Im neuen Jahr am vierten Tage.
Zum vierten Male Abend auch.
Und wieder ich am Griffel nage
und würg mir Verse aus dem Bauch.
Und immer noch die gleiche Szene
mit Waschmaschine, Kühlschrank, Herd.
Der Wasserhahn als Hippokrene,
der Küchenstuhl als Musenpferd.
So schwer gerüstet mit Geräten,
die ohne Charme und Poesie,
bin auf dem Ritt ich, auf dem späten,
ins Wunderland der Fantasie.
(Wenn in dem nüchternen Ambiente
ich leidlich meine Kunst schon nähr,
wozu im Luxusappart’mente
die Denkerstirn wohl fähig wär!)
Indes, was soll ich mich beklagen?
Seh ich nicht stets zum Fenster raus
und seh mit bleibendem Behagen
mir vis-à-vis das Nachbarhaus
Mit seiner nächtlichen Fassade,
die wie mit Würfeln Lichts gespickt,
wo ein verwandter Stadtnomade
noch fernsieht oder Socken flickt?
Und seh ich nicht den dunklen Bogen,
in dem der Himmel sich erstreckt,
mal schimmernd grau von Wolkenwogen,
mal glänzend von Gestirn bedeckt?
Und wenn ich grad im tiefsten Sinnen
am wenigsten darauf gefasst,
den Mond nicht plötzlich übern Zinnen,
wie hoch er gleitet ohne Hast?
Die Enge meiner dürft’gen Klause,
macht sie die Aussicht denn nicht wett?
Muss, wenn ich körperlich so hause,
mein Geist auch ins Prokrustes-Bett?
Er weiß die Perlen schon zu finden,
mit denen man die Lyra schmückt,
und kennt die Kunst, den Kranz zu binden,
der Lorbeern auf die Schläfen drückt!
Und will auch gar nicht müde werden,
er hat ja mächtig Spaß dabei
und fühlt sich unter Küchenherden
wie auf dem Helikon so frei.
Wie dass ich diesem Jahr versage,
was mir von jeher wichtig doch?
Freu mich auf jeden seiner Tage –
361 noch!