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Dichterliebe

Muss ich erst lange überlegen?
Ein Thema ist im Nu zur Hand;
es kommt mir quasi schon entgegen,
wie von den Musen hergesandt.

Darum muss mir der Kamm nicht schwellen,
als wäre ich grad auserwählt –
brauch nur die Lauscher aufzustellen
und horchen, was die Welt erzählt.

Die schwatzt bekanntlich ohne Ende
und bringt so vieles aufs Tapet,
dass ich genügend Stoff noch fände,
nähm ein Trappist sie ins Gebet.

Was aber wärn die schönsten Themen,
stieß sauer mir das Dichten auf,
dass alle Naslang Zweifel kämen,
ob ich ihm lieber nicht entlauf?

Als könnte je genug ich kriegen!
Ich bin ja in die Kunst verknallt
und renn, ihr an den Hals zu fliegen,
sobald die Abendglocke schallt.

‘ne alte Liebe mittlerweile,
die täglich aber Feuer fängt,
als wäre sie von Amors Pfeile
mir unauslöschlich eingesenkt.

Ich kann die Schöne nicht entbehren,
in deren Arm die Zeit verrinnt,
als würd sie nur Momente währen,
wenn es auch immer Stunden sind.

Natürlich hat man, zugegeben,
wohl auch mal einen schlechten Tag,
wie es in jedem Liebesleben
bisweilen sich ereignen mag.

Dann schließen sich die beiden Seelen
verstimmt in ihren Panzer ein,
indes die rechten Worte fehlen,
sie zügig daraus zu befrein.

Ein Zustand aber ohne Dauer.
Gewiss am nächsten Abend schon
verliert sich diese Schweigemauer.
Gedicht und Küsschen: Finderlohn.

Kontaktarm

Er ist zwar nicht sehr angesehen,
weil seine Kunst zurzeit nichts gilt,
und kann doch jetzt ‘ne Nase drehen
dem lyralosen Ebenbild.

Noch zieht das Virus seine Kreise
und kehrt bei jedem Wirte ein,
der gastlich auf die alte Weise
ihm Speise offeriert und Wein.

Da drängen sich auf langen Bänken,
an Eichentischen, dick und fest,
die ihrem Bauch Beachtung schenken,
der alles sie vergessen lässt.

„Und wenn die sich vor mir nicht hüten“,
so denkt das Virus messerscharf,
„dann will ich doch bei ihnen brüten
und holen, wessen ich bedarf“.

Nun aber wieder zum Poeten.
Er hält die Menge sich vom Leib
und so auch Gäste, ungebeten,
zum infektiösen Zeitvertreib.

Geselligkeit wird klein geschrieben,
das liegt in seinem Naturell,
und Sport im Kämmerchen getrieben:
Gymnastik auf dem Bärenfell.

Orgiastische Familienfeiern
hat er als Jüngling schon gehasst,
besonders wenn dann alle reihern,
dass es in keinen Kübel passt.

Und selbst ‘ne flüchtige Visite
in einem quirligen Lokal
scheut dieser schüchterne Quirite
wie’n Bleichgesicht den Marterpfahl.

Kontakte eher auch bescheiden
mit seiner Nachbarschaft im Haus –
nicht weil die Leute sich da schneiden,
doch keiner geht aus sich heraus.

Nur auf den schmalen Trampelpfaden,
die von der Wurst zum Käse führn,
kann er in seinem Schlemmerladen
die Nähe der Begegnung spürn.

Rein optisch. Denn der kluge Kunde
macht selbst beim Abstandhalten mit,
hält inne kurz auf seiner Runde
und höflich aus dem Wege tritt.

Nicht mal in lauen Sommernächten
sucht er belebte Plätze auf,
dass er im Dunstkreis der Bezechten
ein bisschen Kühle sich erkauf.

So’n eingefleischter Stubenhocker,
dem nie an Partys etwas lag,
der bringt’s auch heute leicht und locker
auf null Kontakte so am Tag.

Am Abend in der Verseschmiede
lässt er sich ohnehin nicht störn –
feilt konzentriert an seinem Liede
und würd nicht mal ein Klopfen hörn.

‘ne Laus dem in den Pelz zu setzen,
das scheint nach alledem wohl schwer.
Mag seine Kunst man auch nicht schätzen,
die Distanziertheit umso mehr!

Soll erfüllt

Muss sich ein Dichter Sorgen machen,
dass plötzlich Leere ihn befällt,
und Verse, willens zu erwachen,
erblicken nie das Licht der Welt?

Vielleicht dass gar ‘ne Schaffenskrise
entfremdet ihn dem Pegasus
und dieser dann in der Remise
auf neue Flüge hoffen muss?

Ganz zweifellos für den Poeten,
der sich berauscht an Wort und Klang,
ein Schlag, der völlig ungebeten
käm seinem höhren Tatendrang.

Und wenn in seinen besten Zeiten
das Blatt sich unter Strophen biegt,
mag’s ihm doch heimlich Angst bereiten,
dass jäh der Musenquell versiegt.

Für mich indes die alte Leier,
die immer wieder mich verstimmt:
dass man die ungelegten Eier
viel wicht’ger als die echten nimmt.

Ich harr der Dinge, die da kommen,
von finsteren Gedanken frei,
und lass sie gern den Zukunftsfrommen,
die fürchtend fürchten sie herbei.

Muss ich den Stift beiseitelegen,
weil er nichts mehr zu sagen hat:
Kein Grund, mich deshalb aufzuregen –
spricht er nicht schon aus tausend Blatt?

Leichtes Los

Leichtes LosAls Glück kann ich es nur empfinden,
dass weder Neigung noch Talent
an Marmor und Granit mich binden
als meiner Künste Element.

Gewalt’ge Räume wärn vonnöten,
um meine Steine zu behaun,
die Licht und Luft in Fülle böten
und Platz, sie prüfend anzuschaun.

Das wär vielleicht noch hinzukriegen,
‘ne Werkstatt im XL-Format,
dass man im Sitzen, Stehen, Liegen
sich hämmernd seinem Ziele naht.

Doch was, wenn unsre Künstlerseele,
wie die des Vogels leicht und frei,
dass sie sich aus dem Käfig stehle,
auf große Fahrt versessen sei?

Sie kann den Block auf keine Weise
als Koffer oder Handgepäck
auf irgend’ne Vergnügungsreise
bugsieren durch den Schwere-Check.

Vom Heimatatelier geschieden,
fehlt es an Stoff dem Kunstgenie.
Hammer und Meißel ruhn in Frieden
als potenzielle Energie.

Der Dichter hat nur leicht zu tragen
an etwas Pinsel und Papier,
kann überall sein Zelt aufschlagen,
dass Verse hübsch er modellier.

Aufwand I

Aufwand IWenn wir’s mal objektiv betrachten,
macht doch so’n Dichter wenig Dreck.
Papier und Feder nie entfachten
der Putzfrau übermäß’gen Schreck.

Was sollte da auch groß passieren?
Zwei Tintenflecke, schmal und blau,
die auf dem Tischtuch sich verlieren
wie’n Minicar im Megastau.

Da kleckst in andren Dimensionen
der Maler, wenn ich’s richtig seh,
um seine Tuben nicht zu schonen
so wenig wie sein Atelier.

Betupft mit Spritzern aller Farben
ist jeder Winkel, jeder Spalt,
allein, zu dritt, in ganzen Garben
versprengter Iris Aufenthalt.

Er muss ‘nen großen Aufwand treiben
an Kleidung, Raum und Material –
der Dichter kann nach Laune schreiben,
im Smoking und im Wartesaal.

Ja, könnt sich wo ins Freie hocken,
hat seinen Kuli er dabei –
dem Maler gält es aufzubocken
erst mühevoll die Staffelei.

Auf einem Zettel unterbringen
kann selbst das Universum glatt,
wer für sein Sagen und sein Singen
nur seine Birne nötig hat!

Charaktere

CharaktereDas rechnet’ an ich mir zur Ehre,
der Dichterkrönung würdig fast:
im Vers zu zeichnen Charaktere
so wie in Prosa Theophrast.

Der Weise: Stets bereit zu raten,
weil er schon alles durchgedacht
und schnuppert glücklich jeden Braten,
bevor er auf den Herd gebracht.

Der Aktivist: Stets auf den Beinen,
dass er die Welt am Laufen hält,
die doch im Großen wie im Kleinen
trotz seiner nicht zusammenfällt.

Der Geiz’ge: Der mit hartem Herzen
auf dem gespickten Säckel thront,
sich jenen Reichtum zu verscherzen,
mit dem nur Dankbarkeit belohnt.

Der Neider: Dass er alles hätte,
woran der Nachbar sich erfreut,
der ja vom silbernen Tablette
tagtäglich Manna wiederkäut.

Der Eitle: Will Bewund’rung haschen,
weil er sich unvergleichlich weiß,
und gibt mit goldenen Gamaschen
sich billig nur dem Spotte preis.

Der Starke: Lässt die Muskeln spielen
und legt sich mit dem Teufel an,
um eine Wirkung zu erzielen,
die sanft er leichter haben kann.

Der Prahler: Führt nur auf der Zunge,
was selbst mit Lorbeer ihn belaubt,
und strapaziert die Pferdelunge
mit Sprüchen, die ihm keiner glaubt.

Der Intrigant: Beim Ränkeschmieden
von äußerst biegsamem Gemüt,
doch lässt das Wasser häufig sieden,
bis er sich selber dran verbrüht.

Der Schwätzer: Wälzt und wälzt die Worte
und wiegt sie auf der Zunge nicht.
Aus seiner Gurgel offner Pforte:
Ein Redeschwall, der Bände spricht.

Der Fromme: Gottes Lohn im Auge,
wie er nur dem Bekenner winkt,
seift er sich mit der Tugendlauge,
die säuerlich zum Himmel stinkt.

Der Eifersücht’ge: Der beflissen
beäugt des Weibes Ehrbarkeit,
indes sein männliches Gewissen
ihn selbst von Treue treu befreit.

Der Stolze: Lässt Verachtung spüren
den, der das Wasser ihm nicht reicht
und der doch auch bezahlt Gebühren
und einst wie er im Grabe bleicht.

Was? Auch vom Dichter wollt ihr hören?
Gewiss, das ist ein Fall für sich.
Doch Mitternacht! Ich könnte schwören,
ihr schlaft jetzt erst mal – so wie ich.

Kurze Ansprache

Kurze AnspracheIhr Leser, die ihr nicht Kohorten,
geschweige denn Legionen seid,
habt Dank, dass meinen spröden Worten
zu lauschen wieder ihr bereit.

Ich will, euch dafür zu belohnen,
ins Zeug mich legen wie nur was,
von dorther, wo die Musen wohnen,
euch Verse holen, vom Parnass.

Ein Supermarkt der größten Fülle
fürs ganze Dichtungszubehör –
vom Heldenlied bis zur Idylle
bedient sich hier der Connaisseur.

Ich, zugegeben, ich erwerbe
nur immer Kleinkram auf der Höh:
Gedichte, zwar geschätztes Erbe,
doch wen’ger als die Epopöe.

Indes soll sich der Meister zeigen
im Kleinen auch, weiß Volkes Mund.
Wie würd ich dem mein Ohr nicht neigen?
Die Wahrheit tut auch Lyrik kund.

Wie viele Namen könnt ich nennen,
die dies bezeugen grandios,
durch die Jahrtausende euch rennen,
begeistert brüllend stets: Famos!

John Donne seht auf dem Rosse reiten,
den blinden Milton hinten drauf
und den, dem manche es bestreiten,
geboren an des Avon Lauf.

Seht Dante, Bashō, Baudelaire,
Corinna seht und Kanik, Keats,
zu jeder Zeit in jeder Sphäre
hat sie geblüht, die Kunst des Lieds.

(Um einen Großen deutscher Zunge
als Beispiel noch heranzuziehn:
In dieser sang mit schönstem Schwunge
und heil’gem Eifer Hölderlin.)

An diesen, Himmel!, mich zu messen,
wär Hybris, wie der Grieche sagt:
Sie haben statt Talent besessen
Genie, das dies noch überragt.

Doch selbst wenn mit beschränkten Mitteln
im „Musenmarkt“ man Kunde ist –
die Kasse wird es nicht bekritteln,
denn Kleinvieh, weiß sie, macht auch Mist.

Soweit mein Trost. In jedem Falle
das Beste gut genug mir sei
für euch: Wie hier zum Widerhalle
ich dieses schreib von Strophe zwei.

So wäre denn der Kreis geschlossen.
Fort mit der Lyra, der Schalmei!
Dem fleißigen, dem Flügelzossen,
geb ich bis morgen erst mal frei.

Langer Atem

Langer AtemWenn irgendwie Talent ich hätte,
ich glaub, ich möchte Barde sein,
geduldet an der Musenstätte
mit andern Vögeln im Verein.

Und derart sollte man mich preisen,
dass, wie’s dem Avon-Schwan geschieht,
man in den höchsten Krittelkreisen
mir gar bestreitet so ein Lied!

Doch haben mir die Schicksalszicken
Zeuswotanschiwa sei’s geklagt!,
um gleich mir was am Zeug zu flicken,
das rechte Federkleid versagt.

Anstatt mich himmelwärts zu schwingen
in eines Adlers lyr’sche Höhn,
muss kläglich ich am Boden singen,
bloß wie ‘ne Nachtigall so schön.

Kein Grund indessen, mich zu grämen:
Wenn schon nicht Stars unendlich fern,
will einen Punkt zum Ziel ich nehmen
knapp unter unserm Morgenstern.

Geliefert hab ich manche Probe,
damit den Anspruch ich bestärk,
und – Schimpf, dass ich mich selber lobe! –
zwei Leute schätzen schon mein Werk.

(Darin natürlich eingeschlossen
bist du, o einz’ge Leserin,
die du seit Jahren unverdrossen
ringst mit der Zeilen Zweck und Sinn!)

So fühl ich mich auf gutem Wege
zum Fuß – nicht Gipfel – des Parnass,
wo ich als Opfer hinterlege
des Hirns bescheidnen Aderlass.

Ich hoff, es nehmen auch die Götter,
sich mal die 2. Liga vor,
nicht als der Minderleistung Spötter,
nein, Fans für jedes schöne Tor.

Die alte Weisheit soll mich lehren,
dass man nicht alles haben kann.
Will mich nach Massen nicht verzehren –
mir reicht vorerst der dritte Mann.

Und wenn entsprechend dem Systeme,
das nach dem Schneeball man benennt,
mein Vers in aller Munde käme,
in tausend Jahrn mich jeder kennt.

‘ne kurze Frist, wenn wir bedenken
das Maß der unbegrenzten Zeit
und dass sie reicht, sie ihm zu schenken,
dem Dichter, die Unsterblichkeit.