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Zahnbehandlung

Sofern in deinen alten Tagen
die Beißerchen an Halt verliern,
hilft dir kein Jammern und kein Klagen –
du musst den Zahnarzt konsultiern.

Der kommt mit zünftigen Geräten
und seiner Fingerfertigkeit,
die Stümpfe endlich auszujäten,
die faulen schon seit langer Zeit.

Du streckst dich auf die Gummiliege
und ruckelst deinen Leib zurecht,
bis Kopf und Nacken in der Biege –
und damit los denn zum Gefecht!

Mit rasch getauschten Instrumenten
heißt’s Klappe auf und Klappe dicht –
als leidgeprüfte Patienten
wisst ihr ja selbst, wie so was sticht.

Nach zwei bis drei gefühlten Stunden
lässt der Dentist dich wieder ziehn –
beschwert mit weiteren Befunden
für deinen nächsten Zwicktermin.

Von Zeit zu Zeit musst du so harren
wie’n Fisch mit offnem Maul an Land,
indes dir in die Kiemen starren
zwei Argusaugen unverwandt.

Dann bist du durch mit dieser Stätte.
Der Mühe Lohn: Ein neuer Look –
aus Zähnen eine Perlenkette
als bissbeständ’ger Kieferschmuck.

Jetzt musst du nicht mehr scheu im Rachen
verbergen den dentalen Schwund –
jetzt kannst du wieder Eindruck machen
mit lachend aufgerissnem Mund!

Wäre da bloß nicht die Schikane
mit der Corona-Maskenpflicht –
ob alt, ob neu, die Kauorgane,
man sieht sie hinterm Schleier nicht.

Stiller Genießer

Es liebt der Mensch, sich einzuigeln
in manche Art von Gläubigkeit,
die alle aber widerspiegeln
sein Herz, das nach Bekenntnis schreit.

Man hat sie sich nicht erst erkoren
nach Kandidatenkonterfei –
man ist in sie hineingeboren,
in die und die Politpartei!

Das heißt, Charaktereigenheiten
hat mitgebracht man auf die Welt
und diesen dann im Lauf der Zeiten
ein festes Credo beigesellt.

Könnt also mein Gemüt erschließen
aus dieser Lehre, die mir wert:
das Leben friedlich zu genießen,
an Leib und Seele unversehrt.

Und sich nicht Bange machen lassen
von Götterzorn und Höllenpein,
weil diese nur zu Mythen passen,
die mit dem Alltag nichts gemein.

Genuss soll der Vernunft entsprechen,
damit er nicht zur Reue zwingt,
wie wenn da wer bis zum Erbrechen
Konditorkunst herunterschlingt.

Und sich auch keineswegs beschränken
nur auf den Mund- und Magenpart,
anstatt ihn auch dem Geist zu schenken
auf etwas delikat’re Art.

Sind nicht des Musikers Sonaten,
die Leinwand, die der Maler streicht,
so köstlich wie ein Sauerbraten,
in Marinade eingeweicht?

Ihr seht, mit Fress- und Saufgelagen
hat diese Lehre nichts am Hut,
obwohl ihr jene nachzusagen,
man ihr bis heute unrecht tut.

Ganz vorneweg erklärte Christen,
wie sie Mirakel delektiern
und so ‘nen schnöden Realisten
als platten Prasser diffamiern.

Ihr kennt ja selbst den alten Heiden,
dem dieses Schicksal widerfuhr:
„Im Maß genießen, Schmerz vermeiden“ –
so vorgelebt von Epikur.

Und während ich noch dieses schreibe,
verspür ich schon des Mottos Kraft –
warm und gemütlich meine Bleibe,
kühl im Pokal der Rebensaft.

Feiertagsroutine

Hab einfach ihn so hingenommen,
den unverhofften Feiertag,
der herrgottsfrüh schon angekommen,
als platt ich noch im Kissen lag.

Begeistrung also nur in Grenzen.
Verständlich aber sicher dann,
bedenkt man etwa, dass beim Schwänzen
kein Rentner sich verspäten kann.

Er muss auf keine Arbeitsstelle,
die ständig schreit: Na, wird es bald!
Hat längst ja schon ‘ne stillre Quelle
fürn Lebensabendunterhalt.

Die fließt ihm, ohne zu versiegen,
in dünnem, aber nährndem Strahl,
dass auf der Bärenhaut zu liegen
nicht unbedingt die schlechtre Wahl.

Was soll’s, du musst doch aus den Federn,
sonst wird der Rücken dir zu schwer.
Selbst ‘ne Matratze kann dich rädern,
da braucht es keine Erbse mehr.

So hab ich mich denn rausgewunden
aus meinen Decken Schicht um Schicht
und zum gewohnten Trott gefunden
im schönsten vollen Tageslicht.

Riecht nicht nach einem Abenteuer,
‘nem Ausbruch aus der Rentnerwelt:
Der Sonne morgenhelles Feuer
allmählich schon nach Westen fällt.

Ringsum des Grabes tote Hose,
‘ne Stille, die beharrlich schweigt,
dass selbst des Schläfers starre Pose
mehr Leben und Bewegung zeigt.

So ist das eben mit den Freuden,
die ohne Pflichten man genießt:
Genügend Zeit, sie zu vergeuden –
wodurch sie nur noch schneller fließt.

Gute Nachbarschaft

Gestattet mir, euch vorzustellen:
Bommel der Große, Kalli Klein.
Sie sind zwei fröhliche Gesellen
und wollen gute Nachbarn sein.

Ein hübsches Häuschen sie bewohnen
von recht bescheidenem Format,
doch können auch den Beutel schonen,
weil niemand sie zur Kasse bat.

Ja, nicht nur dass Logis sie sparen,
sie haben auch die Kost noch frei,
wenn auch nicht grade Luxuswaren
im Stil von Leipzigs Allerlei.

Doch ihnen kann’s gestohlen bleiben,
vor Schmalhans spürn sie keine Scheu,
begnügen sich mit Gurkenscheiben
und einer Handvoll frischem Heu.

Und grade dies verkappte Fasten
beflügelt sie nur umso mehr –
am liebsten sie im Kreise hasten,
der eine hinterm andern her!

Dann müsstet ihr sie quieken hören
vor ausgelassner Lebenslust
aus voller (so wie bei Tenören),
doch dabei eher schmächt’ger Brust!

Für die leg ich die Hand ins Feuer,
die stören euren Frieden nicht.
Die Häuslichkeit: ihr Abenteuer,
die Ruhe: ihre Bürgerpflicht.

Meerschweinchen sind in jedem Falle
als Mieter einfach fabelhaft.
Ich glaub, ich spreche für euch alle:
„Na denn auf gute Nachbarschaft!“

Wichtiger Termin

Kein Abend von der Sorte heute,
wie ich seit ewig ihn gewöhnt,
dass Schlafsand über mich er streute,
bis meinen Sang ich ausgestöhnt.

Auch jetzt ich meine Zeilen ziehe
im Rhythmus, wie ihr Fuß enteilt,
indessen ich die Rebe fliehe,
die sonst an meinen Versen feilt.

Auch Mitternacht ist nicht die Grenze,
die frühestens ich überschreit,
wenn Tinte ich und Tinto lenze
im Vollbesitze meiner Zeit.

Heut muss ich früher in die Federn,
noch vor besagter Geisterstund,
als kurte ich in teuren Bädern
mit Schlaf und Wasser mich gesund.

Denn morgen heißt es sich erheben
beim zweiten, dritten Hahnenschrei
und nicht wie sonst im Kissen kleben,
bis schon die liebe Post vorbei.

Mit wachen, ausgeschlafnen Sinnen
will ich dem Tag entgegenziehn
und dem besonderen Beginnen
an diesem wichtigen Termin.

Das klingt verdächtig nach Examen,
bei dem nur so die Birne raucht
und, dass die Kräfte nicht erlahmen,
man erst einmal Erholung braucht.

So ähnlich. Doch auf alle Fälle
‘ne Sitzung, die was abverlangt,
hat wo man eine wunde Stelle,
die man ‘nem faulen Zahn verdankt.

Dann gilt es nämlich stillzuhalten
wie ein Rekrut in Reih und Glied,
bis sich die Spritzen voll entfalten
und extrahiert der Störenfried.

Die rücklings aufgebockte Lage,
die Stocherei im Rachenraum,
was immer ich auch sonst vertrage,
doch solche Backenstreiche kaum.

Erleichterung, wenn’s überstanden
und von den Schmerzen ich befreit;
doch werd hier wohl noch öfter landen –
er ruht ja nicht, der Zahn der Zeit.

Hühnerklein

Es sind nicht grad die Borstenviecher
sein idealer Lebenszweck,
doch dafür hat er einen Riecher
fürn Goldgeruch von Hühnerdreck.

In Tausenden genormter Zellen
der Züchter seine Hennen hält,
um so en gros bereitzustellen
den Eiersegen, der da fällt.

Ich würd ihr Los nicht gerne teilen,
denn Fließbandarbeit find ich doof,
auch das nicht derer, die bisweilen
noch Freigang haben auf dem Hof.

Schon gar nicht aber das der Hähne,
die’s Eierlegen nicht gelernt
und die man folglich aus der Szene
(„Nicht auszuschlachten“) schnell entfernt.

Doch nicht auf die „humane“ Weise,
dass ihnen Leiden man erspar –
in diesem rauen Wirtschaftskreise
ist ja der Mensch noch ganz Barbar.

Da schlüpft ein Küken aus der Schale,
in dieser Welt sich umzuschaun,
und landet gleich beim ersten Male
im Müll zerhäckselt und zerhaun.

Es ist ‘ne himmelschrei’nde Schande,
so mit Geschöpfen umzugehn,
doch die Gesetze hierzulande
auf Seiten mehr der Schlächter stehn.

Geschäft gewogen gegen Leben:
Der Fall wird damit meist gelöst,
dem „Unternehmer“ recht zu geben –
egal wie der gesund sich stößt.

Bettwärme

bettwaerme-wilhelm-buschDie Wärme, die im Bett wir finden,
sie gleicht dem Mutterschoß –
frag nach in München oder Minden
oder in Weimar bloß.

Ich kann sogar noch weitergehen
und Grenzen überschreit:
Dies Wohlgefühl von Kopf bis Zehen,
es gilt europaweit.

Da ruht wer in Granadas Kissen,
schläft still wer in Bordeaux –
für beide ist es gut zu wissen:
Es birgt mich ein Plumeau.

Man mag in Genf die Nacht verschnarchen,
in Dublin, einerlei –
am Schoße auch des Patriarchen
führt hier kein Bild vorbei.

Ja, selbst wenn wir uns von ihm wenden,
dem Heimatkontinent,
sehn wir an allen Erdenenden
ein Volk, das gerne pennt.

Ob in Shanghai in Morpheus Armen,
im fernren Kioto gar –
es gleicht ein Liegeplatz im Warmen
dem andern bis aufs Haar.

Das muss auch für Kinshasa gelten
und für Irkutsk noch mehr.
Ihr meint, die beiden trennten Welten?
Wenn dieser Pfühl nicht wär…

(Ob Federn sich, ob Gräser ballen
zum Bette irgendwo:
Egal. Wenn schon die Lider fallen,
reicht auch ’ne Schütte Stroh.)

Der Schlaf verrät des Menschen Sehnen
nach ungetrübtem Glück,
wo immer er ihn mag ergähnen
von Perth bis Osnabrück.

Für eine Handvoll stiller Stunden
entzieht er sich der Welt
mit ihren Kriegen, ihren Wunden
um Fressen, Macht und Geld.

Und lässt, von Träumen abgesehen,
nichts mehr im Kopf rumorn
von all den fürchterlichen Wehen,
die mit dem Tag geborn.

Wir sollten ihn so liegen lassen
in seiner Seligkeit –
das Herz zu friedlich, um zu hassen,
der Arm zu schwach zum Streit!

Nachlassender Schmerz

schmerzmittelHeut ergriff am Kiefer mich,
ach, ein dumpfer Schmerz,
der gefühlvoll weiterstrich
mund- und rachenwärts.

Und dass dieser nicht allein
seinen Dienst verseh,
tat mir überm Nasenbein
auch die Birne weh.

Doch da Gutes, wie bekannt,
dreifach stets erscheint,
hat ein Schnupfen sich galant
mit dem Paar vereint.

Ergo von des Tags Beginn
bis zum Abend spät
gab ich mich dem Wunder hin
dieser Trinität.

Weder ich den Pfaffen rief
noch den Medikus,
schien mir doch so intensiv
gar nicht mein Verdruss.

Schließlich half ein Elixier,
das geschluckt ich brav
und zu meinem Grand Plaisir
gleich ins Schwarze traf,

Wo‘s mit dem Zweischneidenschwert
chemischer Natur
unverzüglich in den Herd
meiner Leiden fuhr.

Glücklich auch die Schlacht gewann
gegen das Malheur,
dass der Sorge ich entrann
ohne Buschs Likör.

Doch auch leidlich kummerfrei,
wie ich mich nun fand,
wär wohl, dacht ich, nichts dabei,
hätt ich Wein zur Hand.

Und begoss vertilgtes Weh
mit besagtem Saft –
mazedonischem Rosé,
alexanderhaft.

Ja, der Knoten war zerhaun
und ich wieder fit –
wie im Nebel nur zu schaun,
was ich grad noch litt.

Heller schien die Sternennacht,
prächt’ger mir der Mond,
wie ich lange noch gewacht,
länger als gewohnt.

Pflichtvergessen

PflichtvergessenHe, Juli, was ist los mit dir,
nun lass dich doch nicht lumpen.
Grad zu dem Zweck bist du ja hier,
uns Sonnenschein zu pumpen!

Kommst im Gefolg des Sommers her,
uns Freuden zu verheißen.
Da tu dich jetzt doch nicht so schwer
und dich am Riemen reißen.

Okay, sechs Tage bist du alt
und magst dich Jüngling nennen,
doch auch ein Monat schwindet bald,
die Stunden nur so rennen.

Ein Knäblein grad noch, lebensfrisch,
ein süßer kleiner Racker,
reißt dich die Zeit vom Wickeltisch
im Nu zum Gottesacker.

In deines Leibes Winzigkeit
glaubst ewig du zu bleiben,
die Zukunft so unendlich weit,
sie förmlich abzuschreiben.

Doch nimm von mir die Lehre an,
ich hab’s ja selbst erfahren:
Was immer auch so zart begann,
kommt zügig auch zu Jahren.

Verlass dich nicht mit leichtem Sinn
auf ein gewisses Morgen,
ist deine Frist erst hops und hin,
gibt’s neue nicht zu borgen.

Auf denn, du fauler Juli-Kerl,
sollst dich ins Zeug nun legen,
dass Licht uns blitzend niederperl
und nicht so‘n trister Regen.

Nur so erfüllst du deine Pflicht,
den Goldpokal zu reichen,
zum Rand gefüllt mit Sonnenlicht –
als Juli ohnegleichen.

Ach, nur ein Aufruf, ein Appell
an dunkle Wettermächte –
bewahrn sie doch mit dickem Fell
die eignen wind’gen Rechte!

 

Mit bestem Dank

Mit bestem DankWenn blöd ich wär, hätt Stroh im Brägen
und faselte nur immer Stuss,
wär mein Büro der reinste Segen,
fernab von jedem Musenkuss.

Wär ich Pedant, ein Erbsenzähler,
der nichts als kleinlich kritteln kann –
o wie viel ausgemachte Fehler
böt mein Büro mir täglich an!

Wär ich ein Schwätzer, große Lippe,
die Brust von Eitelkeit geschwellt,
wie läg mir die Beamtensippe,
die brabbelnd mein Büro umstellt!

Wär ich blasiert, ein steifer Knochen
und Besserwisser vor dem Herrn,
ich käm nicht ins Büro gekrochen:
Ich lief, es jauchzend aufzusperrn.

Wär ich ein Hund, ein Leuteschinder,
der gerne mit der Peitsche knallt,
ich liebte mein Büro nicht minder
als ein Tyrann die Staatsgewalt.

Doch, ach, ich kann’s mir nicht erklären,
sind doch da Gründe ohne Zahl:
In dies Büro zu gehen, wehren
sich meine Füße jedes Mal.

Ich krieg’s nicht hin beim besten Willen,
denn diese Gründe sind mir wurst.
Drum kann ich im Büro nicht stillen
auf Wohlbefinden meinen Durst.

Muss immer auf den Dienstschluss harren,
um glücklich mich davonzustehln.
Dann kann im eignen Hof ich scharren
und meine Art zu gackern wähln.

Doch wenn ich reimend Ruhe tanke
und endlich frei mich fühl und froh,
weiß ich sehr wohl, wem ich’s verdanke –
dem ungeliebten, dem Büro.