Ziemlich ansteckend

Ziemlich ansteckendEin Abend wie ‘ne Trauerweide.
Er hängt nur schlaff so vor sich hin,
so melancholisch wie’s Geschmeide
am Busen einer Herzogin.

Er weiß nichts mit sich anzufangen.
Es fehlen ihm Geselligkeit,
Zerstreuung: rote Sonnenwangen,
der Westwind, der sich heiser schreit.

Der Silbermöwe jähe Flüge
durchs heringslose Häusermeer,
die Krähe, deren finstre Züge
gefräßig und gedankenschwer.

Die Autos fehln ihm, die Motoren,
der Klang von Gummi, Blech und Stahl –
nicht immer angenehm den Ohren,
lebendig aber allemal.

Passantenfrei die Bürgersteige,
als hätte man sie ausgesperrt.
Das Schweigen spielt die erste Geige
in diesem kleinen Nachtkonzert.

Wenn lauter ich zu atmen wagte,
man würde es als Sturmwind hörn.
Wenn mich ein Niesen plötzlich plagte,
ein Erdstoß würd die Stille störn.

Ich fürchte, dass auch ich erliege
allmählich dieser Apathie.
Da mach ich besser wohl die Biege –
und lass auch ruhn die Poesie.

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