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Emily

Was braucht es eines Virus Wüten,
dass seines Heims man sich erfreu?
Man kann auch seine Stube hüten
aus angeborner Menschenscheu.

Doch von der Welt nicht abgeschlossen,
die blühend draußen sich erstreckt,
nicht wie in Bernstein eingegossen
in Totenstarre ein Insekt.

Kann man nicht lebhaft Anteil nehmen
an allem, was in ihr geschieht,
indem, die Augen zu beschämen,
man lieber mit dem Herzen sieht?

Wird nicht der Halm, der durch die Spalten
des Pflasters an die Sonne drängt,
die Würde solcherart behalten
als Wesen, das am Leben hängt?

Die Amsel, die an frost’gen Tagen
sich nur von Fastenspeise nährt,
wird sonst sie wer noch danach fragen,
ob ihr Gesang einst wiederkehrt?

Jetzt heißt’s indes das Wort erteilen,
ihr, die der Scholle nicht entkam
und ihre ungekrönten Zeilen
ins Grab, ins frühe, mit sich nahm!

Sie sind nicht lange stumm geblieben,
in gute Erde eingesät;
der Frühling hat sie ausgetrieben,
der Wind sie übers Land geweht!

To make a prairie it takes a clover and one bee,
One clover, and a bee,
And revery.
The revery alone will do,
If bees are few.

Stadtnatur

StadtnaturHier schlagen keine Nachtigallen,
hier ruht kein Reh im grünen Tann –
hier ist das Reich der Radarfallen,
der Polizist ein Jägersmann.

Kein Mond, der aus dem Meer der Wipfel
sein Strahlenhaupt zum Himmel reckt –
kaum sichtbar hinterm Häuserzipfel,
die nächste Wand ihn schon verdeckt.

Auf weichem Moos willst du dich betten,
die Füße wo im Blaubeerlaub,
und ringsherum die Lagerstätten
von Pilzen, die zurzeit noch taub?

Ein frommer Wunsch auf diesen Fluren,
die wenig mit Natur gemein
und tief versiegelt mit den Spuren
von Asphalt, Dreck und Ziegelstein.

‘nen Trupp von jugendlichen Bäumen,
der Schule eben erst entflohn,
sieht spärlich man die Straße säumen
als eines Waldes Illusion.

Daraus auf wundersame Weise
das Lied der Amsel noch erklingt
und dieses Tages triste Reise
zu einem blüh’nden Ende bringt.

‘ne Fliege summt mir hin und wieder
hier mitten in der Küche drin –
zwar nicht mit Fell und mit Gefieder,
doch schön natürlich immerhin!

Spaziergang am Spital

Spaziergang am SpitalNur in der Bude Trübsal blasen?
Ein kleiner Rundgang ums Spital!
Putzmunter mümmelten da Hasen
(Kaninchen! Aber reim das mal!).

Der Weg lag wunderbar im Schatten,
die Linden dichtbelaubt: August!
Die hohen Stämme zu begatten,
umhalste Efeu sie voll Lust.

Passanten kamen mir entgegen,
Patienten auch, noch leicht lädiert,
mit Schritten, schlurfenden und trägen,
und mit Bandagen ausstaffiert.

Oft saßen diese auch auf Bänken,
die längs des Hospitals gereiht,
um einer Krankheit zu gedenken,
die schon vom Bettenzwang befreit.

Und immer wieder mir zu Füßen
‘ne Amsel flink im Trippelschritt,
ganz dicht und ohne Angst zu büßen
ihr Zutraun mit ‘nem Hackentritt.

Ich glaub, dass kaum ein Weg sich findet,
der friedlicher und stiller wär,
obwohl zwei Adern er verbindet,
gewichtig für den Stadtverkehr.

(Das alte Bild von der Oase
inmitten einer Wüste X
schafft optisch immer noch Emphase,
und ich bedien mich dieses Tricks!)

Ein kurzes Glück, doch tief genossen.
Nach Hause mit gelöstem Gang,
die Wohnungstüre aufgeschlossen,
die quietschend in den Angeln schwang.

Was störn mich die profanen Wände,
die Bleibe hier im Mietgeschoss?
‘n Katzensprung nur zum Gelände,
dem heil’gen des „Asklepios“!

Poesie wird kleingeschrieben

Poesie wird kleingeschriebendie dämmerung in zähem ringen
mit einem tag der schwächer wird
der möwe schreie die verklingen
die fledermaus die lautlos schwirrt

in schattenrouge getaucht die mauern
für ihre hochzeit mit der nacht
die ersten blassen sterne kauern
grad aus dem wolkenbett erwacht

gedämpfter schleichen sich die töne
in meines küchenstudios ohr
kein krach mehr heute kein gedröhne
die ambulanz mal außen vor

in den fassaden angegangen
schon hier und da das stubenlicht
ein glühen auf den häuserwangen
das eckig aus dem dunkel sticht

der mond rollt ruhig auf dem pflaster
das locker seine bahn bestimmt
kein pkw sonst da kein laster
rein nichts was ihm die vorfahrt nimmt

und auch die loreley da drüben
die fensterfrau im dritten stock
scheint weiter sich darin zu üben
dass sie die blicke auf sich lockt

o rad das niemals anzuhalten
die speichen schaufeln finsternis
bis morgens sie dann kurz erkalten
weil sie verschnaufen müssen bis

die dämmerung in zähem ringen
mit einem tag der ihr erliegt
verstummt der amsel vespersingen
gespenstisch wie die eule fliegt

nun rühren sich millionen wesen
die klug das licht des tages scheun
im schutz der dunkelheit zu lesen
im lebensbuche für nach neun

und morgen übermorgen wieder
wer weiß in tausend jahren noch
macht dann wohl solche küchenlieder
gekonnter gar ein sternekoch

 

Frühlings Erwachen

Frühlings ErwachenWird das ein fröhliches Erwachen!
Wo man doch Februar schon schreibt!
Den Dachs stell ich mir vor: Zum Lachen,
wie er sich träg die Augen reibt!

Aus ihrem Schlummer aufzufliegen,
sich auch die Biene schon bemüht.
Man wird sie bald zu hören kriegen –
noch brummig, weil so wenig blüht.

Und auch im Walde hämmert wieder
sich einer dann da was zurecht –
wie immer hölzern seine Lieder,
ein bunter Vogel, dieser Specht!

Na, und die andern Sommergäste,
die trudeln auch bald wieder ein.
Man sehnt sich nach dem alten Neste;
es muss nicht immer Spanien sein.

Gern kommt der Kiebitz mal nach Hause,
was gleichfalls von der Lerche gilt;
so ist auch nach der Winterpause
der Star aufs Eheleben wild.

Ja, auch die noch in dunkler Erde
die halb erstarrten Glieder rührt,
die kunterbunte Blumenherde
wird bald ins grüne Gras geführt.

Schneeglöckchen oder Märzenbecher,
so ruft man sie wohl bei Bedarf –
ganz wichtig für die fleiß’gen Zecher,
die nur auf ihre Säfte scharf.

Ach, was für Fantasiegebilde
für einen, der im Ghetto lebt,
wo die Beton- und Asphaltgilde
stets kalt den ersten Stein erhebt!

Kann man was Schöneres sich denken
als eines Frühlings Morgenrot?
Da muss ich leider mich beschränken –
drei Bäumchen wachsen hier mit Not.

Doch immerhin in dieser Öde
der Amsel trautes Lied erschallt –
Migrantin sie, vertrieben schnöde
aus ihrem angestammten Wald!

Wie seltsam doch, bei Licht besehen,
dass in den Lenz ich mich verbohr:
Schlimm muss um die Natur es stehen,
zieht ihr Zement ein Vogel vor!

Vom Vogelsang

Vom VogelsangDer Morgen stumm. Kein Tirilieren
versüßt das Ende dir der Nacht.
Noch weilt in seinen Notquartieren,
was sonst hier die Musik gemacht.

Denn die gefiederten Touristen,
die’s ewig schon nach Süden zieht,
sie zögern noch, sich einzunisten
erneut in ihrem Brutgebiet.

So müssen wir uns denn begnügen
(den Freund des Vogelsanges graut’s)
mit denen, die sich diesen Zügen
verweigern: Eule oder Kauz.

Dern dumpfes Hu durchhallt die Wälder
gespenstisch in der Dunkelheit,
melodisch wie ein Feuermelder,
der manisch seine Warnung schreit.

Dafür in kürzeren Kadenzen
die Krähe unsre Stille trübt –
gewiss tat sie die Schule schwänzen,
als den Belcanto man geübt.

Man sieht sie stromern auf den Äckern
und in den Städten hier und da.
Oft hat die Gute was zu meckern,
dann zwitschert sie im Bass: krakra.

Mann, einen hätt ich fast vergessen,
der auch die weite Reise scheut –
ein Hänfling, an Statur gemessen,
der unser Ohr doch hoch erfreut!

In Schnee und Eis lässt ja erklingen
der Zaunkönig sein süßes Lied,
so warm, um bald zum Blühn zu bringen,
was jetzt den frost’gen Tag noch flieht.

Wie einsam singt er und verlassen –
doch mit Gewissheit nicht mehr lang:
Die Amsel wird ein Herz sich fassen,
zurückzuschlagen mit Gesang!

Rosa Wölkchen

Rosa WölkchenRosa, rosa Wölkchen wiegen
schwebend sich im blassen Blau,
Schwebebahnen, Schwebefliegen,
schwebend Schwere zu besiegen,
Lämmer auf der Himmelsau.

Einsam flötet noch ein Sänger
lockend wo aus dem Geäst,
Müßiggänger, Rattenfänger,
dass er eine Amsel schwänger
hoch in seinem Vogelnest.

Längst sah unsern Stern man gleiten
wendig hintern Horizont,
Meeresweiten, Wellenreiten,
wo er schon in andern Breiten
eine Frühe frisch besonnt.

Dunkler schon die Hausfassaden,
wie anämisch lichtentleert,
Wasserschaden, Nebelschwaden,
Schatten werden abgeladen
auf die Wand, die sich nicht wehrt.

Alles aber Ouvertüre
zu der Nacht gewalt’gem Part,
Liebesschwüre, Seidenschnüre,
dass sie sacht uns dahin führe,
wo das Dunkle unser harrt.