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Wunschdenken

WunschdenkenDes Abends stille Stunde wieder.
Die Fantasie schwebt zum Parnass –
mit Versen kommt sie bald schon nieder,
Gedanken über dies und das.

Die Straße döst, kaum noch befahren,
im bläulich blassen Neonschein.
Wo überm Dach die Sterne waren,
spannt sich der Wolken grauer Lein.

Zu Ende jetzt die Wagenrennen,
geschäft’ger Füße Lärm erstickt.
Ich spür mein Lämpchen wärmer brennen,
den Zeiger hör ich, wie er tickt.

Frau Nachbarin, wohl schon zu Bette?
Kein einz‘ger Mucks, der zu mir dringt.
Ringsum, da schweigt man um die Wette,
nur meiner Therme Flämmchen singt.

Die Buddel, würde Bashô sagen,
wie quillt es da miteins
(ich will ein neues Gläschen wagen) –
Gluckgluck, Gluckgluck des Weins!

Erst will ich auf die Musen trinken,
an die mit Dankbarkeit ich denk:
Auch wenn mit Lorbeern sie nicht winken –
der Abend, welch Geschenk!

So‘n Frieden wünsch ich mir auf Erden –
will ihn ja nicht für mich allein:
Wenn alle Menschen Dichter werden,
dann müsst‘s zu schaffen sein.

Ich bitt euch, Musen, gebt euch Mühe,
haucht Poesie in jedes Herz,
dass selbst dem steinernen erblühe
ein Frühling wie im März!

Mit diesem Wunsch ich Reim und Rebe,
das Buch der Welt, die Augen schließ.
Wenn morgen ich die Lider hebe,
vielleicht im Paradies?

Kurze Ansprache

Kurze AnspracheIhr Leser, die ihr nicht Kohorten,
geschweige denn Legionen seid,
habt Dank, dass meinen spröden Worten
zu lauschen wieder ihr bereit.

Ich will, euch dafür zu belohnen,
ins Zeug mich legen wie nur was,
von dorther, wo die Musen wohnen,
euch Verse holen, vom Parnass.

Ein Supermarkt der größten Fülle
fürs ganze Dichtungszubehör –
vom Heldenlied bis zur Idylle
bedient sich hier der Connaisseur.

Ich, zugegeben, ich erwerbe
nur immer Kleinkram auf der Höh:
Gedichte, zwar geschätztes Erbe,
doch wen’ger als die Epopöe.

Indes soll sich der Meister zeigen
im Kleinen auch, weiß Volkes Mund.
Wie würd ich dem mein Ohr nicht neigen?
Die Wahrheit tut auch Lyrik kund.

Wie viele Namen könnt ich nennen,
die dies bezeugen grandios,
durch die Jahrtausende euch rennen,
begeistert brüllend stets: Famos!

John Donne seht auf dem Rosse reiten,
den blinden Milton hinten drauf
und den, dem manche es bestreiten,
geboren an des Avon Lauf.

Seht Dante, Bashō, Baudelaire,
Corinna seht und Kanik, Keats,
zu jeder Zeit in jeder Sphäre
hat sie geblüht, die Kunst des Lieds.

(Um einen Großen deutscher Zunge
als Beispiel noch heranzuziehn:
In dieser sang mit schönstem Schwunge
und heil’gem Eifer Hölderlin.)

An diesen, Himmel!, mich zu messen,
wär Hybris, wie der Grieche sagt:
Sie haben statt Talent besessen
Genie, das dies noch überragt.

Doch selbst wenn mit beschränkten Mitteln
im „Musenmarkt“ man Kunde ist –
die Kasse wird es nicht bekritteln,
denn Kleinvieh, weiß sie, macht auch Mist.

Soweit mein Trost. In jedem Falle
das Beste gut genug mir sei
für euch: Wie hier zum Widerhalle
ich dieses schreib von Strophe zwei.

So wäre denn der Kreis geschlossen.
Fort mit der Lyra, der Schalmei!
Dem fleißigen, dem Flügelzossen,
geb ich bis morgen erst mal frei.