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O Tannenbaum

Ein Stückchen Wald mitten im Zimmer,
das gibt es nur zur Weihnachtszeit.
Und an dem Baum der sanfte Schimmer
von Kugeln, ins Geäst gereiht.

Dazwischen eine Lichterkette
wie eine Perlenschnur, die glüht
und aus dem dunklen Nadelbette
gleich Sternen aus der Nacht erblüht.

Das mag als Zierrat auch schon reichen.
Lametta braucht es wirklich nicht.
Die Spitze kann getrost man streichen.
Der Ständer nur, der Fuß ist Pflicht.

Auf dem ist er nicht weit geschritten
aus seinem waldigen Revier
und hat auch keinen Bruch erlitten –
kam makellos von da bis hier.

Ja, wie es heißt, naturbelassen
zog er ins Oberstübchen ein,
im vollen Schmuck der Blättermassen
und noch bewässert obendrein.

Ich war auf ihn nicht vorbereitet.
Trat in den Raum ganz ahnungslos,
von nichts als der Idee geleitet,
dass ich auf Altbekanntes stoß.

Da prangte er in vollem Glanze
vor dem erstarrten Blick auch schon –
verklärt die immergrüne Pflanze
zu einer himmlischen Vision.

Und staunend wie in Kindertagen,
wenn sich der Vorhang plötzlich hob,
ließ ich mein Herz in Weiten tragen,
wo aller Erdenstaub zerstob.

Die Überraschung war gelungen,
die’s kaum vom Wunder unterschied.
„O Tannenbaum“ wurd nicht gesungen.
Da stand er ja, lebendig Lied!

Bedeckungsveränderliche

Seit vielen Jahren einmal wieder
begegnet er ihm ohne Murrn,
der kühne Jupiter, ganz bieder,
‘nem Rabenvater wie Saturn.

Heut schwimmen sie auf einer Welle
für einen flüchtigen Moment,
weil kurz nur und auf dieser Stelle
die Sonne einmal beiden brennt.

Und in dem ausgeliehnen Glanze
stolziern die beiden Götterherrn,
als wärn mit ihrem Strahlenkranze
sie selbst nicht wen’ger als ein Stern.

So haben einst sie schon die Weisen
aus Morgenland dazu gebracht,
auf ihrer Fährte zu verreisen
nach Westen durch die Winternacht.

Wir alle kennen die Legende.
Ritt auf Kamelen, kaum bequem.
Doch glücklich dann an seinem Ende
der Stall. Die Krippe. Bethlehem.

Gold, Weihrauch, Myrrhe abgeladen.
Vorm Jesuskind das Knie gebeugt.
Dann wieder heim auf Wüstenpfaden
und seine Göttlichkeit bezeugt.

Gern würd Gewissheit ich erlangen,
wie stark das Licht die Nacht erhellt.
Der Himmel aber grau verhangen.
Und keine Hirten auf dem Feld.

Adventskalender

Erinnerung an Kinderjahre:
Adventskalender an der Wand –
noch ohne Süß- und Schleckerware,
geöffnet aber stets gespannt.

Ein kleiner Engel! ‘ne Trompete!
Knecht Ruprecht und der Nikolaus!
Ein Bildchen bloß, das ich erspähte,
und doch, was für ein Augenschmaus!

Wann hat’s den Appetit verschlagen
auf diese bunte Nulldiät
und sich der unverwöhnte Magen
um 180 Grad gedreht?

Ach, kurz ließ er sich nur verführen,
auch Süßes war er bald schon leid!
Dann fand sich hinter diesen Türen
der Mini-Luxus unsrer Zeit.

Versteht sich eher für die Lieben,
die längst schon keine Kinder mehr,
doch einen Brauch nicht abgeschrieben,
der diesen hoch und heilig wär.

Was lässt sich nicht in Säckchen zwängen
und in Kartons von zwanzig Zoll?
Biersorten gibt es ja in Mengen,
die machen schnell zwei Dutzend voll.

Ein andrer füllt sie eh‘r mit Weinen
und Kölnisch Wasser oder Tee,
das heißt dem Exquisiten, Feinen,
womöglich noch aus Übersee.

Soweit bei mir der Stand der Dinge.
Doch gibt es Typen auch, wer weiß,
die Klunker schenken oder Ringe:
„Spielt keine Rolle, pah, der Preis!“

Na ja, an diesem Fest der Liebe
ist der wohl eher sekundär;
willkommner sind die edlen Triebe
bei Habenichts und Millionär.

Darf ich mal aus der Schule plaudern?
Nur unter uns. Verschwiegenheit!
Bekenne also ohne Zaudern:
Auch ich auf dieser Welle reit.

Hab ‘nen Kalender grad empfangen,
der allerdings den Rahmen sprengt –
der dickste Haken würd nicht langen,
als Ganzes an die Wand gehängt.

Pakete, Päckchen, Hefte, Tüten
nehmen ein Tischchen in Beschlag,
und alle eifersüchtig hüten
die Ziffer für den Öffnungstag.

Allein den Haufen zu betrachten
im festlichen Papiergewand,
gibt ein Gefühl, als ob ihn brachten
die Weisen aus dem Morgenland.

Doch ohne jene Königsgaben
von Weihrauch, Myrrhe oder Gold,
mit denen man dem Jesusknaben
verschwenderisch Respekt gezollt.

Kein Grund indes, mich zu beklagen.
Viel höher fühl ich mich geehrt,
weil, was mir in den Stall getragen,
mehr als Karfunkelsteine wert.

Schon diese Auswahl der Objekte,
in jedem Stücke wohlbedacht,
lässt keinen Zweifel, sie bezweckte,
dass Tag für Tag sie Freude macht.

Durch nichts und niemand zu verringern:
Seht mir nur zu, wie ich nervös
mit zittrig ungeduld’gen Fingern
den Schatz aus seinen Knoten lös!

O Freude, schwerlich zu beschreiben
nach sieben offnen „Türchen“ nur –
und so viel Tage noch verbleiben
für diese schöne Prozedur!

Advent, Advent

Als Burschen ohne Götterglauben
lässt mich das Kirchenjahr wohl kalt,
doch Ohren selbst gepredigt, tauben,
es schwach bisweilen widerhallt.

Wer würde zu bestreiten wagen,
dass schon ein klitzekleines Licht,
in tiefste Dunkelheit verschlagen,
uns wohlig in die Augen sticht?

Als irrte in ‘nem Bergwerksstollen
man ohne Ausweg blind umher,
im Kohlelabyrinth verschollen
selbst für die Grubenfeuerwehr.

Und hätte sich schon aufgegeben,
verzweifelnd an der rauen Welt,
als jäh da zwischen bleichen Streben
ein Strahl die Finsternis erhellt!

Natürlich geht’s normalerweise
durchaus nicht so dramatisch zu,
die Dämmerung umfängt uns leise
und raubt uns nicht die Seelenruh.

Mag sich dir draußen auch die Nase
im Froste schon gefühllos friern,
du hockst im Stübchen, der Oase,
wo alle Schrecken sich verliern.

Und deinem Wohle zu genügen,
die Luft selbst milder dich behaucht
und mit verhaltnen Atemzügen
dich in ein Meer von Wärme taucht.

Indes im Sessel du vergraben
Vivaldi vielleicht lauschst und Bach,
den Meistern mit den schönsten Gaben
im alten Musikantenfach.

Rundum vollkommen nun das Ganze
fürn ersten Sonntag im Advent?
Nur mit dem Licht da auf dem Kranze,
das sich dem Fest entgegenbrennt!

Der starke Mann

Zu den berufsbedingten Zügen,
an denen es nur selten fehlt,
gehört beim Staatsmann das Belügen,
wozu auch das Verschweigen zählt.

Er kann nicht alles offen sagen,
was insgeheim schon ausgedacht,
weil ihm des Volkes Unbehagen
den Plan sonst früh zunichtemacht.

Auch gegen jene aufzuhetzen,
denen sein Regiment missfällt,
zählt zu den ehernen Gesetzen,
nach denen auch der Köter bellt.

Und schließlich sind so abgehoben
vom Boden sie der Wirklichkeit,
dass sie sich ständig selber loben –
für das selbst, was zum Himmel schreit.

Und wie beim Mimen im Theater
die Maske man zumeist nicht spürt,
so wird vom „guten Landesvater“
die Masse hinters Licht geführt.

Mag’s als Entschuldigung ihr dienen,
dass stets man übers Ohr sie haut
und sie die glatten Pokermienen
der Sonntagsredner nicht durchschaut!

Doch was soll man von Leuten halten,
die sich nicht störn an Heuchelei
und diese finsteren Gestalten
hofieren mit Hurrageschrei?

Ach, wären untern braven Christen
die schwarzen Schafe nicht Legion,
dann gäb’s auch keine Populisten –
mit einem Wort: der Sünde Lohn!

Strafen ohne Maß

Bevor die Neuzeit angebrochen
mit mehr Gefühl und mehr Verstand,
sind viele auf den Leim gekrochen
der unbarmherz’gen Henkershand.

Die knüpfte, hieß das Urteil „Hängen“,
dem Unglückswurm den Galgenstrick
und ließ ihn nicht mehr aus den Fängen,
bis er vollendet sein Geschick.

Wie hätt sie auch an Menschenliebe
mehr als die Richter aufgebracht?
Die Opfer warn zumeist ja Diebe,
die nur die Not dazu gemacht!

Enthaupten. Eine Variante.
Ein Hieb – und Kopf ab mit dem Schwert,
‘ne etwas kürzre, elegante
Methode, die nicht so entehrt.

Ertränken: Frauen vorbehalten.
Und mit der Chance, wenn auch gering,
auf Freiheit, falls „durch Gottes Walten“,
mal eine nicht gleich unterging.

Variante: Lebend sie begraben,
bis nichts mehr aus der Kuhle blickt.
Und was sie noch an Atem haben
der nächste Schaufelwurf erstickt.

Der Blutjustiz von scharfen Hunden
ging das noch nicht mal weit genug,
drum haben sie das Rad erfunden,
mit dem die Glieder man zerschlug

Bevor man den brutal Zerhackten
auf eben diese Marter flocht,
wo seinen Leichnam man, den nackten,
noch lang verwesen sehen mocht.

Ist, Leute, euch schon klargeworden
das Ausmaß der Unmenschlichkeit?
Dann wartet kurz, denn dieses Morden
hält noch ‘ne Steigerung bereit!

Ihr müsst euch mal vier Klepper denken,
die je zu zweien aufgestellt
links, rechts von einem, den zu henken
man sträflich für zu milde hält.

Die werden plötzlich angetrieben
und ziehn und zerren volles Rohr –
doch was dann folgt, sei nicht beschrieben,
die Feder selbst sträubt sich davor.

Da könnte man fast harmlos nennen
das Körperstrafen-Sortiment –
ein Zeichen in die Backe brennen,
die Diebeshand vom Arm getrennt.

Und Nase- oder Ohrabschneiden,
womit man manche Tat bedroht,
warn immer noch geringre Leiden
als der Verräter Feuertod.

Wer aber warn die, die ersannen
dies grause Strafeninventar?
Despoten etwa und Tyrannen,
die jeder Herzensregung bar?

Ach, Bürger nur und Biedermänner
aus altpatrizischem Geschlecht,
zum Hungerleider, Bettler, Penner
verachtungsvoll und selbstgerecht.

Wenn so ‘ner ihnen was gestohlen,
und wär’s auch nur ein Schäffchen Korn,
dann, seine Seele Gott befohlen,
traf ihn der ganze Krämerzorn!

Dem schien das schlimmste der Delikte
der Griff nach dem, was er besitzt,
weshalb er an den Galgen schickte
selbst Kinder, die ihm was stibitzt.

Und die den Täter dann betreuen
mit ihrer kalten Glaubensbrunst,
beknien ihn nur, er möcht bereuen,
mit aller Überredungskunst.

Kein Mitleid, keine Anteilnahme.
„Gott selbst will, dass du leiden musst“.
Auf nackten Fels fiel jener Same,
nicht fruchtbar in die Pfaffenbrust.

So nahm denn mit der Kirche Segen
das Menschenschlachten seinen Lauf
und, ohne groß sich zu erregen,
man Unschuldige auch mit in Kauf.

Was warn das für monströse Seelen,
die ihre Herrschermacht missbraucht,
um grad die Ärmsten so zu quälen,
bis sie ihr Leben ausgehaucht!

Doch gibt’s auch heut genug dergleichen,
die fremdes Leid ‘n Deubel schert
und skrupellos gehn über Leichen –
geschickter, ohne Strick und Schwert.

Heilfasten

Wie diese Bilder sich doch gleichen,
egal an welchem Erdenfleck:
Asketen, die der Welt entweichen
und ihrem niedren Lebenszweck.

Hier schließt sich in die karge Zelle
des Klosters ein der fromme Christ,
dass leidend er auf alle Fälle
dem Heiland schon mal ähnlich ist.

Und will mit stetem Schuldbekennen
und Fußfall vor dem höchsten Thron,
denselben Tag und Nacht berennen,
bis zum verdienten Himmelslohn.

Das ist ein ewiges Kasteien
und Flennen für die Trinität,
dass selbst es den geduld’gen dreien
womöglich auf den Zeiger geht.

Doch auch in anderen Regionen,
wo andre Götter man verehrt,
sieht manchen Heiligen man wohnen
in einer Hütte schlecht genährt.

Auch diesen der Erlösungswille
Beschwerlichkeit ertragen hieß
und macht ihm seiner Klause Stille
zum Vorgeschmack aufs Paradies.

Dass solche Praktiken was taugen,
erscheint mir ziemlich zweifelhaft.
Haben die Götter tausend Augen
und Ohrn mit Unterscheidungskraft?

Oder schon technische Verfahren
von derart überird’schem Stand,
dass ganze fromme Völkerscharen
persönlich in Datei‘n gebannt?

Aus obsoleten Geisteswaffen
ein glatter Fehlschuss allerdings:
Der diese ganze Welt geschaffen
mach alles andre auch mit links.

So wiegt man sich denn in dem Wahne,
dass der gewalt’ge Himmelsfürst
mit dem geringsten Untertane
nach ‘nem intimen Plausche dürst.

In Wirklichkeit sind die Gebete
ja bloße Monologe nur,
auf die durch irgendwelche Drähte
noch niemand ein Feedback erfuhr.

Und wem da scheinbar Stimmen klingen
aus seiner tiefsten Seele her,
wird keine Antwort doch erringen.
die nicht sein eignes Wünschen wär.

Kurz, wer sich diesem Weg verschrieben
vom Erdenstaub ins ew’ge Licht,
ist lebenslang wohl blind geblieben –
und selig in der Zuversicht.

Himmel auf Erden

Ein Dichter würd im Paradiese
gewiss nur den Beruf verfehln;
das Leben auf ‘ner Blumenwiese
ihm Herbst und Winter bloß verhehln.

Denn dass des Daseins ganze Fülle
poetisch er erfassen kann,
braucht Gold genauso er wie Gülle,
den Banker und den Bauersmann.

Im Garten Eden nicht zu haben.
Hier sind die Menschen alle gleich.
So unbedarft wie Sängerknaben
und weise wie ein Wüstenscheich.

Man trägt mit Fassung die Askese
in diesem göttlichen Revier:
Nur Manna ohne Mayonnaise,
nur Nektar und kein Dosenbier.

Genauso mit der Kleidermode –
nichts Buntes, nichts Apartes mehr.
Ein Schneider grämte sich zu Tode,
sofern das hier noch möglich wär.

Auch das melodische Vergnügen
ist eher von bescheidnem Rang;
den hier Verewigten genügen
Lobpreisungen mit Harfenklang.

Das sind so einige Aspekte
der vielgerühmten Seligkeit,
dass lieber ich noch lange schmeckte
die gut gewürzte Lebenszeit.

Nein, Psalmen sind nicht meine Sache,
in die man dort die Seele lullt,
dass sie auf keinen Fall erwache
aus göttlichem Personenkult.

Dann lieber auf der Erde hocken,
in ihrem müffelnden Morast,
um ständig Verse zu verbocken,
mit denen man den Sumpf erfasst.

Ich werd ihn zwar nicht trockenlegen
mit meiner seichten Schreiberei,
womöglich aber einst Kollegen,
die weit entschiedener dabei.

Vielleicht wird sogar wahr mal werden,
mit Samba und Sardinenspieß,
vor unsrer Nase hier auf Erden
ein kreuzfideles Paradies!

Lernhilfe

Um reinen Wein euch einzuschenken:
Ich tu mich mit der Sprache schwer,
mag Hirn und Zunge mir verrenken –
ein Kloß sitzt mir im Rachen quer.

Und das nach einem Dutzend Jahren,
die winters ich im Land verlebt,
um ‘nen Thesaurus anzusparen,
in dem sich’s leicht nach Worten gräbt.

Entschuldigung: Mir fehlt indessen
die stete Übung, Tag für Tag,
mit denen, die hier eingesessen,
und ihrem fremden Zungenschlag.

Ich bin durchaus nicht faul gewesen,
hab mich mit Texten rumgequält.
Erfolg: Jetzt kann ich besser lesen
als schnallen, was man mir erzählt.

Soll etwa schriftlich ich verkehren
mit meiner werten Nachbarschaft,
Gespräche gleichsam so entbehren
wie’n Sittenstrolch in Einzelhaft?

Da wär vielleicht die Pfingstmethode
nach Doktor Sanctus Spiritus,
seit Ewigkeit ja schon in Mode,
die endlich ich probieren muss!

Aus diesem Grund kann ich nur hoffen,
dass meinen Wunsch er sich notiert
und, für dergleichen Nöte offen,
mich rasch mit seiner Kur traktiert.

Dann müsste hier die Bude beben,
dass alles wackelt, wankt und klirrt,
und sich dazu ein Wind erheben,
als ob ein Engelsflügel schwirrt.

Und das nur wenige Momente,
im Nu hätt sich der Spuk verlorn –
doch wären meine Sprachtalente
mit einem Mal wie neugeborn!

Was stets mir spanisch vorgekommen
und es in Wirklichkeit auch war,
dräng plötzlich nicht mehr nur verschwommen
in mein geneigtes Ohrenpaar.

Müsst nicht mehr um Verständnis ringen
und, was noch wunderbarer ist,
mir selber von den Lippen gingen
die Worte ohne Galgenfrist.

Ja, selbst die größten Sprachexoten,
an denen man noch schwerer kaut,
von Fidschi die und den Lofoten,
sie klängen mir wie Mutterlaut!

Doch auf den Therapeuten eben
vorerst ich leider warten muss.
Zwei Wochen will ich ihm noch geben –
dann kann er mich, der Luftikus!

Frommer Betrug

Das hätt ich mir nicht träumen lassen,
so viel mit Versen ich hantiert,
dass aus den höchsten Klerus-Klassen
mir einer übers Blatt spaziert.

Und jetzt sogar noch deren Spitze,
der Papst in eigener Person!
Grüß Gott auf meinem Musensitze,
Grüß Gott auch seinem lieben Sohn!

Doch ist leibhaftig nicht erschienen
die aktuelle Heiligkeit;
ich kann euch nur mit einer dienen,
die schon verschied vor langer Zeit.

Die etwas allerdings vollbrachte,
was keiner noch in Rom gewagt,
hat er doch, Bonifaz der Achte,
die eigne Lehre hinterfragt!

Das weiß zumindest die Legende,
die gerne ja an Mythen strickt
und gleich nach seinem sel’gen Ende
als Ketzer ihm am Zeug geflickt.

Tatsächlich scheint zu vielen Malen
die Zunge ziemlich ihm entgleist
und er in Lehren, kardinalen,
sich widersetzt dem Heil’gen Geist.

Dem soll er gar bestritten haben,
was heut noch in der Satzung steht,
dass er mit seinen Göttergaben
ein Vollmitglied der Trinität.

Und auch dass Gott in seiner Güte
geschlüpft in eine Menschenhaut,
kam wohl für ihn nicht in die Tüte,
auch wenn die Firma darauf baut.

Mit Jungfraun ohne Schimpf und Schande,
die wundersam ein Kind gebärn,
kam er wohl auch nicht so zurande,
um die Madonna zu verehrn.

Sogar dass sich beim Abendmahle
durchaus nicht „wandeln“ Brot und Wein,
wurde von jenem Tribunale
gezählt zu seinen Ketzerein.

Und Tote, die aus Gräbern steigen,
in denen ewig sie geruht,
sich eh’r als Staub und Asche zeigen
denn als recycelbares Gut.

Genug jetzt, ehrenwerte Christen?
Nichts mehr von diesem Fischerring,
der gründlich ihn mal auszumisten,
zum Stall von Bethlehem wohl ging?

Zwar seh ich gläubig euch erschauern
vor diesem frevelhaften Sinn,
doch auch geduldig darauf lauern,
was sonst an Sünde noch darin.

So: Nicht im Himmel zu verbuchen
sind Hölle oder Seligkeit.
Man muss sie hier auf Erden suchen
im Schicksal seiner Lebenszeit.

Und, Gipfel aller Blasphemien
und Watsche für den Zölibat,
die Lust sei der Natur entliehen
und Lieben keine Missetat!

Da stehst du wie der Ochs vorm Berge,
der’s nicht in seinen Schädel bringt,
dass dieser höchste Kirchenscherge
das Credo in die Knie zwingt.

Dagegen ist ‘ne lahme Ente
der Reformator weit danach –
denn Bruder Martin Fundamente
in diesem Maße nicht zerbrach.

Und auch den spätren Jesuiten
war dieser „Vater“ weit voraus
in Anerkennung der Meriten
des Glaubensschwindels, pia fraus.

Ein Mann von kritischem Verstande,
der keine heil’gen Kühe kennt,
hat der in päpstlichem Gewande
die Chance zur Reform verpennt?

Das Wort wird auch für ihn wohl gelten
vom Geist, der willig, Fleisch, das schwach;
mocht er Absurdes noch so schelten,
hielt er den Ball doch immer flach.

Er hat sein Paradies genossen,
wohl wissend, wem er es verdankt –
ein Typ, der geistig aufgeschlossen,
an Christlichkeit hingegen krankt.