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Schlüsselgewalt

Wird Zeit, die Zelte abzubrechen,
schon zog der Juli ja ins Land
und hielt grad heute sein Versprechen,
zu heizen bis zum Sonnenbrand.

Da muss man sich was bieten lassen –
so an die 34 Grad,
dass man die Barsche und die Brassen
beneidet um ihr Wellenbad.

Ob ich mal vor die Tür gegangen?
Bin ich denn blöde, oder was?
‘nen Stich hätt ich mir eingefangen,
ein Hemd zumindest, patschenass.

Das ist nicht meine Wetterlage,
ich leide eher wie ein Hund
und hechle meine Klimaklage
zu Hause aus dem Schattengrund.

Zum Glück hebt Mitte nächster Woche
mein Flieger Richtung Norden ab,
wo ich nicht in der Sonne koche
und jämmerlich nach Frische japp.

Die Meinung mag die Leute stören,
die absolut auf Hitze stehn
und, wenn sie „Strand“ und „Palmen“ hören,
die Augen gleich verzückt verdrehn.

Mag sein, dass fürn paar Urlaubstage
man wie im Paradies sich fühlt,
doch über länger wird’s zur Plage,
sofern man’s nicht herunterkühlt.

Ich lass mich gern mal draus vertreiben
vom sommerlichen Flammenschwert,
um mich als Kurgast einzuschreiben,
da wo es seltner niederfährt.

Im Gegensatz zu ‘n Urinsassen,
die ausgesperrt für alle Frist,
muss mich hinein doch wieder lassen
Sankt Peter, grimmig wie er ist.

Denn als ein pfiffiger Geselle,
ein Bruder Lustig gar, juchhei,
hat unsereins für alle Fälle
den Haustürschlüssel ja dabei!

Himmel auf Erden

Ein Dichter würd im Paradiese
gewiss nur den Beruf verfehln;
das Leben auf ‘ner Blumenwiese
ihm Herbst und Winter bloß verhehln.

Denn dass des Daseins ganze Fülle
poetisch er erfassen kann,
braucht Gold genauso er wie Gülle,
den Banker und den Bauersmann.

Im Garten Eden nicht zu haben.
Hier sind die Menschen alle gleich.
So unbedarft wie Sängerknaben
und weise wie ein Wüstenscheich.

Man trägt mit Fassung die Askese
in diesem göttlichen Revier:
Nur Manna ohne Mayonnaise,
nur Nektar und kein Dosenbier.

Genauso mit der Kleidermode –
nichts Buntes, nichts Apartes mehr.
Ein Schneider grämte sich zu Tode,
sofern das hier noch möglich wär.

Auch das melodische Vergnügen
ist eher von bescheidnem Rang;
den hier Verewigten genügen
Lobpreisungen mit Harfenklang.

Das sind so einige Aspekte
der vielgerühmten Seligkeit,
dass lieber ich noch lange schmeckte
die gut gewürzte Lebenszeit.

Nein, Psalmen sind nicht meine Sache,
in die man dort die Seele lullt,
dass sie auf keinen Fall erwache
aus göttlichem Personenkult.

Dann lieber auf der Erde hocken,
in ihrem müffelnden Morast,
um ständig Verse zu verbocken,
mit denen man den Sumpf erfasst.

Ich werd ihn zwar nicht trockenlegen
mit meiner seichten Schreiberei,
womöglich aber einst Kollegen,
die weit entschiedener dabei.

Vielleicht wird sogar wahr mal werden,
mit Samba und Sardinenspieß,
vor unsrer Nase hier auf Erden
ein kreuzfideles Paradies!

Der Sonne nach

Auf einen Wetterumschwung hoffen?
Auf etwas Sonne, lang entbehrt?
Ach, eher sind wir abgesoffen,
als dass uns mal ein Hoch beschert!

Dem Sommer war nicht anzumerken,
dass er des Jahres heiße Braut,
er prunkte mit virilen Werken,
die nur dem Herbst man zugetraut.

Der hat das Ruder übernommen
und diesen wind’gen Kurs behält,
auf dem bisweilen nur verschwommen
die Sonne aus den Wolken fällt.

Da galt’s, ‘ne Arche sich zu suchen,
um dieser Trübsal zu entfliehn,
und einen Touri-Trip zu buchen
mit besten Wettergarantien.

Ich habe Helios angerufen,
dass er als Fachmann sich erklärt –
der meint, dass ohne Schlittenkufen
man immer gut in Spanien fährt.

Denn er höchstselbst in diesen Landen
auch gern im Winter noch verweilt
und, da genug davon vorhanden,
die Wärme mit den Leuten teilt.

Mit diesem göttlichen Orakel
begab ich mich getrost auf Fahrt –
jetzt wussten wir, wo ein Debakel
mit Frost und Hagel uns erspart.

So kam man an die „Sonnenküste“
(bis Málaga ein Katzensprung),
wo ich zum Bleiben mich nun rüste
in ewig heitrer Witterung.

Drei Tage sind derweil verstrichen,
seit uns der Flieger ausgespuckt,
in denen es zu sommerlichen
Vergnügen uns sofort gejuckt.

Zunächst ein Essen um die Ecke
im anspruchslosen Strandlokal,
dass gleich ich auf der Zunge schmecke
die Landeskost zum ersten Mal.

Vorzüglich, hm!, die frischen Sachen,
die jüngst erst aus dem Meer gefischt
und für gefräß’ge Nordmann-Rachen
gleich haufenweise aufgetischt.

Da galt es, sich zu konzentrieren
ganz auf den zu beladnen Bauch
und kau’nd das Auge zu verlieren
fürn Seeblick mit Hibiskus-Strauch.

Am zweiten Tage ausgeflogen
nach Osten an der Küste lang,
wo uns ein Städtchen angezogen,
das hoch sich auf ‘nen Felsen schwang.

Gekrönt von Mauern und von Zinnen,
die noch ein Sultan einst gebaut,
von wo mit seinen Sultaninnen
im Sommer er aufs Meer geschaut.

Tag drei auf kurvenreicher Strecke
hinauf ins höhre Hinterland
bis zu dem malerischen Flecke,
der uns von früher schon bekannt.

Vom Parkplatz dann noch ein paar Schritte
‘ne Steigung hoch von zig Prozent,
schon warn wir in des Dorfes Mitte,
wo gegen man die Kirche rennt.

Doch statt nach pappigen Oblaten,
die frömmelnd man zerkauen muss,
stand uns als echten Satansbraten
der Sinn nach fleischlichem Genuss.

Wir mussten uns nur niederhocken,
wo man auf Tapas sich versteht.
Im Kirchturm nebenan die Glocken
ersetzten uns das Tischgebet.

Und nun? Die gute Fee verschwunden,
die liebevoll mich hergebracht,
dass in den tausend künft’gen Stunden
die Einsamkeit mir bange macht!

Na, na, mein Freund, nicht gleich verzagen,
geht doch erst los mit dem Pläsier –
ein blaues Band von Sonnentagen
schlingt heiter sich ums Leben hier.

Im Winde sich die Palmen wiegen
und endlos sich am Ufer reihn,
in deren Nestern Kinder kriegen
die selbst noch grünen Papagein.

Dem stillen Meer nicht anzumerken
die Energie, die’s aufgestaut,
wenn’s mit den höchsten Seepferdstärken
dem Firmament entgegenblaut.

Tavernen, gleichsam aufgefädelt
wie Perlen auf dem Rosenkranz,
dass seinen Gaumen man veredelt
mit Zunge und mit Hummerschwanz.

Die Götterkost und das Gefilde,
das Berg und Meer perfekt vereint,
bewirken, dass auf manchem Schilde
der Name „Paradies“ erscheint.

Wie diesem Urteil sich nicht beugen?
Was gibt es, das man mehr begehrt?
Allein schon täglich Sonne säugen
ist dieses Lobs vollkommen wert.

Dann in der vierten Nacht ein Rauschen,
das Regen mich erahnen ließ.
Sollt meinen Traum ich deshalb tauschen?
Auch Wasser braucht’s im Paradies.

Höhere Gerechtigkeit

Ganz makellos und ohne Macken
ist nicht einmal ein Paradies –
doch deshalb gleich die Koffer packen,
weil’s Stäubchen dir ins Auge blies?

Weil einem Himmel, frisch gestrichen
an jedem Morgen mit Azur,
die Farbe über Nacht gewichen
bis auf des Graus verwaschne Spur?

Weil eine Sonne, die mit Fäusten
sich kämpferisch zu geben pflegt,
vor ihren Fans sich, ihren treusten,
mal müde in die Büsche schlägt?

Weil dieses Meer, das meistens heiter
und blau vom Firmament gebräunt,
sich höher manchmal bäumt und weiter,
mit Giftgrün schwere Stürme dräu’nd?

Weil Palmen, die am Ufer schreiten
mit majestätisch gradem Wuchs,
bisweiln in Böen wellenreiten,
die sie verbiegen irren Flugs?

Nicht mal der Engel, gottgesegnet
und wohlgegürtet mit ‘nem Schwert,
hat hindern können, dass es regnet
und Feuchte aus den Wolken fährt.

Doch ist dabei nicht allen Wesen,
ob paradiesisch oder nicht,
allein schon aus der Hand zu lesen,
dass Dürre jede Scholle bricht?

Die Folgen gar nicht auszudenken
für unsre durst’ge Pflanzenwelt,
würd permanent uns Sonne schenken
ein Himmel, der selbst trocken fällt.

Ich will das hier nicht weiterspinnen –
am besten hört euch Bauern an:
„Kein Blumentopf nicht zu gewinnen,
wenn man sein Feld nicht wässern kann.“

Da kennt des Reisenden Int’ressen
der biedre Landmann aber schlecht!
Das kluge Paradies indessen
macht unterm Strich es beiden recht.

 

Abnutzungserscheinungen

abnutzungWie ist mir alles das vertraut,
als lebte ich hier seit Äonen!
Dies ganze Fleckchen, zugebaut
mit Plunder, um darin zu wohnen.

Seit ewig glotz ich auf die Wand,
will ich die flücht’gen Stunden zählen
auf dieser Uhr mit rotem Rand,
die darauf brennt, mir Zeit zu stehlen.

Und auf dem Trumm von einem Schrank,
gekauft, dass er der Kühlung diene,
steht sicher wie Britanniens Bank
seit Jahrn die Kaffee-Tee-Maschine.

Der Vorhang war mal dernier cri
aus feinstem finnländischen Leinen,
indes sein Muster: Federvieh,
heut stelzt auf fadenschein’gen Beinen.

Nicht anders das Gewürzregal,
gedübelt an die Kachelseite –
ein Schmuckstück anno dazumal,
als Hugo seine Frieda freite.

Der Roten Klara Einzug auch
muss wohl noch vor der Sintflut liegen-
es ist ja längst die Lasche Brauch,
um so ’ne Büchse aufzukriegen.

Das Radio selbst, modern und schmuck,
ja, futuristisch anzuschauen
in seinem kühlen Klinker-Look,
erfüllt mich schon mit Urvertrauen.

Und diese Stühle-Troika,
die wechselweise ich besetze,
sie ist seit Olims Zeiten da,
dass ich mir drauf den Hintern wetze.

Nicht zu vergessen ihn, den Herd,
der hier vom ersten Tag vorhanden
und wohl mit dem Dreiflammenschwert
im Paradiese schon gestanden.

Die Heizung zischt ihr ödes Lied,
ich glaub, seit Anbeginn der Welten,
dass mir schon ein Monteur beschied,
sie müsse als ein Wunder gelten.

Der Boden, dicht an dicht besät
mit kleinen steinernen Quadraten,
durch manchen Knick und Riss verrät,
dass aus den Fugen er geraten.

Und dass du morsch, mein Mobiliar,
das könnt ich noch mit Fassung tragen,
doch nicht, dass ich genauso war,
so frisch in deinen Jugendtagen!

Aus allen Küchenwinkeln quillt
Vertrautes mir, vermischt mit Grausen –
es scheint mein eignes Spiegelbild
in jedem Gegenstand zu hausen.

Die Klitsche hier mal aufpoliern,
weg mit dem ganzen Plünnenhaufen?
Nicht schwer, sie anders zu möbliern –
doch wo kann Zeit man neu sich kaufen?

Schlussbild

SchlussbildDen ganzen Tag hat es gegossen,
als ob es nie mehr enden wollt;
so wie aus Kübeln ist’s geflossen,
in Wellen übern Rand gerollt.

Die Güsse schlugen auf das Pflaster,
Fontänen spritzend übern Stein,
und fielen doch nicht durch das Raster
der Fugen in die Erde rein.

‘ne Handbreit Wasser hatte immer
man unter seinem Lederkiel –
und über Stunden keinen Schimmer,
wann dieser Pegel endlich fiel.

Wer dächte da an Sommerfrische,
ein Sonnenbad mit Meeresblick?
Vereinsamt die Tavernen-Tische,
die Pfützen darauf fingerdick.

Und dann der Blitz aus heitrem Himmel:
Die Wolkendecke jäh zerriss
und aus dem wüsten Dunstgewimmel
sich der Azur ins Freie biss.

Ein schmaler, schmächtiger Geselle,
der sich indes nicht lang besann
und Breite sich erwarb und Helle,
bis er den ganzen Raum gewann.

Da traute sich der Schreiber dieses
(ich lass mal den Beamten raus)
aus seiner Tiefe des Verlieses
doch noch ins Licht der Welt hinaus.

Das war in dem Fall ‘ne Terrasse,
vom Regen noch ganz blank und rein –
in meine offne Kaffeetasse
ergoss sich nun der Sonnenschein.

Und auch der grad noch ausgeschlossen,
der Blick auf eine blaue See,
ich hab besonders ihn genossen,
weil ich auf Unverhofftes steh.

Vor allem aber, weil er heute
zum letzten Mal für lange Zeit
mich mit dem schönen Flair erfreute
der Anmut und der Heiterkeit.

Vertreibung aus dem Paradiese
für morgen Abend fest gebucht:
Ein Kerl, der auf der Wolkenwiese
das Weite Richtung Norden sucht.

Kleine Wunschliste

Kleine WunschlisteChristlich muss die Welt nicht werden,
Jesu Geist, der tät ihr gut:
Friede herrschte stets auf Erden,
nicht der Schlächter Übermut.

Reichtum sollte nicht mehr sitzen
auf der Wünsche höchstem Thron.
Ideale zu erschwitzen
wär des Lebens größrer Lohn.

Es dürft nicht zu diesen zählen
Glanz, den Macht und Ruhm verleiht;
der nur, den wir uns erwählen
im Gewand der Menschlichkeit.

Deshalb auch in Eintracht leben
mit der Kugel, die uns nährt;
über kein Geschöpf uns heben,
das im gleichen Boote fährt.

Ob auch tausend Lehren gaukeln
uns des Paradieses Ruh:
Nur das Schiff, auf dem wir schaukeln,
wird, wenn wir es wolln, dazu.