Archiv der Kategorie: Arbeit

Immunitäten

Wer würde jetzt sein Bündel schnüren,
sich rauszuwagen in die Welt?
Wohin du kommst: Verschlossne Türen.
Du hast ein Ticket? Es verfällt.

Verödet sind die Kinosäle,
in Dunst und Dämmer eingehaust.
Kein Popcorn knirscht sich in die Kehle,
wenn’s dich vor Spannung grade graust.

Museumswände und -vitrinen
verfehlen gleichfalls ihren Zweck.
Statt intressierter Kennermienen
schaun hier nur Putzen nach dem Dreck.

Die Tiger, Löwen und Giraffen
in ihrem städtischen Asyl
sind derzeit auch nicht zu begaffen,
und zwar aus ähnlichem Kalkül.

Denn Menschenmengen sind zu meiden,
damit man sich kein Virus fängt.
Das Herdentier muss von den Weiden
und bleibt auf seinen Stall beschränkt.

Nur noch zur Arbeit darf man gehen
im Schatten dieser Pandemie,
den Lebenssaft nicht abzudrehen
dem Handel und der Industrie.

Und, ebenfalls leicht auszumalen,
zum Kauf von Nudeln, Wurst und Brot,
doch ohne Stau an den Regalen,
sonst sieht der Ladenschwengel rot.

Und wer als Maurer nicht gerade
bei Regen schuftet oder Schnee,
der wandert online seine Pfade
und jobbt jetzt auf dem Kanapee.

Das mag wohl manchem auch gefallen,
der packt die Einsamkeit beim Schopf,
doch kommt durchaus nicht an bei allen:
„Mir fällt die Decke auf den Kopf!“

Entwarnung, lauten die Prognosen,
wenn man geimpft landauf, landab,
doch leider sind dafür die Dosen
noch immer himmelschreiend knapp.

Die „Macher“ soll der Teufel holen,
die schon geschlampt gleich zu Beginn –
jetzt halten sie mit Trostparolen
die ungeschützten Massen hin!

Ja, einige der hohen Räte,
das Telefon gespannt am Ohr,
sie ziehen ihre dunklen Drähte
und drängeln sich noch schamlos vor!

Bürofreuden

Büroambiente. Alltagsszene.
Man klebt am Platz, der abonniert,
wie eine hungrige Hyäne
den Blick auf den PC fixiert.

Gelegentlich die Finger gleiten
über die Tastenreihn dahin,
wobei sich die Pupillen weiten,
zufrieden mit dem Satz und Sinn.

Geräusche eher Mangelware.
Der Schreibtischstuhl knurrt öfter bloß.
Man fährt sich manchmal durch die Haare,
kratzt sich am Kopf gedankenlos.

In diese friedliche Idylle
platzt höchstens mal der Chef herein,
der mit der Weisheit ganzer Fülle
noch nie am Ende vom Latein.

Dann setzt’s womöglich einen Tadel
(mit Lob gehn Chefs ja sparsam um),
den nimmst in deinem Seelenadel
du diesem „Fuzzi“ nicht mal krumm.

Dann führst du wieder an der Leine
die Maus durchs Bildschirmareal,
damit ihr Spürsinn dir vereine
das nöt’ge Datenmaterial.

Beharrlich folgst du ihrer Fährte.
Die Stirn gefurcht. Konzentration.
Wer weiß, wie lange dies schon währte,
da weckt dich jäh das Telefon.

Kollegin… wie war doch ihr Name?
Abteilung hast du mitgekriegt.
Was will zum Teufel diese Dame?
Ob die bei mir auch richtig liegt?

„Zuständigkeit dafür bei Ihnen.“
Dann wird das Thema ausgewalzt.
Ein Feld voll Fallen und voll Minen.
„Was hab ich mir da aufgehalst!“

Im Übrigen Besprechung heute.
Zwei Stunden wieder für die Katz.
So an die dreißig, vierzig Leute.
Und stille ruht der Arbeitsplatz.

Ein paar wie üblich sich berauschen
an ihrem schwafelnden Talent
und sich begeistert selber lauschen.
Der Rest mit offnen Augen pennt.

Nachdem man sich halb lahm gesessen
auf seinem eingekeilten Sitz,
stürzt man befreit zum Mittagessen,
auf das Menü des Tages spitz.

O nein, ist Mittwoch: Leberkäse!
Den kannst du langsam nicht mehr sehn.
War immer ja schon deine These:
Kantinen möglichst weit umgehn.

Du hast den Bauch dir vollgeschlagen
und schon die Müdigkeit beginnt.
Die Lider Blei auf einmal tragen,
und bleiern auch die Zeit verrinnt.

Vermehrter Griff zur Kaffeetasse.
Den Hintern hoch und beug und streck!
Wie ich die Nachmittage hasse!
Die Stunden kommen nicht vom Fleck.

Erlösung endlich. Runterfahren
die Kiste mit der Tastatur.
Am Ausgang warten schon die Scharen
auf das Okay der Stempeluhr.

„Schön‘ Feierabend!“ floskelweise
dir zwanghaft von den Lippen fliegt,
bis dich die Bahn auf schrillem Gleise
noch meilenweit nach Hause wiegt.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen,
als früh man in den Dienst geeilt
und mit geselligem Behagen
den Raum mit Tausenden geteilt!

Der lange Marsch zur Arbeitsstelle,
er ist uns heute ja verwehrt;
man hockt allein in seiner Zelle,
den ganzen Tag an Heim und Herd.

Kein Vormann aus der Chefetage
kommt reingeschneit in dein Büro,
dir zu verkünden, deine Gage
verdopple sich ab Ultimo.

Auch liebenswürdige Kollegen
der eher mitteilsamen Art
dich nicht mehr zu zerstreuen pflegen
mit ihrer ständ’gen Gegenwart.

Man kaut auch nicht mehr seine Knochen
als Clique wo im Speisesaal,
du musst dir selbst dein Süppchen kochen,
so wie ‘s dein Gusto dir empfahl.

Und alles dies will man verspielen
zu Hause jobbend, fern der Welt?
Ich frag mich nur, warum so vielen
gerade das so gut gefällt!