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Wiegenlied

Noch kann kein Wässerchen er trüben,
wenn er so in der Wiege liegt;
muss erst sich noch im Krähen üben,
damit er seine Pampe kriegt.

Er spielt verträumt mit seiner Rassel
und findet das Geklimper toll
und schert sich nicht um den Schlamassel,
hat er die Hose einmal voll.

Rundumbetreuung durch die Glucke,
die ihren Spatz auf Händen trägt
und täglich mit Geduld und Spucke
den kleinen Schieter trockenlegt.

Doch schon auch die Gedanken kreisen
um seine spätre Position –
wird er einmal den Grips beweisen
für einen Job mit Spitzenlohn?

Als Arzt vielleicht Karriere machen,
als Steuerprüfer und Jurist,
als Kaufmann über Schätze wachen,
die man mit keiner Elle misst?

Das sind so einer Mutter Träume,
die von dem Spross sich was verspricht,
gesunde, gutgenährte Bäume,
doch wachsen in den Himmel nicht.

Dabei hab oft ich sagen hören,
man wünsch sich einen Tugendbold,
doch niemals, darauf würd ich schwören,
hat ‘nen Tyrannen man gewollt.

Der ist verdammt schlecht angeschrieben
und als Beruf nicht anerkannt,
berauschend sich an finstren Trieben,
die aus dem Anstandsbuch verbannt.

Dem schlechten Ruf indes zum Trotze
bringt mancher es doch gern dahin,
dass er mit seiner Willkür protze
und seinem knüppelharten Sinn.

Dabei ist bloß der Mensch geboren
mit diesem doppelten Talent –
die Erde schuf nur Karnivoren
und Vegetarier, streng getrennt.

Der Löwe muss sein Wildbret jagen,
mit Kräutern hat er nichts am Hut;
das Hornvieh wälzt im Blättermagen
nie einen Brei aus Fleisch und Blut.

Allein im Menschen sich vermischen
die beiden Typen ungeschwächt,
er kann nach Lust im Trüben fischen
oder lebt friedlich und gerecht.

Und folglich zeigen sich Extreme
wie der Despot, der halb vertiert
und ganz im Stil der alten Feme
Rivalen heimlich liquidiert.

Und dann der Mensch mit gutem Herzen,
den leicht das Mitleid übermannt,
ein Gegensatz wie Wunderkerzen
zum sengend-schwarzen Flächenbrand.

Wann endlich macht der Schuft die Fliege?
Das Elend doch mal enden muss! –
Erst wieder in der großen Wiege,
der mit dem Deckel als Verschluss!

Lautmalerei

Persönlich kenne ich zwar keinen,
doch hat’s mir wer mal hinterbracht,
es gäb im Lande mehr als einen,
der passende Geräusche macht.

Für Film zum Beispiel und für Bühne,
dass jede Szene man beseelt,
vom Wichtel bis zur Wanderdüne,
mit der Akustik, die ihr fehlt.

Daran ist wohl nichts auszusetzen:
Zu jedem Bild der rechte Ton,
denn so erst kann man wirklich schätzen
die schöne Schauspiel-Illusion.

Nach ähnlich klingenden Effekten
schaut nicht allein der Profi aus –
den Sinn für Untermalung weckten
sie auch bei Nachbarn hier im Haus.

Nur dass dem frei erzeugten Laute
kein Bildnis als Pendant gebührt –
er hat schon, eh der Morgen graute,
sein Eigenleben längst geführt.

Und kann sich ohne Weitres messen
selbst mit den Größten dieser Kunst,
wobei er eher selbstvergessen
mit seiner Gabe nicht mal strunzt.

Ein leichter Aufschlag mit dem Hammer,
ein Klopfen, eher hingehaucht,
klingt mir als Weckruf in die Kammer,
dern Schlaf noch nicht ganz aufgebraucht.

Kurz hochgeschreckt. Und mit Behagen
zurück in meinen Pfühl gestürzt,
als plötzlich rüdes Türenschlagen
zum zweiten Mal den Schlummer kürzt.

Ich sinke noch mal in die Kissen,
um neuerlich in Schlaf zu falln,
als ich schon wieder rausgerissen
durch Pumps, die auf die Fliesen knalln.

Nur wenig später sind’s die Kleinen,
die nicht wie ihre Mütter wolln
und sich mit Zetern, Zank und Weinen
auf ihren Weg zur Schule trolln.

Die Lust, mich noch mal auszustrecken,
hat ihren Nullpunkt nun erreicht –
ich wälz mich aus den warmen Decken
wie einer, der zum Galgen schleicht.

Doch fern vom Lager, wo ich pennte,
bleibt diese Kunst mir auf dem Fuß;
man wechselt nur die Instrumente
und schickt auch tags mir seinen Gruß.

Hat keinen Hammer man zu greifen
und keinen Bohrer für sein Brett,
lässt man geflissentlich doch schleifen
ein Stuhlbein über das Parkett.

Ein Stuhlbein? Reichlich untertrieben.
Wenn’s nach dem Dauerquietschen geht,
scheint man da tausend zu verschieben,
weil niemals eines richtig steht.

Dies aber ist gewissermaßen
des Hauses strahlnder Hintergrund,
der mit dem Außenlärm der Straßen
vereint zum schönen Zweierbund.

Jetzt kommen auch die Sportskanonen
allmählich von der Schule heim,
den Wunsch erstickend, mich zu schonen,
mit lautem Ballgekick im Keim.

Dann übt sich wer mit Trommelschlägen
an seinem neuen Spielgerät –
mit allerhöchsten Klangerträgen,
wie’s sich dabei von selbst versteht.

Das Glockenläuten zu erwähnen
verbietet mir mein Taktgefühl,
doch ruft’s halb sieben den und jenen
zum Angelus ins Kirchgestühl.

Auch das ist schließlich überwunden.
Und Stille atmet lau und lind.
Da poltert nach den Arbeitsstunden
der Alte heim zu Weib und Kind.

Man hört ihn schon das Haus betreten,
denn krachend schließt er das Portal,
und kurz vorn eigenen Tapeten
die Wohnungstür dann noch einmal.

Dann kommt auch schon die Dackeldame,
die noch mal Gassi geht zur Nacht
und sich zu meinem größten Grame
vor Freude gleich ans Kläffen macht.

Der Rest ist nur noch Nachgeplänkel,
kein Lärm, der aus der Masse sticht.
Zwar geht auch das mir auf den Senkel,
doch immerhin bald Ruh verspricht.

Drum nix wie rein jetzt in die Kissen
und rasch die Decke übers Ohr,
um kein Minütchen Schlaf zu missen –
die Stille hält nicht lange vor!

Wie willig sich die Federn bauschen,
wie’s meinen Leib ins Weiche zieht!
Entschlummernd hör das Meer ich rauschen,
sein wunderbares Wiegenlied.

Andere Lesart

Andere LesartWas soll ich, Leute, euch berichten?
Mein Tag verläuft ja stinknormal.
Kein Job; nur diese Hausmannspflichten.
Ein Leben wie im Wartesaal.

Wenn ich vom Putzen euch erzähle,
die Augen ihr wohl nur verdreht;
und wie ich so Kartoffeln schäle,
euch auch vorbei am Hintern geht.

Da müsste ja schon mehr passieren,
damit ich euch zufriedenstell –
so was wie’n Faustschlag auf die Nieren
oder doch seelisch was aufs Fell.

Doch hat sich was! Solche Blessuren,
die blieben mir zum Glück erspart.
Von früheren auch keine Spuren –
und wenn, verborgen unterm Bart.

Seht mich hier echt die Hände ringen,
Verzweiflung garantiert im Blick!
Wie gern würd ich euch Spannung bringen,
dass euch nicht langweilt mein Geschick!

Wie aber soll ich euch genügen,
wenn ich nicht irgendwas erfind?
Doch Lyrik kommt ja nicht von lügen
die Dinge sind, so wie sie sind.

Egal, sie soll euch trotzdem nützen –
nur mit ‘nem kleinen Unterschied:
Setzt auf zur Nacht die Zipfelmützen,
und lauscht ihr als ‘nem Wiegenlied!