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Blaues Band

An allen Ecken hier Mimosen,
die gelb in voller Blüte stehn
und wenn die Winde sie liebkosen,
ihr Köpfchen hübsch zur Seite drehn.

In dichten Büschen wo auch immer,
am Uferweg, am Straßenrand,
verbreiten sie den goldnen Schimmer
von Sommersprossen übers Land.

Ein schönes Zeichen, zu beteuern,
nachdem die Mandel nun verblüht,
dass Richtung Lenz wir wieder steuern,
der sichtlich schon vor Eifer glüht.

Die Sonne läuft auf vollen Touren
und schiebt die Sache mächtig an,
dass er schon bald mit frischen Fuhren
von Sträußen uns erfreuen kann.

Auch aus den ausgedörrten Zweigen
der Sträucher überall beginnt
die junge Brut des Grüns zu steigen,
weil wieder Saft in ihnen rinnt.

Der Korso mit den tausend Wagen
rollt wieder an auf seiner Spur,
um unsre Sinne sanft zu tragen
durchs bunte Schauspiel der Natur.

Das Meer, das ich so oft besungen,
wird dadurch ja nicht abgehakt.
Doch strömt der Frühling in die Lungen,
na, dann ist Landgang angesagt!

Kein gutes Pflaster

Kein gutes PflasterKein Dichter möchte die Natur wohl missen,
in der er seine schönsten Verse fand –
an Wordsworth denke man und die Narzissen,
an Mörike mit seinem blauen Band!

Ist es der Frühling nicht mit seinen Blüten,
der Sommer in der Fülle seiner Kraft,
die das Geheimnis des Lebend’gen hüten,
aus dem der Sänger seine Welten schafft?

Was das betrifft, da hab ich schlechte Karten –
die Landschaft hier gibt keine Blumen her,
aus Stein nur einen labyrinth’schen Garten,
der mit Zement bepflanzt, Beton und Teer.

Soll ich der Lyrik deshalb mich versagen,
der Öde beugen mich im Wohnquartier?
O nein, so leicht geb ich mich nicht geschlagen –
hab ich doch immer noch die Rauke hier.

Mit diesem Pflänzchen könnt ihr nichts verbinden?
Nun, viele Fensterbänke wird’s nicht ziern,
mit Gummibäumen und mit Zimmerlinden
kann im Geringsten es nicht konkurriern.

Es ist ja auch ein struppiger Geselle,
der wild ins Kraut in seinem Topfe schießt
und danach giert, dass man ihm auf die Pelle
tagtäglich eine Kruke Wasser gießt.

Da gibt’s ‘ne Menge Blätter auch zu tränken,
die furchtbar mager und am Rand gesägt
und sich wie Schlangen winden und verrenken,
medusenhäuptig wild und ungepflegt.

Feinschmeckern aber scheint sie zu behagen,
weil in der Schüssel sie Geschmack beweist
(nachdem in „Rucola“ sie übertragen:
Gourmets goutieren nicht, was „Rauke“ heißt!)

Wenn auch zu spärlich hier, mir zu ersetzen
den bunten Blütenflor, der inspiriert,
weiß ihre Gegenwart ich doch zu schätzen
als Mauerblümchen, das sich nicht verliert.