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Emily

Was braucht es eines Virus Wüten,
dass seines Heims man sich erfreu?
Man kann auch seine Stube hüten
aus angeborner Menschenscheu.

Doch von der Welt nicht abgeschlossen,
die blühend draußen sich erstreckt,
nicht wie in Bernstein eingegossen
in Totenstarre ein Insekt.

Kann man nicht lebhaft Anteil nehmen
an allem, was in ihr geschieht,
indem, die Augen zu beschämen,
man lieber mit dem Herzen sieht?

Wird nicht der Halm, der durch die Spalten
des Pflasters an die Sonne drängt,
die Würde solcherart behalten
als Wesen, das am Leben hängt?

Die Amsel, die an frost’gen Tagen
sich nur von Fastenspeise nährt,
wird sonst sie wer noch danach fragen,
ob ihr Gesang einst wiederkehrt?

Jetzt heißt’s indes das Wort erteilen,
ihr, die der Scholle nicht entkam
und ihre ungekrönten Zeilen
ins Grab, ins frühe, mit sich nahm!

Sie sind nicht lange stumm geblieben,
in gute Erde eingesät;
der Frühling hat sie ausgetrieben,
der Wind sie übers Land geweht!

To make a prairie it takes a clover and one bee,
One clover, and a bee,
And revery.
The revery alone will do,
If bees are few.

Immunitäten

Wer würde jetzt sein Bündel schnüren,
sich rauszuwagen in die Welt?
Wohin du kommst: Verschlossne Türen.
Du hast ein Ticket? Es verfällt.

Verödet sind die Kinosäle,
in Dunst und Dämmer eingehaust.
Kein Popcorn knirscht sich in die Kehle,
wenn’s dich vor Spannung grade graust.

Museumswände und -vitrinen
verfehlen gleichfalls ihren Zweck.
Statt intressierter Kennermienen
schaun hier nur Putzen nach dem Dreck.

Die Tiger, Löwen und Giraffen
in ihrem städtischen Asyl
sind derzeit auch nicht zu begaffen,
und zwar aus ähnlichem Kalkül.

Denn Menschenmengen sind zu meiden,
damit man sich kein Virus fängt.
Das Herdentier muss von den Weiden
und bleibt auf seinen Stall beschränkt.

Nur noch zur Arbeit darf man gehen
im Schatten dieser Pandemie,
den Lebenssaft nicht abzudrehen
dem Handel und der Industrie.

Und, ebenfalls leicht auszumalen,
zum Kauf von Nudeln, Wurst und Brot,
doch ohne Stau an den Regalen,
sonst sieht der Ladenschwengel rot.

Und wer als Maurer nicht gerade
bei Regen schuftet oder Schnee,
der wandert online seine Pfade
und jobbt jetzt auf dem Kanapee.

Das mag wohl manchem auch gefallen,
der packt die Einsamkeit beim Schopf,
doch kommt durchaus nicht an bei allen:
„Mir fällt die Decke auf den Kopf!“

Entwarnung, lauten die Prognosen,
wenn man geimpft landauf, landab,
doch leider sind dafür die Dosen
noch immer himmelschreiend knapp.

Die „Macher“ soll der Teufel holen,
die schon geschlampt gleich zu Beginn –
jetzt halten sie mit Trostparolen
die ungeschützten Massen hin!

Ja, einige der hohen Räte,
das Telefon gespannt am Ohr,
sie ziehen ihre dunklen Drähte
und drängeln sich noch schamlos vor!

Jahreswechsel

Will mit ‘nem Datum ich beschließen,
was heut ich in die Scheune fuhr,
lass aus der Feder ich mir fließen
des Tags genaue Signatur.

Ein Hinweis, der nicht zu entbehren
für eines Werks Entstehungszeit,
weil er dem ständigen Verjähren
ein wenig Rast und Ruhe leiht.

Die Ziffern, dafür zu verwenden,
das heißt die letzten für das Jahr,
auf eine eins nun plötzlich enden,
wo eben eine Null noch war.

Mag sonst man auch ums Gestern trauern
und dass die Zeit vergeht im Flug,
wer wird in diesem Fall bedauern,
dass es sich in die Büsche schlug?

2020 – nicht zu toppen,
was Angst vor Infektion betrifft.
Zu Hause bleiben, Karten kloppen!
Verzicht auf den Personenlift!

Geschäfte, Busse nur betreten
mit Schutz um Mund und Nase rum!
Musik- und Schauspielinterpreten,
es geht auch ohne Publikum!

Und noch viel weitere Schikanen,
die so ein Virus abverlangt,
damit’s nicht fortfährt abzusahnen,
wo immer es an Abstand krankt.

Kann alles ja nur besser werden
(und dieses Wort in Gottes Ohr!),
denn so ‘ne Pandemie auf Erden
hält schließlich doch nicht ewig vor.

Zukünftig soll die eins mir gelten
als stille Hoffnungsträgerin
für den Triumph der alten Welten,
fürn Rückfall in den Neubeginn.

Fassadengestaltung

Er wird uns wohl noch lang begleiten,
der lästige Fassadenschutz,
damit in diesen laus’gen Zeiten
dem Virus er die Flügel stutz.

Warum nicht draus das Beste machen
so wie aus jedem Kleidungsstück,
dass statt nur Kurven abzuflachen,
er seinen Träger auch noch schmück?

Ich meine nicht nur ein paar Diven,
die sich schon jetzt darauf verstehn,
nein, die diversen Perspektiven,
die für das Gros des Volks zu sehn.

Das fängt schon an bei den Formaten:
Nur immer DIN A 1,2,3?
Designer könnten dich beraten,
dass deine Larve cooler sei.

Dir liegt an deiner Handwerksehre,
wie sie auch für Friseure gilt?
Dann pinsle dir doch Kamm und Schere
auf dein textiles Firmenschild!

Und machst du hin und wieder Grütze
als Profi, nicht als Dilettant,
empfehlen Löffel sich und Mütze
als Sinnbild für den Köchelstand.

Auch seine Herkunft nach Regionen,
etwa als Bayer statt als „Preiß“,
kann mit dem Tüchlein man betonen,
hier mit den Farben Blau und Weiß.

Indes der Landsmann von der Küste,
der seine Heimat nicht verhehlt,
als Zeichen maritimer Lüste
den Hummer sich zum Wappen wählt.

Wer will, dass ihn die Welt beneide
um seine noble Eleganz,
der greift zurück auf Samt und Seide
für den gepflegten Mummenschanz.

Und, sei’n wir ehrlich, diesem Fetzen,
der los sich überm Zinken spannt,
womöglich ‘nen Akzent zu setzen
mit Perle gar und Diamant.

Wen aber Winde leicht erschüttern
grad in der kalten Jahreszeit,
der kann mit Fell das Häubchen füttern,
wenn’s sein muss, auch zwei Finger breit.

Auch die den Luxus streng verneinen,
die Ökos kommen nicht zu kurz –
sie nutzen Jute nur und Leinen
für ihren Nasenlendenschurz.

Die aber lautstark protestieren,
dass durch den Blätterwald es braust,
die führn auf offenen Visieren
martialisch die geballte Faust.

Genug nun aber der Exempel.
Nur einem geb ich noch das Wort,
dem, der wie weiland Lehrer Lämpel
die Weisheit treibt als Leistungssport.

Dem Staatsmann, wie wir wohl schon ahnen,
sich rühmend ohne Unterlass.
Der schreibe sich auf seine Fahnen:
Wer, wenn nicht wir? Wir schaffen das!

Kontaktarm

Er ist zwar nicht sehr angesehen,
weil seine Kunst zurzeit nichts gilt,
und kann doch jetzt ‘ne Nase drehen
dem lyralosen Ebenbild.

Noch zieht das Virus seine Kreise
und kehrt bei jedem Wirte ein,
der gastlich auf die alte Weise
ihm Speise offeriert und Wein.

Da drängen sich auf langen Bänken,
an Eichentischen, dick und fest,
die ihrem Bauch Beachtung schenken,
der alles sie vergessen lässt.

„Und wenn die sich vor mir nicht hüten“,
so denkt das Virus messerscharf,
„dann will ich doch bei ihnen brüten
und holen, wessen ich bedarf“.

Nun aber wieder zum Poeten.
Er hält die Menge sich vom Leib
und so auch Gäste, ungebeten,
zum infektiösen Zeitvertreib.

Geselligkeit wird klein geschrieben,
das liegt in seinem Naturell,
und Sport im Kämmerchen getrieben:
Gymnastik auf dem Bärenfell.

Orgiastische Familienfeiern
hat er als Jüngling schon gehasst,
besonders wenn dann alle reihern,
dass es in keinen Kübel passt.

Und selbst ‘ne flüchtige Visite
in einem quirligen Lokal
scheut dieser schüchterne Quirite
wie’n Bleichgesicht den Marterpfahl.

Kontakte eher auch bescheiden
mit seiner Nachbarschaft im Haus –
nicht weil die Leute sich da schneiden,
doch keiner geht aus sich heraus.

Nur auf den schmalen Trampelpfaden,
die von der Wurst zum Käse führn,
kann er in seinem Schlemmerladen
die Nähe der Begegnung spürn.

Rein optisch. Denn der kluge Kunde
macht selbst beim Abstandhalten mit,
hält inne kurz auf seiner Runde
und höflich aus dem Wege tritt.

Nicht mal in lauen Sommernächten
sucht er belebte Plätze auf,
dass er im Dunstkreis der Bezechten
ein bisschen Kühle sich erkauf.

So’n eingefleischter Stubenhocker,
dem nie an Partys etwas lag,
der bringt’s auch heute leicht und locker
auf null Kontakte so am Tag.

Am Abend in der Verseschmiede
lässt er sich ohnehin nicht störn –
feilt konzentriert an seinem Liede
und würd nicht mal ein Klopfen hörn.

‘ne Laus dem in den Pelz zu setzen,
das scheint nach alledem wohl schwer.
Mag seine Kunst man auch nicht schätzen,
die Distanziertheit umso mehr!

In Windeseile

Der Wanderer in alten Zeiten,
die Beine bloß als Antriebskraft,
mocht noch so wacker er auch schreiten,
hat wenig Meilen nur geschafft.

Und wenn er in die Welt gezogen,
wie’s stolz in seinem Liede hieß,
ist meist er nur ums Eck gebogen,
wo gleich er auf die Fremde stieß.

Die aber größre Strecken gingen
taten’s der Landschaft nicht zulieb –
Scholarenvolk vor allen Dingen,
das es zu neuen Studien trieb.

Dazu noch, einzeln und in Scharen,
zu büßen oder bitten nur,
mit Stock und Hut oft zu gewahren
die Gläubigen auf Pilgertour.

Der Schuster blieb bei seinem Leisten,
den Bauern hielt die Scholle fest,
und bestenfalls die Fürsten reisten
und kamen mal aus ihrem Nest.

Den meisten war nur vom Erzählen
die große, weite Welt bekannt –
so barg man in den schlichten Seelen
ihr Bild allein aus zweiter Hand.

Wer hätte es sich träumen lassen,
dass einst sich in die Luft erhebt
der Höker mit dem Hintersassen
und über allen Wolken schwebt?

Und statt sich über Land zu schinden
in Tagen, Wochen der Tortur,
das fernste Ziel erreicht auf Winden
in einer Handvoll Stunden nur?

Man möchte heute nicht mehr missen,
dass so bequem und rasch man reist,
und macht sich selten ein Gewissen,
was das für unsre Umwelt heißt.

Doch wie wir schmerzlich grad erfahren,
kommt es auch sonst wie zum Konflikt,
wenn täglich Menschen man und Waren
in Massen um den Globus schickt.

Nicht jeder dieser Passagiere
bezahlt für Service und für Sprit.
Ganz ohne Piepen und Papiere
fliegt heimlich auch das Virus mit.

Virus-Leugner

Schon wollt ich es ad acta legen,
dies Thema namens Pandemie,
dass den viralen Schicksalsschlägen
ich lyrisch einmal mich entzieh.

Hat ja auch ganz so ausgesehen,
als wär man endlich übern Berg
und könnte eine Nase drehen
dem giftigen Schmarotzerzwerg.

Doch hat man auch in diesem Falle
die Rechnung ohne Wirt gemacht.
Von wegen nur noch Pillepalle –
er rüstet sich zur nächsten Schlacht!

Seitdem man ihm nicht mehr entschlossen
auf breiter Front entgegentritt,
ist er erneut ins Kraut geschossen
und seine Fieberkurve mit.

Was sind das bloß für Spießgesellen,
die machen’s jedem Gegner leicht:
Die Pike in die Ecke stellen,
wenn er auch nur ein Schrittchen weicht.

Man widmet gern sich dem Vergnügen
und bürstet gegen den Verstand;
Ich, ich, ich, ich in vollen Zügen
vom Kleinhirn an den Bauch gesandt.

Gefahren werden abgestritten,
solang sie nicht am Leib zu spürn,
man tanzt auf ‘nem Vulkan inmitten
von Freuden, die das Feuer schürn.

Und fühlt sich noch dazu berufen,
verbittert seine Faust zu balln,
um denen, die mehr Schutz uns schufen,
mit Demos in den Arm zu falln.

Versuch mal, wen zu überzeugen,
der sich in einen Wahn verrannt
und ‘s ablehnt, Regeln sich zu beugen,
die größres Unheil schon gebannt!

Nun, so ein Trupp maroder Denker
lässt sich noch halbwegs kontrolliern.
Doch wie ‘ne Handvoll Staatenlenker,
die ganze Völker infiziern?

Maskerade

Mit fein gewirkten Requisiten,
die man vor Mund und Nase hält,
betreten wir jetzt wie Banditen
die Freilichtbühne dieser Welt.

Doch nicht, um wen zu überfallen
in räuberischem Übermut
und uns mit einem Coup zu krallen
sein lang gehäuftes Hab und Gut!

Und möcht uns die Idee verlocken,
hier im globalen Narrennest
macht grad das Volk sich auf die Socken
zum kollektiven Kappenfest,

Dann lägen gleichfalls wir daneben.
Nichts von ‘nem lust’gen Mummenschanz.
Die Tücher einfach nur da kleben
als Virengitter voll und ganz.

Doch nicht einmal im Wilden Westen,
der mancherlei Rekorde schlug,
gab so ein Schauspiel man zum Besten,
dass jeder fast ‘ne Maske trug.

Nur die vermaledeite Seuche,
die wie ein Blitz vom Himmel fuhr,
erfordert solche neuen Bräuche –
Gesundheit an der Gummischnur.

So seine Züge zu verdecken,
die ganz verschieden doch geprägt,
wird mancher Schönheit gar nicht schmecken,
die lieber sie zu Markte trägt.

Und geh mal und kommuniziere
mit so ‘nem Lappen vorm Profil!
Nur mit ‘nem offenen Visiere
durchschaut man auch das Mienenspiel.

Doch Schlimmres gibt’s unter der Sonne;
‘ne Weile nimmt man das in Kauf,
dann marsch die Maske in die Tonne!
Und schon setzt man die alte auf.

Stets auf dem Sprung

Wer hat ihm einen Pass gegeben,
wer ihm ein Visum ausgestellt,
dass auf der Jagd nach neuem Leben
kein Schlagbaum ihn in Grenzen hält?

Doch braucht der Bursche Dokumente,
Papier, das staatlich ihn empfiehlt?
Als ob er nicht die Löcher kennte,
durch die man sich nach draußen stiehlt!

Er ist so frei wie die Gedanken
in jenem schönen alten Lied,
setzt ohne Müh über die Schranken,
die eine Obrigkeit ihm zieht.

Doch Böses führt er nur im Schilde,
das macht ihn überall suspekt,
wenn in entfernteste Gefilde
er seine gier‘gen Fühler streckt.

Damit man ihm das Handwerk lege,
hat sich ein Mittel nur bewährt:
Man geht ihm tunlichst aus dem Wege,
dass ihn die Einsamkeit verzehrt.

Denn wo’s an Nähe ihm nicht mangelt,
nicht lange unbehaust er irrt,
indem er durch die Luft sich hangelt
von einem bis zum andern Wirt.

Dem pflegt die Zeche er zu zahlen
auf die total perfide Tour –
lässt nichts als Kummer ihm und Qualen
und manchmal mehr als diese nur.

Noch hat den winzigen Gesellen
man keineswegs in der Gewalt.
Doch solln die Hunde weiterbellen –
mal macht die Karawane Halt.

Notstand

Was tun, wenn unser täglich Leben
auf einmal aus dem Tritt gerät
und wie nach einem großen Beben
nichts fest mehr auf dem Sockel steht?

Man kann sofort den Kopf verlieren
und malt den Teufel an die Wand:
Johannes mit den Monstertieren,
Apokalypse, Weltenbrand!

Man kann auch schlicht herunterspielen,
was andren als bedrohlich gilt:
„Wie oft wir schon in Ängste fielen –
und immer alles halb so wild!“

Dann gibt es noch die Hoffnungslosen,
die jeder Obrigkeit misstraun
und sich mit zig Konservendosen
‘ne blechgestützte Zukunft baun.

Des Weiteren Geschäftemacher,
die Chancen wittern überall,
denn Risiko gehört zum Schacher,
so auch im Katastrophenfall.

Doch schließlich auch die edlen Seelen,
die helfen, wo es irgend geht,
und nur auf die Belohnung zählen,
dass andren Gutes draus entsteht.

Was umso höher noch zu schätzen,
als etliche aus dieser Schar
so mutig sind, sich auszusetzen
auch selbst der tödlichen Gefahr.

Die Kranke pflegen und betreuen,
und viele gleich auf einen Schlag,
stehn mit dem Risiko, dem neuen,
ja Aug in Auge jeden Tag.

Ganz vorne an der Front der Viren,
für die sich noch kein Mittel fand,
mit vollem Einsatz sie agieren,
bis sie erschöpft und ausgebrannt.

Indes kann heute keiner sagen,
wie lange diese Krise währt
und wann wir eine Brut verjagen,
die sich jetzt ständig noch vermehrt.

Und da empfiehlt sich ‘ne Variante
im Spektrum von Manie und Mut,
die ich bisher noch gar nicht nannte:
Geduld und immer ruhig Blut.

Nicht mal am Meer darf man noch schweifen,
dass seinem Wellenschlag man lauscht.
Erst nachts hör ich es, nah zum Greifen –
kein Staat verbietet, dass es rauscht.