Wochenendbetrachtung

WochenendbetrachtungDas Wochenende voll in Gange.
Gleich ist der Samstag schon vorbei.
Kein Stau mehr, keine Autoschlange.
Die Straße wieder abgasfrei.

Entblößt das Pflaster von Passanten.
Man hörte, wenn ‘ne Nadel fällt.
Auch Möwen ha’m und Turteltanten
den Flugbetrieb schon eingestellt.

Ganz still seh ich auf Reede liegen
nach stundenlanger stürm’scher Fahrt
und sich in süßen Träumen wiegen
des Tages dunklen Widerpart.

Dies alles würd ich nicht erwähnen,
würd ich in Versen nicht beschwörn,
ging’s nur um die bekannten Szenen,
die wir seit Olim sehn und hörn.

Nein, was dem unscheinbaren Heute
im Dichterauge Glanz verleiht,
ist, dass des frechen Frühlings Beute
er wiederbringt: geraubte Zeit.

Die Stunde, die er uns gestohlen,
dass ihn mehr Tageslicht erquick,
gelang es nun zurückzuholen
dem Herbst. Und zwar mit diesem Trick.

Man muss der Uhren Zeiger drehen
entgegen ihrem eignen Sinn;
so weit, wie sie dann rückwärts gehen,
so weit ist auch der Zeitgewinn.

O könnte man doch dies Verfahren
auch für den Menschen patentiern,
so dass von seinen Lebensjahren
die unerwünschten sich verliern!

Dann sei sein Sommer gern zu Ende,
sein Scheitel schütter und entlaubt,
sei’n lederhäutig seine Hände
und seine Ohren fast ertaubt.

Dann mag sein Auge gern bemühen
der Brille ungebrochne Kraft,
sein Blut ihm in den Schläfen glühen,
wenn er mit Not die Treppe schafft.

Mag ihm die Seele schon entweichen
aus seinem röchelnd offnen Mund:
Er lässt ein Zifferblatt sich reichen,
stellt sich zurück zum jungen Spund!

Sollt wirklich einst der Geist erhellen
so’n Dreh für ‘nen flexiblen Leib,
dann wär gewiss das Uhrenstellen
des Menschen liebster Zeitvertreib.

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