indes am Himmel immerdar
nimmt’s Drama seinen Lauf –
es tritt die ganze Sternenschar
persönlich darin auf.

Da über unserm Kopf direkt:
Der permanente Clou,
gewaltig, ewig und perfekt –
und kostenlos dazu!

In Nichtigkeiten sich verrennt,
wer unter Neon wohnt.
Es schaut auf ihn vom Firmament
und wundert sich: der Mond.