Zum Schwärmen

Hundstage. Sonne ohne Ende.
Im tiefsten Schatten gärt es heiß.
Vom Nacken trieft es bis zur Lende.
Visionen von Vanilleeis!

Am Tag ins schwüle Heim verkrochen,
wo träge sich ein Fächer dreht,
geh, ist die Nacht schon angebrochen,
ich in die Brise, die da weht.

Im letzten schmalen Dämmerstreifen,
der auf dem Horizonte ruht,
seh ich, als Umriss nur zu greifen,
Gestalten noch aus Fleisch und Blut.

Die Zelte stehn noch an der Stelle,
wo man sie morgens aufgebaut,
und Lämpchen spenden bleiche Helle,
die zaghaft durch die Plane schaut.

Doch nicht einmal zwei Schritte weiter
flammt wo auf einem Kohlengrill
ein Feuer, rötlicher und breiter
und flackernd, wie der Wind es will.

Die Nacht ist lauschig und verlockend
so mit dem Meere Hand in Hand,
wie sie den Lüften, steif und stockend,
ein bisschen Kühle noch entwand.

Die stummen Schatten, die da kauern,
bezüngelt von der Wellen Kuss,
sie scheinen noch auf mehr zu lauern
als auf der Sonne Ladenschluss.

Kaum dass ich eben dies so dachte,
als, wie ein Strich in grader Spur
und ohne dass ein Donner krachte,
ein Blitzstrahl übern Himmel fuhr.

Nur aufgezuckt und schon verschwunden
im schwarzen Abgrund überm Meer,
so hastig und kurz angebunden,
als ob er nicht bei Sinnen wär.

Woher dies seltne Feuerzeichen?
Zum Grübeln blieb mir keine Zeit,
denn immer mehr und mehr dergleichen
entrissen sich der Dunkelheit.

Und plötzlich war’s ein Funkenregen,
der stur aus einer Richtung blies,
als ob man ihn mit Peitschenschlägen
wie Karrengäule vorwärts stieß.

Da ging Bewegung durch die Reihen,
die bisher stumm am Strand gehockt,
als würden sie sich jäh befreien
von einer Hemmung, die sie blockt.

Die Augen wandten sich nach oben,
womöglich, was weiß ich, verdreht,
vielleicht die Jungfrau dort zu loben,
den „Meeresstern“ im Nachtgebet.

Doch nicht mal mich kann man betuppen,
der wirklich schwer ich von Kapee,
besann mich auf die Himmelsschnuppen,
die uns zum Wünschen schickt ‘ne Fee.

Natürlich bin ich mir im Klaren,
dass so was durch den Kosmos hetzt,
und manchmal gar in hellen Scharen,
so im August auch, also jetzt.

Man spricht vom Schwarm der Perseiden,
den jährlich unser Globus quert
und der verglühend uns hienieden
ein hübsches Feuerwerk beschert.

Das Volk hier an der Wasserkante
ließ sich das Schauspiel nicht entgehn
und alle Strände überrannte,
von wo die Szene gut zu sehn.

Und wirklich war’s großes Theater,
was ihm da kosmisch präsentiert,
als Jupiter, alias Gottvater,
der Blitze Klinge aufpoliert.

Nun ja, wohl doch verwaiste Steine
im Sturzflug durch den leeren Raum,
gehalten mit der Schwerkraft Leine
vom hohen Helios im Zaum.

Da kann ja nur vor Neid erblassen
der brave Bühnenintendant,
der trotz der Schlangen an den Kassen
am Spielzeitende abgebrannt.

Und nur mit staatlichen Dukaten
den Thespiskarren weiterschiebt,
die es Kulturamtsbürokraten
ihm gnädig zu gewährn beliebt.

Wie nobel der Natur Gebärde,
mit der sie einlädt: Kommt herbei,
ihr alle, Völker dieser Erde,
zum Public Viewing, eintrittsfrei!

Hat diese nur die Schau bewogen,
die Lichter, blitzend, Schlag auf Schlag –
oder sind sie hinausgezogen,
weil mehr am Wünschen ihnen lag?

Von Zeit zu Zeit blieb ich wohl stehen,
den Blick zum Himmel, sternenklar;
da konnte ich mich satt nicht sehen –
und völlig wunschlos glücklich war.