Man möchte sich die Augen reiben,
so ungewöhnlich ist das Bild:
Obwohl Zweitausendx wir schreiben,
putzt wer da noch sein Wappenschild!
Noch Majestäten auf den Thronen,
als ob sich nichts geändert hätt!
Und zum Gebrauch noch liegen Kronen
in ihrm Kleinodienkabinett!
Die stülpen sie auf ihren Schädel,
um extra würdig auszusehn
in Lebenslagen, die so edel
wie Hochzeiten und Jubilä‘n.
Der Geist verflossener Monarchen
wie Heinrich, Henry und Henri,
die längst im Sarkophag schon schnarchen,
führt schaurig wieder dann Regie.
Sie stehn auch sonst in erster Reihe,
Dekor für einen guten Zweck,
denn der kriegt erst die rechte Weihe
mit einem König vorneweg.
Nebst Stehen lieben sie auch ‘s Schreiten
entlang ‘ner Ehrenformation,
wahlweise sie auch abzureiten –
das „hohe Ross“ hat Tradition.
Man sieht sie öfter auch auf Reisen
in alle Länder dieser Welt,
um auf Empfängen gut zu speisen
für gutes Steuerzahlergeld.
Kein Wunder, ihr Terminkalender
ist eine hochkompakte Schrift,
zumal auch oft ein Vierzehnender
drauf wartet, dass der Fürst ihn trifft.
Doch auch die wen’gen freien Stunden
gestalten fruchtbar sie fürs Land –
nicht mit Kusinen, knackig runden,
nein, heute auch mal linker Hand.
Und wird ein Kindlein dann geboren,
landauf, landab juchhe, juchhu!
Die Herde, die man einst geschoren,
blökt ihnen auch noch heute zu.
Indes das Volk zu drangsalieren,
die Zeit ist Gott sei Dank passé.
Die vormals Mächt’gen amüsieren
dafür mit Pomp und Portepee.
Doch diese flittrigen Vergnügen,
archaisch, obsolet, gestellt,
dem adelsstolzen Sinn genügen,
dass er sich für was Bessres hält.
Die Macht perdu, zurückgeblieben
der Dünkel, der ihr einst entsprang.
Hat man Geschichte nicht geschrieben?
Lebt man nicht fort im Heldensang?
Man hat, gestützt auf seine Stärke,
gebrannt, geschändet und gerauft
und dann mit frommem Stiftungswerke
‘nen Platz im Himmel sich erkauft.
Das müsst heut billiger gelingen,
da man doch abgeschworn dem Schwert:
So zwei bis drei Choräle singen,
und auf die edle Seele fährt!
Besitzstandwahrung: Wer hienieden
‘ne richtig große Nummer war,
der hockt auch dort im ew’gen Frieden
bei Petrus an der Cocktailbar?
Was gibt das für ein bös Erwachen,
wenn man erst aus dem Leben trat:
Kein Paradies mit scharfen Sachen –
nur Finsternis, und faulig-fad!
Und dann, mit Blindheit nicht geschlagen,
der Würmer unpartei’sche Brut:
Millionen, lustvoll zu zernagen
den Mythos, ach, vom blauen Blut!