Wie still! Das Lüftchen selber ist zu hören,
das raschelnd durch die Blätter geht.
Wär’s nicht ein Baum, ich könnte schwören,
da murmelt wer sein Nachtgebet.
Nix los mehr auf den Bürgersteigen.
Entseelte Steine, tot und kalt.
Nur selten noch durchbricht das Schweigen
‘ne Sohle, die wie hundert hallt.
Und diese breite Asphaltschiene,
für Reifen eigens ausgelegt?
Die ewig graue Leidensmiene,
auch wenn sie keine Last mehr trägt.
Fassadenlicht wie Schinkenstücke
in Mauersülze eingebracht.
Unmöglich, dass man sie verrücke?
Nein, manchmal an- und ausgemacht.
Im Himmelsshop sind die Regale
von Sternen völlig leergeräumt.
Er hat was von ‘nem Wartesaale,
der über toten Gleisen träumt.
Und die im Abendwind oft schwanken,
die Peitschenmasten, Halme bloß,
versunken stehn sie in Gedanken,
die Neonähre regungslos.
Wo sind die Vögel, die Migranten,
die weit gereist nicht ohne Not?
Schon längst die Flügel sie entspannten,
denn nächtlich herrscht ja Flugverbot.
Von irgendwo ein leises Pochen.
Ich lausche. Hab ich mich vertan?
Nein, lauter nun, ununterbrochen –
jetzt weiß ich’s, ach, der Wasserhahn!
O wie mit tausend sanften Lippen
die Stille zu Gehör sich bringt,
nur leicht die Seele anzutippen,
dern Saite umso stärker schwingt.
Und doch, das große Ungeheuer,
die Tatzen friedlich ausgestreckt,
die Stadt träumt schon vom Abenteuer,
zu dem das Morgenrot sie weckt.
Es ist ein trügerischer Frieden:
Er hält nur bis Bürobeginn.
Dann, goldne Frucht der Hesperiden!,
der alte Wettlauf um Gewinn!
Nur dass sich einstmals Rittersleute
geschwungen auf ihr edles Ross,
damit nach Kämpfen reiche Beute
in dero Satteltaschen floss.
Heut sind’s die Broker und die Bänker
mit hundert Pferden unterm Steiß,
die sich als Börsenschlachtenlenker
gekrallt den ganzen Erdenkreis.
Auch ohne sich vom Fleck zu rühren,
denn heute ist der Drachenhort
giral und leicht zu überführen
gedankenschnell von Ort zu Ort.
Weicheier, die am Ofen hocken?
O nein, Raubritter unterm Strich!
Denn was sie scheffeln und verzocken
ist wirklich abenteuerlich.
Man sieht: Bis auf die Kleidermode
gibt’s keinen Wandel auf der Welt.
Der Mensch, meschugge und marode,
will immer nur das Eine: Geld.
Wie kann man aus dem Kopf ihm schlagen
ein Ideal, das materiell?
Schon Sokrates stellt’ solche Fragen
und büßte es mit seinem Fell.
Desgleichen der in Stroh geboren
in einer kalten Winternacht,
mit dessen Armut unverfroren
die Christpartei Reklame macht.
(Bedenkt man ihre Krämerseele,
ein wundersames Phänomen!
Hat sie womöglich gar Kamele
dressiert, durchs Nadelöhr zu gehn?)
Doch was hab ich denn an Rezepten?
Wenn’s schon den Besten nicht gelang,
wie so ‘nem unscheinbarn Adepten
mit mittelmäß’gem Leidensdrang?
Ich muss das erst mal überschlafen,
auch trügerisch bleibt Ruh ja Ruh.
Vielleicht fliegt mir beim Zähln von Schafen
– ein schwarzes, oh! – die Lösung zu!