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Helfershelfer

Noch immer kann mein Kopf nicht fassen,
dass einer, der das Zepter schwingt,
des Volks unabsehbare Massen
so einfach in die Knie zwingt!

Sind etwa da geheime Kräfte,
womöglich höhere im Spiel,
denen so schmutzige Geschäfte
zu unterstützen es gefiel?

So wie in früheren Dekaden,
als man per Unterschrift verbrieft:
Wir, König, sind von Gottes Gnaden
auf diesen Unsren Thron gehievt?

Doch diesem finstren Aberglauben
verfällt inzwischen keiner mehr:
Fürs Foltern, Knechten, Köpfen, Rauben
gäb sich der liebe Gott nicht her!

Nein, ganz profane Erdensöhne
gehn dem Despoten heut zur Hand –
für attraktive Judaslöhne
und Ordensschmuck am Gängelband.

Die heißen höflich Ordnungshüter
im allgemeinen Sprachgebrauch,
doch schützen des Tyrannen Güter
mit Knarre, Stock und Wasserschlauch.

Mit derart feilen Marionetten,
Gesinnungssöldnern unsrer Zeit,
kann der sich vor den Fäusten retten
der Bürger, die zum Kampf bereit.

Doch fast noch mehr als diese Truppe
nützt ihm das Pfui der „freien Welt“ –
die spuckt ihm niemals in die Suppe,
nur werbewirksam ihn verbellt.

So kann er weiter paradieren
in seiner Karnevalsmontur,
bis jäh in Galle, Herz und Nieren
sie nicht mehr tickt, die Lebensuhr.

Ist dieser erst ins Grab gesunken,
hört dann das Elend endlich auf?
Ach, leider fehlt’s nicht an Halunken –
und mancher setzt noch einen drauf!

Strafen ohne Maß

Bevor die Neuzeit angebrochen
mit mehr Gefühl und mehr Verstand,
sind viele auf den Leim gekrochen
der unbarmherz’gen Henkershand.

Die knüpfte, hieß das Urteil „Hängen“,
dem Unglückswurm den Galgenstrick
und ließ ihn nicht mehr aus den Fängen,
bis er vollendet sein Geschick.

Wie hätt sie auch an Menschenliebe
mehr als die Richter aufgebracht?
Die Opfer warn zumeist ja Diebe,
die nur die Not dazu gemacht!

Enthaupten. Eine Variante.
Ein Hieb – und Kopf ab mit dem Schwert,
‘ne etwas kürzre, elegante
Methode, die nicht so entehrt.

Ertränken: Frauen vorbehalten.
Und mit der Chance, wenn auch gering,
auf Freiheit, falls „durch Gottes Walten“,
mal eine nicht gleich unterging.

Variante: Lebend sie begraben,
bis nichts mehr aus der Kuhle blickt.
Und was sie noch an Atem haben
der nächste Schaufelwurf erstickt.

Der Blutjustiz von scharfen Hunden
ging das noch nicht mal weit genug,
drum haben sie das Rad erfunden,
mit dem die Glieder man zerschlug

Bevor man den brutal Zerhackten
auf eben diese Marter flocht,
wo seinen Leichnam man, den nackten,
noch lang verwesen sehen mocht.

Ist, Leute, euch schon klargeworden
das Ausmaß der Unmenschlichkeit?
Dann wartet kurz, denn dieses Morden
hält noch ‘ne Steigerung bereit!

Ihr müsst euch mal vier Klepper denken,
die je zu zweien aufgestellt
links, rechts von einem, den zu henken
man sträflich für zu milde hält.

Die werden plötzlich angetrieben
und ziehn und zerren volles Rohr –
doch was dann folgt, sei nicht beschrieben,
die Feder selbst sträubt sich davor.

Da könnte man fast harmlos nennen
das Körperstrafen-Sortiment –
ein Zeichen in die Backe brennen,
die Diebeshand vom Arm getrennt.

Und Nase- oder Ohrabschneiden,
womit man manche Tat bedroht,
warn immer noch geringre Leiden
als der Verräter Feuertod.

Wer aber warn die, die ersannen
dies grause Strafeninventar?
Despoten etwa und Tyrannen,
die jeder Herzensregung bar?

Ach, Bürger nur und Biedermänner
aus altpatrizischem Geschlecht,
zum Hungerleider, Bettler, Penner
verachtungsvoll und selbstgerecht.

Wenn so ‘ner ihnen was gestohlen,
und wär’s auch nur ein Schäffchen Korn,
dann, seine Seele Gott befohlen,
traf ihn der ganze Krämerzorn!

Dem schien das schlimmste der Delikte
der Griff nach dem, was er besitzt,
weshalb er an den Galgen schickte
selbst Kinder, die ihm was stibitzt.

Und die den Täter dann betreuen
mit ihrer kalten Glaubensbrunst,
beknien ihn nur, er möcht bereuen,
mit aller Überredungskunst.

Kein Mitleid, keine Anteilnahme.
„Gott selbst will, dass du leiden musst“.
Auf nackten Fels fiel jener Same,
nicht fruchtbar in die Pfaffenbrust.

So nahm denn mit der Kirche Segen
das Menschenschlachten seinen Lauf
und, ohne groß sich zu erregen,
man Unschuldige auch mit in Kauf.

Was warn das für monströse Seelen,
die ihre Herrschermacht missbraucht,
um grad die Ärmsten so zu quälen,
bis sie ihr Leben ausgehaucht!

Doch gibt’s auch heut genug dergleichen,
die fremdes Leid ‘n Deubel schert
und skrupellos gehn über Leichen –
geschickter, ohne Strick und Schwert.

In Windeseile

Der Wanderer in alten Zeiten,
die Beine bloß als Antriebskraft,
mocht noch so wacker er auch schreiten,
hat wenig Meilen nur geschafft.

Und wenn er in die Welt gezogen,
wie’s stolz in seinem Liede hieß,
ist meist er nur ums Eck gebogen,
wo gleich er auf die Fremde stieß.

Die aber größre Strecken gingen
taten’s der Landschaft nicht zulieb –
Scholarenvolk vor allen Dingen,
das es zu neuen Studien trieb.

Dazu noch, einzeln und in Scharen,
zu büßen oder bitten nur,
mit Stock und Hut oft zu gewahren
die Gläubigen auf Pilgertour.

Der Schuster blieb bei seinem Leisten,
den Bauern hielt die Scholle fest,
und bestenfalls die Fürsten reisten
und kamen mal aus ihrem Nest.

Den meisten war nur vom Erzählen
die große, weite Welt bekannt –
so barg man in den schlichten Seelen
ihr Bild allein aus zweiter Hand.

Wer hätte es sich träumen lassen,
dass einst sich in die Luft erhebt
der Höker mit dem Hintersassen
und über allen Wolken schwebt?

Und statt sich über Land zu schinden
in Tagen, Wochen der Tortur,
das fernste Ziel erreicht auf Winden
in einer Handvoll Stunden nur?

Man möchte heute nicht mehr missen,
dass so bequem und rasch man reist,
und macht sich selten ein Gewissen,
was das für unsre Umwelt heißt.

Doch wie wir schmerzlich grad erfahren,
kommt es auch sonst wie zum Konflikt,
wenn täglich Menschen man und Waren
in Massen um den Globus schickt.

Nicht jeder dieser Passagiere
bezahlt für Service und für Sprit.
Ganz ohne Piepen und Papiere
fliegt heimlich auch das Virus mit.

Frommer Betrug

Das hätt ich mir nicht träumen lassen,
so viel mit Versen ich hantiert,
dass aus den höchsten Klerus-Klassen
mir einer übers Blatt spaziert.

Und jetzt sogar noch deren Spitze,
der Papst in eigener Person!
Grüß Gott auf meinem Musensitze,
Grüß Gott auch seinem lieben Sohn!

Doch ist leibhaftig nicht erschienen
die aktuelle Heiligkeit;
ich kann euch nur mit einer dienen,
die schon verschied vor langer Zeit.

Die etwas allerdings vollbrachte,
was keiner noch in Rom gewagt,
hat er doch, Bonifaz der Achte,
die eigne Lehre hinterfragt!

Das weiß zumindest die Legende,
die gerne ja an Mythen strickt
und gleich nach seinem sel’gen Ende
als Ketzer ihm am Zeug geflickt.

Tatsächlich scheint zu vielen Malen
die Zunge ziemlich ihm entgleist
und er in Lehren, kardinalen,
sich widersetzt dem Heil’gen Geist.

Dem soll er gar bestritten haben,
was heut noch in der Satzung steht,
dass er mit seinen Göttergaben
ein Vollmitglied der Trinität.

Und auch dass Gott in seiner Güte
geschlüpft in eine Menschenhaut,
kam wohl für ihn nicht in die Tüte,
auch wenn die Firma darauf baut.

Mit Jungfraun ohne Schimpf und Schande,
die wundersam ein Kind gebärn,
kam er wohl auch nicht so zurande,
um die Madonna zu verehrn.

Sogar dass sich beim Abendmahle
durchaus nicht „wandeln“ Brot und Wein,
wurde von jenem Tribunale
gezählt zu seinen Ketzerein.

Und Tote, die aus Gräbern steigen,
in denen ewig sie geruht,
sich eh’r als Staub und Asche zeigen
denn als recycelbares Gut.

Genug jetzt, ehrenwerte Christen?
Nichts mehr von diesem Fischerring,
der gründlich ihn mal auszumisten,
zum Stall von Bethlehem wohl ging?

Zwar seh ich gläubig euch erschauern
vor diesem frevelhaften Sinn,
doch auch geduldig darauf lauern,
was sonst an Sünde noch darin.

So: Nicht im Himmel zu verbuchen
sind Hölle oder Seligkeit.
Man muss sie hier auf Erden suchen
im Schicksal seiner Lebenszeit.

Und, Gipfel aller Blasphemien
und Watsche für den Zölibat,
die Lust sei der Natur entliehen
und Lieben keine Missetat!

Da stehst du wie der Ochs vorm Berge,
der’s nicht in seinen Schädel bringt,
dass dieser höchste Kirchenscherge
das Credo in die Knie zwingt.

Dagegen ist ‘ne lahme Ente
der Reformator weit danach –
denn Bruder Martin Fundamente
in diesem Maße nicht zerbrach.

Und auch den spätren Jesuiten
war dieser „Vater“ weit voraus
in Anerkennung der Meriten
des Glaubensschwindels, pia fraus.

Ein Mann von kritischem Verstande,
der keine heil’gen Kühe kennt,
hat der in päpstlichem Gewande
die Chance zur Reform verpennt?

Das Wort wird auch für ihn wohl gelten
vom Geist, der willig, Fleisch, das schwach;
mocht er Absurdes noch so schelten,
hielt er den Ball doch immer flach.

Er hat sein Paradies genossen,
wohl wissend, wem er es verdankt –
ein Typ, der geistig aufgeschlossen,
an Christlichkeit hingegen krankt.

Monarch und Monster

Herodes war ein schlimmer Finger,
dem jede Schandtat zuzutraun,
ein kollektiver Leidensbringer
mit Faible Köpfe abzuhaun.

Vor dem war nichts und niemand sicher
in seiner blinden Herrscherwut,
die umso fieser, liederlicher,
als sie auch traf die eigne Brut.

Nicht die geliebte nur, die schöne
Gespielin seiner Hochzeitsnacht,
nein, auch die Hälfte seiner Söhne
hat väterlich er umgebracht.

Von den Verwandten ganz zu schweigen,
denen Verrat er unterstellt,
dass er sie zwang, hinabzusteigen
ins Schattenreich der Unterwelt.

Mit Folter, Mord und Scheußlichkeiten
nach üblicher Tyrannenart
ließ er die Macht sich nicht entgleiten,
bis er krepiert und aufgebahrt.

Nicht ohne wem noch aufzutragen,
dass möglichst man viel Volk erschlägt,
dass Jammern herrsch und Weheklagen,
als wär es sein Tod, der’s bewegt.

Kein Wunder, dass man dem Halunken,
der so schon jedes Maß gesprengt,
von Grausamkeit und Machtgier trunken,
auch Kindesmord noch angehängt.

Wie anders die Gedankengänge
der heutigen Gelehrtenzunft –
die schiebt die Gräuel auf die Zwänge
der staatspolitischen Vernunft!

Mit einem Wort, am Ruder bleiben,
und sei’s mit Feuer und mit Schwert,
ist denen, die Geschichte schreiben,
mehr als Millionen Menschen wert.

„Charaktermäßig schwer zu fassen“
sind die Objekte ihrer Wahl;
wenn sie nur Spuren hinterlassen,
entschuldigt man sie allemal.

Den unbekannten Missetäter
man keineswegs „umstritten“ nennt,
man macht um ihn nicht viel Gezeter
und sieht ihn schlicht als Delinquent.

Für Massenmörder auf dem Throne
hat man indes Pardon parat,
zählt gern die Zacken ihrer Krone
und ihre Klunker in Karat.

Statt sich gehörig zu entsetzen
über ihr blutiges Regime,
scheint man sie eher noch zu schätzen,
kennt man sie gleichsam doch intim.

Kurzum, in einem Doku-Streifen,
der abends in der Kiste lief,
mit Szenen man, die nah zum Greifen,
dies Scheusal ins Gedächtnis rief.

Wohl eine Stunde Unterweisung
„Wie bricht man jemand das Genick“ –
mit der perfiden Seligpreisung
von Keule, Klinge, Gift und Strick.

Zum Schluss wie immer dann das Beste,
das Fazit nach bewährtem Brauch:
„Er ließ uns prächtige Paläste“.
Na, Donnerwetter aber auch!