Relativ rasch

Relativ raschEheu fugaces,
Postume, Postume,
Labuntur anni!

Horaz (65 – 8 v. Chr,), Oden II, 14

Man kann den raschen Lauf beklagen,
die überstürzte Flucht der Zeit –
doch würd man andres drüber sagen
als der, der in die Wüste schreit?

‘ne Wahrheit, die das Röhricht raunen
man seit Jahrtausenden schon hört,
wen brächte sie denn noch zum Staunen,
dem Geist und Sinne nicht gestört?

Ach, nicht zum Staunen: Zum Verzagen
erwähn ich dieses Faktum bloß –
pro domo, weil in diesen Tagen
ich näher an die 70 stoß.

Springst du als Kind noch durch die Fluren
als Frischling dieses Erdenballs,
gehn nach Minuten deine Uhren,
von heut auf morgen bestenfalls.

Und steht nach freudigem Geschehen
dir mal erwartungsvoll der Sinn,
dann scheint der Zeiger stillzustehen,
so schneckenhaft kriecht er dahin.

In winz’gen, unauffäll’gen Dosen
verabreicht Chronos uns sein Gift –
du glaubst dich noch in Strampelhosen,
wenn unverhofft der Schlag dich trifft.

Jetzt schlug er auf die nächste Seite:
Ein 68er bin ich nun.
Weiß Gott! Doch einmal Scherz beiseite:
Das Alter kam auf Flügelschuhn.

(Der Zeitpfeil, wie Gelehrte sagen,
hat leider eine Richtung nur.
Ich könnte Einstein drum erschlagen,
dass er nicht hier schuf Remedur!)

Wie oft sah ich den Mond nicht tauchen
wie jetzt aus schwarzem Wolkendunst,
ihn als Staffage zu gebrauchen
zur höh’ren Weihe meiner Kunst?

Genug, um drüber zu vergreisen –
und doch zu selten allemal.
Schon bald wird ohne mich er kreisen
in andren Versen ohne Zahl.

Was kann es da denn noch bedeuten,
wenn ich die Bürgerstube flieh,
um bei den Musen anzuläuten
zum Türverkauf der Poesie?

Natürlich nichts. Doch dies Hausieren
ist ja mein einziges Talent.
Drum will ich keine Zeit verlieren –
grad wenn sie, wo sie, weil sie rennt!

 

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