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Geisterspiele

Nichts, heißt’s, die Menschen so verbindet
zu friedlicher Gemeinsamkeit
wie Sport, bei dem sich jeder schindet,
hochleistungs- und rekordbereit.

Doch lässt uns die Erfahrung wissen,
dass dies nicht immer so der Fall,
zum Beispiel, wenn zwei Teams verbissen
sich balgen um den Lederball.

Da fliegen häufig dann die Fetzen,
das ist schon nicht mehr feierlich,
und dass die Spieler sich verletzen,
passiert fast ständig unterm Strich.

Man steigt sich rüde auf die Knochen,
foult „taktisch“ gegen Torbeschuss,
dass mancher Gegner gar für Wochen
auf der Ersatzbank dümpeln muss.

Das Spiegelbild: Die Fangemeinde
Die führt den Kampf auf ihre Art.
Die von der Konkurrenz sind Feinde,
da wird an Häme nicht gespart.

Und oft ertönt noch von den Rängen
der Hass, der sich im Halse staut,
als gift’ger Schwall von Schlachtgesängen,
vor denen‘s sogar Wotan graut.

Ja, Leuchtraketen auf den Rasen
und Böller schleudert man frustriert,
dass er sich im Gestank von Gasen
und buntem Nebeldunst verliert.

Oft kommt es auch zu Schlägereien
aus nichtig negativem Geist,
wenn eine sich der Streitparteien
bei Schlappen nicht am Riemen reißt.

Im Keim erstickt ist die Randale,
das hätt kein Ordner je gekonnt.
Dank Virus herrscht mit einem Male
nur Frieden an der Fußballfront.

Zuschauer, kostenpflichtig: Keine.
Das Stadion gleicht ‘nem Geisterhaus.
Die Kicker treten Ball und Beine.
Der Fan tobt sich woanders aus.

Zahnbehandlung

Sofern in deinen alten Tagen
die Beißerchen an Halt verliern,
hilft dir kein Jammern und kein Klagen –
du musst den Zahnarzt konsultiern.

Der kommt mit zünftigen Geräten
und seiner Fingerfertigkeit,
die Stümpfe endlich auszujäten,
die faulen schon seit langer Zeit.

Du streckst dich auf die Gummiliege
und ruckelst deinen Leib zurecht,
bis Kopf und Nacken in der Biege –
und damit los denn zum Gefecht!

Mit rasch getauschten Instrumenten
heißt’s Klappe auf und Klappe dicht –
als leidgeprüfte Patienten
wisst ihr ja selbst, wie so was sticht.

Nach zwei bis drei gefühlten Stunden
lässt der Dentist dich wieder ziehn –
beschwert mit weiteren Befunden
für deinen nächsten Zwicktermin.

Von Zeit zu Zeit musst du so harren
wie’n Fisch mit offnem Maul an Land,
indes dir in die Kiemen starren
zwei Argusaugen unverwandt.

Dann bist du durch mit dieser Stätte.
Der Mühe Lohn: Ein neuer Look –
aus Zähnen eine Perlenkette
als bissbeständ’ger Kieferschmuck.

Jetzt musst du nicht mehr scheu im Rachen
verbergen den dentalen Schwund –
jetzt kannst du wieder Eindruck machen
mit lachend aufgerissnem Mund!

Wäre da bloß nicht die Schikane
mit der Corona-Maskenpflicht –
ob alt, ob neu, die Kauorgane,
man sieht sie hinterm Schleier nicht.

Charakterfest

Besteigt der Bürger seinen Wagen,
bezwingt er dann sein Naturell?
Wird sich mit aller Welt vertragen
und geht doch gerne wem ans Fell?

Wird er bezähmen sich zu brüllen,
falls plötzlich er in Zorn gerät,
sich rücksichtsvoll in Schweigen hüllen,
wenn ihm was auf den Senkel geht?

Wird er nicht auf die Hupe hauen,
statt dass er auf die Bremse tritt?
„Und falls wir einen Unfall bauen,
dann mach ich noch ‘nen guten Schnitt“?

Wird er zu rasen unterlassen,
wo immer es ihm auch beliebt,
sich Tempo 30 anzupassen,
„wo quasi man die Kiste schiebt?“

Wird er nicht seine Asche schnippen
zum Fenster raus in Wald und Flur,
sich wütend an die Stirne tippen,
blockiert man ihm die linke Spur?

Er wird sich für den Größten halten,
der jemals hinterm Lenker saß
und durch geniales Knüppelschalten
ein Minimum an Sprit verfraß.

Für ihn ein Fremdwort: Fehler machen.
Perfekte Fahrkunst wird zum Kult.
Und kracht es mal mit hundert Sachen,
dann ist, na klar, der andre schuld.

Wird der mit sich im Reinen leben
und seinem Angehör’genkreis
und nicht den öden Schwätzer geben,
der alles kann und alles weiß?

Ein Spießer ist er auf der Piste,
ein blechgeschützter Haustyrann,
den, ach, man noch nicht auf die Liste
der seltnen Vögel setzen kann!

Eine sichere Bank

Die Könige in alten Zeiten.
die wussten sich noch anzuziehn,
sie liebten solche Kostbarkeiten
wie Purpur oder Hermelin.

Und was an Goldgerät sie brauchten,
um ihre Macht zu demonstriern,
das ließen diese Top-Erlauchten
mit Edelsteinen reich verziern.

Indes der Bauer auf der Weide
mit Mühe seine Kuh genährt,
hat jener Säcke voll Geschmeide
den Favoritinnen verehrt.

Ja, noch bis heute ist im Schwange
der Spruch, den man nicht leicht vergisst,
dass nächtlich er bei starkem Drange
in einen goldnen Topf gepisst.

Die große Neigung zu Karfunkeln
ist heute keineswegs passé,
und manche Maid trägt, hört man munkeln,
Millionen überm Dekolleté.

Wer aber kann sich so was leisten?
Nicht jeder ist ein Geldmagnat.
Darum begnügen sich die meisten
mit einem Talmi-Surrogat.

Doch muss das immer lose hängen
wie Obst von Arm und Hals und Ohr?
Ist das, zumal bei größren Mengen,
nicht eher lästig als Dekor?

Kann dir genauso gut nicht schmücken
den Leib ein findiger Artist,
ihm einen Stempel aufzudrücken,
der absolut einmalig ist?

Dann lass dich mit ‘ner Nadel ätzen
von einer Hand, die kompetent,
und ohne diese zu verletzen,
dir Muster in die Pelle brennt.

In tausend Ängsten schwebt der Reiche,
dass jemand seine Klunker klaut.
Dir drohn nicht solche Schelmenstreiche –
du trägst dein Schmuckstück in der Haut.

Stadtvermöbelung

Erlebnis: In der City shoppen.
Das heißt, die Nerven liegen blank.
Die Tüten schon nicht mehr zu toppen.
Ein Königreich für eine Bank!

Man muss sich dringend mal verschnaufen.
Die Arme machen nicht mehr mit.
Von wegen, ein paar Sachen kaufen.
Das zieht wie Blei bei jedem Schritt.

Da gibt’s zum Glück ja diese Bänke.
Da lehnt man sich entspannt zurück,
schaut halb versöhnt auf die Geschenke
und prüft noch einmal jedes Stück.

O heil’ge Einfalt, eine Lehne!
Die gab wohl früher einmal Halt.
Heut wandelt sich die Straßenszene,
und Stein macht dir den Hintern kalt!

Der Grund für diese Mobbing-Möbel
liegt – pst, nicht petzen! – auf der Hand:
„Zum Luxus passt hier nicht der Pöbel,“
vertraulich so der Fachverband.

„Nur keine Penner, wie sie hungern
mit keinem Heller auf der Naht,
um ganze Tage rumzulungern
als Werbung für den Wohlfahrtsstaat.

Wir wollen hochpotente Kunden
mit möglichst dickem Portemonnaie,
die nur so wuchern mit den Pfunden,
und dann husch, husch aufs Kanapee.“

Und weil’s bei Heuchlern ja so Sitte,
was schönzureden mit Bravour,
nennt dreist man diese Sitzverschnitte:
Defensive Architektur.

Wiegenlied

Noch kann kein Wässerchen er trüben,
wenn er so in der Wiege liegt;
muss erst sich noch im Krähen üben,
damit er seine Pampe kriegt.

Er spielt verträumt mit seiner Rassel
und findet das Geklimper toll
und schert sich nicht um den Schlamassel,
hat er die Hose einmal voll.

Rundumbetreuung durch die Glucke,
die ihren Spatz auf Händen trägt
und täglich mit Geduld und Spucke
den kleinen Schieter trockenlegt.

Doch schon auch die Gedanken kreisen
um seine spätre Position –
wird er einmal den Grips beweisen
für einen Job mit Spitzenlohn?

Als Arzt vielleicht Karriere machen,
als Steuerprüfer und Jurist,
als Kaufmann über Schätze wachen,
die man mit keiner Elle misst?

Das sind so einer Mutter Träume,
die von dem Spross sich was verspricht,
gesunde, gutgenährte Bäume,
doch wachsen in den Himmel nicht.

Dabei hab oft ich sagen hören,
man wünsch sich einen Tugendbold,
doch niemals, darauf würd ich schwören,
hat ‘nen Tyrannen man gewollt.

Der ist verdammt schlecht angeschrieben
und als Beruf nicht anerkannt,
berauschend sich an finstren Trieben,
die aus dem Anstandsbuch verbannt.

Dem schlechten Ruf indes zum Trotze
bringt mancher es doch gern dahin,
dass er mit seiner Willkür protze
und seinem knüppelharten Sinn.

Dabei ist bloß der Mensch geboren
mit diesem doppelten Talent –
die Erde schuf nur Karnivoren
und Vegetarier, streng getrennt.

Der Löwe muss sein Wildbret jagen,
mit Kräutern hat er nichts am Hut;
das Hornvieh wälzt im Blättermagen
nie einen Brei aus Fleisch und Blut.

Allein im Menschen sich vermischen
die beiden Typen ungeschwächt,
er kann nach Lust im Trüben fischen
oder lebt friedlich und gerecht.

Und folglich zeigen sich Extreme
wie der Despot, der halb vertiert
und ganz im Stil der alten Feme
Rivalen heimlich liquidiert.

Und dann der Mensch mit gutem Herzen,
den leicht das Mitleid übermannt,
ein Gegensatz wie Wunderkerzen
zum sengend-schwarzen Flächenbrand.

Wann endlich macht der Schuft die Fliege?
Das Elend doch mal enden muss! –
Erst wieder in der großen Wiege,
der mit dem Deckel als Verschluss!

Lobbywirtschaft

Sich nur dem Wettbewerb zu stellen
mit ungewissem Resultat,
erscheint in Tausenden von Fällen
dem Produzenten nicht probat.

Drum knöpft er die Entscheidungsträger
in seinem Wirtschaftszweig sich vor
und setzt als Interessenpfleger
‘nen kleinen Mann ihnen ins Ohr.

Und dieser flüstert ohne Ende,
rhetorisch auf dem neusten Stand,
dass Obigem man möglichst spende
den Segen ihrer starken Hand.

Die kann Gesetze dann erlassen
und/oder pusht per Subvention
und füllt der Branche ihre Kassen
mit dem erhofften Lobbylohn.

Natürlich lässt sich leicht vermuten,
dass da ‘ne Menge Schmu im Spiel
und unsre Steuerzahler bluten
für manchen oberfaulen Deal.

Will auf ein Beispiel mich beschränken,
da ich nicht alle nennen kann,
und eure Aufmerksamkeit lenken
auf den modernen Ackersmann.

Der geht den Turbotrecker starten
und auf das weite Feld verbringt
in tausend technisierten Fahrten
die Gülle, die zum Himmel stinkt.

So will er die Erträge mehren
des Korns, das er da angebaut,
und ohne sich darum zu scheren,
ob die sich bös im Boden staut.

Schreit: Friede unsren Bauernhütten,
doch Krieg der Umwelthysterie!
Verteidigt euer Recht zu schütten,
womit seit je die Frucht gedieh!

Dabei weiß er auf seiner Seite
die Stentorstimme für das Land,
dass sie ihm Sonderrecht erstreite –
den bäuerlichen Dachverband.

Und Vielfalt weicht den Einheitsfluren,
dem Flächenfraß mit Pflug und Dung.
Des Lerchensangs Koloraturen
verkümmern zur Erinnerung.

Emily

Was braucht es eines Virus Wüten,
dass seines Heims man sich erfreu?
Man kann auch seine Stube hüten
aus angeborner Menschenscheu.

Doch von der Welt nicht abgeschlossen,
die blühend draußen sich erstreckt,
nicht wie in Bernstein eingegossen
in Totenstarre ein Insekt.

Kann man nicht lebhaft Anteil nehmen
an allem, was in ihr geschieht,
indem, die Augen zu beschämen,
man lieber mit dem Herzen sieht?

Wird nicht der Halm, der durch die Spalten
des Pflasters an die Sonne drängt,
die Würde solcherart behalten
als Wesen, das am Leben hängt?

Die Amsel, die an frost’gen Tagen
sich nur von Fastenspeise nährt,
wird sonst sie wer noch danach fragen,
ob ihr Gesang einst wiederkehrt?

Jetzt heißt’s indes das Wort erteilen,
ihr, die der Scholle nicht entkam
und ihre ungekrönten Zeilen
ins Grab, ins frühe, mit sich nahm!

Sie sind nicht lange stumm geblieben,
in gute Erde eingesät;
der Frühling hat sie ausgetrieben,
der Wind sie übers Land geweht!

To make a prairie it takes a clover and one bee,
One clover, and a bee,
And revery.
The revery alone will do,
If bees are few.