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Verkrümelung

Als Vorsatz zwar nicht ausgesprochen
und heimlich nicht einmal gedacht,
hab ich doch mit dem Brauch gebrochen,
der Weihnachten so schmackhaft macht.

Mit Keksen Schluss und Schokolade,
Krokant und Kuchen und Konfekt
und jeder Form von Eskapade,
in der ein Haufen Zucker steckt!

Bin sonst nicht so ‘ne süße Schnute,
die’s dick mit Näschereien hat,
doch rund ums Fest ist mir zumute,
als würd ich ohne gar nicht satt.

Dann kann ich gar nicht so schnell schlecken,
wie neue Tütchen ich mir hol,
um mich mit Mengen einzudecken,
die’s reinste Gift fürs Magenwohl.

Ja, wenn die Sinne mich nicht trügen:
Beginnt man mit dem Zeug erst mal,
entfaltet es in vollen Zügen
sein knusperfreud‘ges Suchtpotenzial.

Wer zählt die feinen, flücht’gen Happen,
die auf der Zunge fast zergehn?
„Na, einen will ich mir noch schnappen,
hm, lecker, ehrlich – Madeleine.“

Auf diese milde Variante
‘ne kräftigere folgen muss.
„Doch gibt’s denn so was, ‘ne pikante?
Natürlich, hier die Pfeffernuss!“

Die Augen nur sind auf dem Posten,
doch der Verstand wie üblich pennt –
was bremst dich also, durchzukosten
das ganze Sündensortiment?

Vorbei indes die Mußestunden,
die ‘n feierliches Flair beschwörn
mit all den Dingen, die uns munden,
weil sie seit je dazugehörn.

Nicht dass sie keinen Spaß mehr machten,
ist erst die Krippe abgebaut,
doch muss man schließlich wieder achten
auf die Figur, die man versaut.

Doch dann liegt jäh dir auf dem Magen
der große Rest der Schlemmerzeit!
Die Altlast gilt’s noch abzutragen.
In Wochen. Und nach Haltbarkeit.

O Tannenbaum

Ein Stückchen Wald mitten im Zimmer,
das gibt es nur zur Weihnachtszeit.
Und an dem Baum der sanfte Schimmer
von Kugeln, ins Geäst gereiht.

Dazwischen eine Lichterkette
wie eine Perlenschnur, die glüht
und aus dem dunklen Nadelbette
gleich Sternen aus der Nacht erblüht.

Das mag als Zierrat auch schon reichen.
Lametta braucht es wirklich nicht.
Die Spitze kann getrost man streichen.
Der Ständer nur, der Fuß ist Pflicht.

Auf dem ist er nicht weit geschritten
aus seinem waldigen Revier
und hat auch keinen Bruch erlitten –
kam makellos von da bis hier.

Ja, wie es heißt, naturbelassen
zog er ins Oberstübchen ein,
im vollen Schmuck der Blättermassen
und noch bewässert obendrein.

Ich war auf ihn nicht vorbereitet.
Trat in den Raum ganz ahnungslos,
von nichts als der Idee geleitet,
dass ich auf Altbekanntes stoß.

Da prangte er in vollem Glanze
vor dem erstarrten Blick auch schon –
verklärt die immergrüne Pflanze
zu einer himmlischen Vision.

Und staunend wie in Kindertagen,
wenn sich der Vorhang plötzlich hob,
ließ ich mein Herz in Weiten tragen,
wo aller Erdenstaub zerstob.

Die Überraschung war gelungen,
die’s kaum vom Wunder unterschied.
„O Tannenbaum“ wurd nicht gesungen.
Da stand er ja, lebendig Lied!

Nabelschau

Mein Festmahl ist frugal geblieben.
Hab nicht gesüffelt und geschlemmt.
Auch hab ich mich nicht rumgetrieben
auf Pisten, wo man Bogen stemmt.

Hab mich so weihnachtsfromm verhalten,
dass kaum ich mich vom Stuhl bewegt,
rigider als die Staatsgewalten
es diesmal uns ans Herz gelegt.

Als braver Bürger nicht zu toppen,
der seine Mitwelt respektiert,
mocht ich als Kind mich schon nicht kloppen
und hab mir kaum die Knie blessiert.

Stets war das Zanken mir zuwider,
hab keinem Böses je gewollt,
nennt ihr mich feige auch und bieder
und mit Verachtung Tugendbold.

Wie über meinen Schatten springen?
In meiner Wiege lag kein Schwert.
Und solche mörderischen Klingen
hab ich mein Lebtag nicht entbehrt.

Oft könnt ich mir die Haare raufen,
seh ich Halunken auf dem Thron,
würd aber niemals Amok laufen
in blutig-blinder Rebellion.

Doch ebenso wie Steinewerfen
und wie Parolen zu skandiern
die Tritte mich von Stiefeln nerven,
wenn eins, zwei! eins, zwei! sie marschiern.

Muss ich in Sack und Asche gehen,
weil er mir fehlt, der Sinn für Drill,
und die Gewalt, die alle schmähen,
ich wirklich nicht verüben will?

Um eine bessre Welt zu bauen,
als einst der Schöpfer sie ersann,
muss man sie nicht in Stücke hauen –
man fang nur bei sich selber an!

Bedeckungsveränderliche

Seit vielen Jahren einmal wieder
begegnet er ihm ohne Murrn,
der kühne Jupiter, ganz bieder,
‘nem Rabenvater wie Saturn.

Heut schwimmen sie auf einer Welle
für einen flüchtigen Moment,
weil kurz nur und auf dieser Stelle
die Sonne einmal beiden brennt.

Und in dem ausgeliehnen Glanze
stolziern die beiden Götterherrn,
als wärn mit ihrem Strahlenkranze
sie selbst nicht wen’ger als ein Stern.

So haben einst sie schon die Weisen
aus Morgenland dazu gebracht,
auf ihrer Fährte zu verreisen
nach Westen durch die Winternacht.

Wir alle kennen die Legende.
Ritt auf Kamelen, kaum bequem.
Doch glücklich dann an seinem Ende
der Stall. Die Krippe. Bethlehem.

Gold, Weihrauch, Myrrhe abgeladen.
Vorm Jesuskind das Knie gebeugt.
Dann wieder heim auf Wüstenpfaden
und seine Göttlichkeit bezeugt.

Gern würd Gewissheit ich erlangen,
wie stark das Licht die Nacht erhellt.
Der Himmel aber grau verhangen.
Und keine Hirten auf dem Feld.

Advent, Advent

Als Burschen ohne Götterglauben
lässt mich das Kirchenjahr wohl kalt,
doch Ohren selbst gepredigt, tauben,
es schwach bisweilen widerhallt.

Wer würde zu bestreiten wagen,
dass schon ein klitzekleines Licht,
in tiefste Dunkelheit verschlagen,
uns wohlig in die Augen sticht?

Als irrte in ‘nem Bergwerksstollen
man ohne Ausweg blind umher,
im Kohlelabyrinth verschollen
selbst für die Grubenfeuerwehr.

Und hätte sich schon aufgegeben,
verzweifelnd an der rauen Welt,
als jäh da zwischen bleichen Streben
ein Strahl die Finsternis erhellt!

Natürlich geht’s normalerweise
durchaus nicht so dramatisch zu,
die Dämmerung umfängt uns leise
und raubt uns nicht die Seelenruh.

Mag sich dir draußen auch die Nase
im Froste schon gefühllos friern,
du hockst im Stübchen, der Oase,
wo alle Schrecken sich verliern.

Und deinem Wohle zu genügen,
die Luft selbst milder dich behaucht
und mit verhaltnen Atemzügen
dich in ein Meer von Wärme taucht.

Indes im Sessel du vergraben
Vivaldi vielleicht lauschst und Bach,
den Meistern mit den schönsten Gaben
im alten Musikantenfach.

Rundum vollkommen nun das Ganze
fürn ersten Sonntag im Advent?
Nur mit dem Licht da auf dem Kranze,
das sich dem Fest entgegenbrennt!

Licht im Dunkeln

Kaum bist du vor die Tür getreten,
erfasst dich schon ein eis’ger Schwall
wie ein Ganove, ungebeten,
kaltblütig zu ‘nem Überfall.

Fünf Uhr mal grade angebrochen,
doch finster ist es wie die Nacht.
Die Kälte kriecht dir in die Knochen,
hast du drei Schritte erst gemacht.

Die finden kaum sich auf dem Wege,
dem unbeleuchteten, zurecht.
Hier eine Wurzel, da ‘ne Schräge,
im Dunkeln wandert es sich schlecht.

Indessen wundersamerweise
kein Fluch sich deinem Mund entringt,
da überall auf deiner Reise
ein Lichtlein dir entgegenblinkt.

Hier sieht man es als Sternenhaufen
in einen Gartenbusch gebannt,
da locker als Girlande laufen
hoch oben wo am Söllerrand.

Und dort, wie es mit mattem Scheine
aus einem Stubenfenster glüht,
dass in des Hauses heil’gem Haine
den Abendfrieden es behüt.

Derart, den Kragen hochgeschlagen,
die Hände im Jackett verstaut,
lässt sich die Witterung ertragen,
die solche goldnen Brücken baut.

Und hast du deine Tour beendet
ein knappes Stündchen später nur,
wird gegenläufig nun verwendet
der Sohle unsichtbare Spur.

Zurück durch diese Lichtbordüre,
die zaubrisch deine Schritte säumt,
bis kurz sich vor der Eingangstüre
der Wind zum letzten Male bäumt.

Du spürst, wie er nach deinem Nacken
erneut mit frost’gen Fingern fischt,
doch eh sie ihn noch richtig packen,
bist du ins Haus ihm schon entwischt.

Musst du nun als Tribut ihm zahlen
Verzicht auf weihnachtliches Flair?
Wie schön doch auch die Lichter strahlen
am Bäumchen hier im Flur parterre!

Die Reise zur Krippe

Lasst uns den roten Teppich breiten
zum Stall bis wo die Krippe steht:
Es kommen aus der Wüste Weiten
Besucher höchster Majestät!

Drei Royals aus dem Morgenlande,
die einem andern Königskind
trotz fehlender Familienbande
von Herzen sehr gewogen sind.

Auf Knien gar sie es begrüßen,
Respekt, den nie sie wem gezollt,
und deponiern zu seinen Füßen
Odeurs, erlesen, sowie Gold.

Heut ist der Weg für diese Herren
auch ohne Leitstern sonnenklar,
da stehn ja schon die Straßensperren
als Hinweis auf dem Trottoir!

Auch sonst ist manches anders heute
als seinerzeit in Bethlehem –
der Prunk, den damals man nicht scheute
scheint eitel uns und unbequem.

Zwar laufen heute unsre Weisen
auch weiterhin in bunter Tracht,
doch nur, ums Auge abzuspeisen,
das keine Unterschiede macht.

Und Goldgeschenke gleich in Klumpen
samt Räucherwerk der feinsten Art?
Das heil’ge Trio lässt sich lumpen
und nur nicht an Kamellen spart.

Auch dieser Ritt auf den Kamelen,
der schließlich Wochen dauern muss,
kann ihren Hintern nicht mehr quälen
dank Auto, Bahn und Omnibus.

Ich weiß so sicher das zu sagen,
weil ich sie sah auf ihrer Tour;
sie standen auf ‘nem Kleinlastwagen,
der just vor meiner Nase fuhr.

Und boten mir da ein Spektakel
auf ‘nem Podest mit Baldachin,
als wärns Figurn im Tabernakel,
die von Madame Tussauds entliehn.

Ein bisschen Putz, ein bisschen Pappe:
Die Illusion, sie ist perfekt.
So wie von jeher auch Attrappe
der Glaube, der dahintersteckt.

Meerschaum

Die Weihnacht weiß, von der wir träumen
in unsrer raueren Region,
ist südlich an den Meeressäumen
gewiss die größre Illusion.

Hier reicht das beste Thermometer
kaum an den Nullpunkt mal heran,
was leicht man auf die Gründungsväter,
die Sonnengötter, schieben kann.

Dies kommt der Krippe auch viel näher,
in der man Jesus einst gewiegt –
da hat der neugeborne Kräher
schon reichlich Wärme abgekriegt.

Das mit dem Schnee und Frost, dem bittern,
passt eher ja zum Norden auch,
wo wir seit je Geschichte klittern,
dass sie ins beste Licht uns tauch.

Doch nicht mal an der Sonnenküste,
wo keinesfalls man glaubensträg,
als Wunder man es werten müsste,
wenn wo ein weißer Teppich läg.

Dahinter schon, in höhren Lagen,
für jeden sichtbar weit und breit,
die Berge gerne Häubchen tragen
zu ihrem schlichten Winterkleid.

Doch unten, wo ein schmaler Streifen
des Flachlands von der Flut sie trennt,
die Spatzen ’s von den Dächern pfeifen,
dass rund ums Jahr die Sonne brennt.

Und wie ich so gemütlich sitze
und über meinen Versen brüt,
empfind auf einmal ich die Hitze,
die durch die Fensterscheibe glüht.

Da läuten auch die Weihnachtsglocken
vom Kirchlein gegenüber her.
Und hinten gleich, in dichten Flocken,
stiebt Gischt bisweilen übers Meer.

Weihnachtsvorsatz

Na gut, versprochen ist versprochen –
zum ersten Mal an diesem Fest.
Und so ein Wort wird nicht gebrochen,
wie schwer es sich auch halten lässt!

Wir wollen diesmal uns nichts schenken,
es sei denn eine Kleinigkeit,
und unsrer liebevoll gedenken
im besten Sinn der Weihnachtszeit.

So wollen wir dem Stress entgehen,
der stets verbunden mit der Pflicht,
dass auf der Jagd man nach Ideen
verzweifelt sich den Kopf zerbricht.

Tut’s not, das Christkind anzuheuern,
das die Transportgeschäfte führt,
um eine Liebe zu beteuern,
die in Pakete eingeschnürt?

Hat nicht das Jahr genügend Tage,
die nicht mit Brauch und Sitte dräun,
an denen eh’r man in der Lage,
um jemand zwanglos zu erfreun?

Sind es die größten Gabenhaufen
mit allem, was da grad im Trend,
um eine Neigung zu erkaufen,
die mit dem Lichterglanz verbrennt?

Doch kann ich wirklich darauf hoffen,
dass dieser Vorsatz bindend sei?
Heut ist ‘ne Sendung eingetroffen
von ihr, der andren Schwurpartei!

So eine von enormer Größe
und ziemlich schwer, wenn ich’s bedenk.
Gab sich da jemand eine Blöße?
Das riecht doch sehr nach ‘nem Geschenk!

Muss aber trotzdem nicht bedeuten,
dass ich den Braten richtig roch:
Drei Tage vor dem Weihnachtsläuten
hab ich ja auch Geburtstag noch!

Da bleibt für Päckchen und Pakete
doch immer noch genügend Grund.
Ich glaube, gut man daran täte,
man schlöss auch dafür einen Bund!