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Gewohnter Rundgang

Üblicher RundgangDreh meine Runde ich, die stete,
dann hab ich ‘nen bestimmten Weg.
Vom Haus ich auf den Steindamm trete,
den ich zu überqueren pfleg.

Ich nehm die nächste Straßenecke
und biege ein zum Hansaplatz,
geh drüber weg die ganze Strecke
und erst mal keine Kurve kratz.

Stur gradeaus zur Langen Reihe,
passier Fassaden, die noch jung
und denen kaum ein Aug ich leihe,
weil künstlerisch sie ohne Schwung.

Die armen Leute, die da wohnen,
vor ihrer Tür ‘ne Müllabfuhr:
Container, die ihr Ohr nicht schonen –
mit Flaschenwurf bis 19 Uhr!

Darauf die Richtung wieder ändern:
Greifswalder Straße, scharf rechtsum.
Kaum Grün an ihren Fahrradständern,
doch selten auch Motorngebrumm.

Und wo die Pflastersteine münden:
des Bischofs doppeltürm’ges Haus,
der Dom, weit sichtbar zu verkünden,
das hohe Lied des Ziegelbaus.

Ich lass es mit ‘nem Blick bewenden
für diese kirchliche Bastion,
um meine Füße auszusenden
nach links, wie sie’s gewohnt hier schon.

Dann rechts die Lange Reihe runter
an Läden und Lokaln entlang,
wo ausgesprochen bunt und munter
das Leben fährt im fünften Gang.

Gemütlich Leute draußen hocken
und plaudern, trinken, schaun umher,
da sich die Autos vorwärtsstocken
im rollend ruhenden Verkehr.

Ich schlängle auf dem Bürgersteige
geschickt mich durch die Menschenflut,
den Rumpf mal so, mal so ich neige,
wie man’s beim Turnen eben tut.

Doch nun beginnt die Ruhephase
im Saumpfad vor dem Hospital –
‘ner lärmentrückten Grünoase,
die man der City-Wüste stahl.

Schnell wechselt, ach, auch diese Szene.
Schon, eine Elbe aus Asphalt,
seh ich des Steindamms platte Mähne,
die glasig in der Hitze wallt.

Und hier ich jäh mit raschen Schritten
die letzten Meter heimwärts eil.
Jetzt nur noch Treppe rauf zum Dritten –
dies ist der Reise schwerster Teil!

Spaziergang am Spital

Spaziergang am SpitalNur in der Bude Trübsal blasen?
Ein kleiner Rundgang ums Spital!
Putzmunter mümmelten da Hasen
(Kaninchen! Aber reim das mal!).

Der Weg lag wunderbar im Schatten,
die Linden dichtbelaubt: August!
Die hohen Stämme zu begatten,
umhalste Efeu sie voll Lust.

Passanten kamen mir entgegen,
Patienten auch, noch leicht lädiert,
mit Schritten, schlurfenden und trägen,
und mit Bandagen ausstaffiert.

Oft saßen diese auch auf Bänken,
die längs des Hospitals gereiht,
um einer Krankheit zu gedenken,
die schon vom Bettenzwang befreit.

Und immer wieder mir zu Füßen
‘ne Amsel flink im Trippelschritt,
ganz dicht und ohne Angst zu büßen
ihr Zutraun mit ‘nem Hackentritt.

Ich glaub, dass kaum ein Weg sich findet,
der friedlicher und stiller wär,
obwohl zwei Adern er verbindet,
gewichtig für den Stadtverkehr.

(Das alte Bild von der Oase
inmitten einer Wüste X
schafft optisch immer noch Emphase,
und ich bedien mich dieses Tricks!)

Ein kurzes Glück, doch tief genossen.
Nach Hause mit gelöstem Gang,
die Wohnungstüre aufgeschlossen,
die quietschend in den Angeln schwang.

Was störn mich die profanen Wände,
die Bleibe hier im Mietgeschoss?
‘n Katzensprung nur zum Gelände,
dem heil’gen des „Asklepios“!

Noch ‘n Leser

Noch 'n LeserMoin, moin. Ich freu mich zu begrüßen
Sie als ‘ne neue Leserin.
Zwar leider nicht mit einem Süßen,
so doch von Herzen immerhin.

Hat Ihnen jemand mich empfohlen?
Hat mich der Zufall ausgewählt?
Ach, letztlich bleibt es mir gestohlen –
Sie sind ja da, allein das zählt.

Und dass Sie auch in etwa wissen,
was Ihnen alles mit mir blüht,
sei meine Kunst hier kurz umrissen
als Blick gleichsam in mein Gemüt.

Seit Jahren hock ich in der Küche
so wie ein Hund am Grab des Herrn
und klopfe treulich meine Sprüche,
beäugt von Mond und Abendstern.

Und die mir aus der Feder fließen,
sie folgen keinem festen Plan.
Ich lass die Zügel einfach schießen,
der Fantasie geb freie Bahn.

Dabei spielt sicherlich ‘ne Rolle,
dass hier die Szene immer gleich
und ich wie’n Bauer auf der Scholle
stets um denselben Acker schleich.

Um mich herum der Schweinekoben,
der mich mit Speis und Trank versieht,
und vor der Tür der Himmel droben,
der luftig auf den Dächern kniet.

Das Universum der Gedanken
um diese beiden Dinge kreist,
mit aller Freiheit, allen Schranken
des Wurms, der in den Schwanz sich beißt.

Doch innerhalb der kleinen Spanne,
die sich in diesem Bild verrät,
verzapf ich Verse volle Kanne
in möglichst großer Varietät.

Und zwar mit eher kurzen Zeilen,
was mich vor Schwafelei bewahrt,
das heißt davor, mich aufzugeilen
an Adjektiven aller Art.

Dabei will ich vom Reim nicht lassen –
für mich der Lyrik Inbegriff,
so wie die Kanten, die ihn fassen,
des Diamanten letzter Schliff.

Und wenn ich’s auch nicht übertreibe,
geb oft ich meinen Unmut kund,
denn dieses Blatt, das ich beschreibe,
ich nehm’s weiß Gott nicht vor den Mund.

So weit ein paar von den Maximen,
die grad mir durch den Schädel schwirrn.
Sie mögen nur als Anhalt dienen,
ich will Sie schließlich nicht verwirrn.

Vor allem möcht ich auch vermeiden
ein Übermaß an Theorie.
Sie solln ja das Ergebnis leiden
und nicht das ganze Was und Wie.

Sie sehn, wie sehr mir dran gelegen,
dass ich Sie fester an mich bind.
Man muss ja seine Leser pflegen,
grad wenn es nur ein Dutzend sind.

Ich finde also Ihr Interesse?
Besuchen Sie mich im Büro!
Nein, besser bei der Hausadresse –
St. Georg. Steindamm sowieso.

 

Hausnachbarn

HausnachbarnIm dritten Stock, da steckt die Bude,
die ich seit Olims Zeit bewohn.
St. Georg und nicht Winterhude,
was das bedeutet, wisst ihr schon.

Ein Mietshaus. Und ‘ne Menge Leute,
die es wie mich hierher verschlug.
Ich weiß nicht, ob es wer bereute –
es fluktuiert indes genug.

Doch einige sind auch geblieben
am Standort zwischen Bahn und Strich,
dass, auch wenn’s nicht aufs Schild geschrieben,
ich sie doch kenne namentlich.

Ja, von dem einen oder andern,
da weiß ich sogar, was er treibt.
Was man beim Treppenhausdurchwandern
sich halt so untern Zinken reibt!

Mein Nachbar grade gegenüber
ist Archivar und diplomiert,
und, werden auch die Zeiten trüber,
nicht bang, dass er den Job verliert.

Und über mir in der Etage,
die’m Pantheon am nächsten liegt,
ein Mime, der auch seine Gage
schon mal für Fernsehrollen kriegt.

Daneben Typen, die studieren
was weiß ich welche Fakultät
und mit dem Fahrrad rumkutschieren,
das andernfalls vorm Keller steht.

Von mir wird sicherlich man wissen,
dass ich vom Staat mein Geld gekriegt,
mein Haupt jedoch im weichen Kissen
des Ruhestands inzwischen liegt.

Nichts davon, dass den Pferdefimmel
ich weiter beibehalten hab
und jetzt nicht mehr des Amtes Schimmel,
doch bring das Musenross auf Trab!

Warum es wem auch offenbaren,
mit dem ich hause Wand an Wand?
Gilt der Prophet seit tausend Jahren
doch nicht mal was im eignen Land!