Der alte Trott

imagesGXZ31RDZUm sechs so aus dem Bett gekrochen,
wonach ich mir die Augen rieb.
Danach ins Unterholz gebrochen
des Barts, der fröhlich Stoppeln trieb.

Den Zähnen dann zu Leib gegangen
mit widerborst’gem Instrument,
vergurgelt hinter dicken Wangen
die Paste, die nach Minze brennt.

Hernach war auch die Stund gekommen,
da man der Brille sich bedient –
ich lass das hier mal so verschwommen,
damit mir keiner dreckig grient.

Dies alles glücklich denn vollendet,
begann die schöne Frühstückszeit,
und hab dem Magen zugewendet,
wonach er morgens knurrt und schreit.

Paar Zeilen auch noch überflogen –
am besten bilde man sich früh! –
und dann die Jacke angezogen:
Auf zu des Tages Last und Müh!

Dasselbe Ziel, dieselbe Strecke,
so geht es wohl tagein, tagaus:
Gebäude, Büsche, Straßenecke –
und Büsche, Straßenecke, Haus.

So wieder denn an Ort und Stelle.
Gestempelt. In den Fahrstuhl rein.
Und ohne großen Zwischenfälle
tritt ins Martyrium man ein.

PC gestartet und so weiter.
Acht Stunden sich im Joch verzehrt.
Schnitt. Abschied von der Hühnerleiter.
Haus, Büsche, Ecke – umgekehrt.

Zu Hause wieder eingetroffen,
im Feierabend, Gott sei Dank!
Das ganze Leben steht mir offen
hier – fern von Pult und Aktenschrank.

Erst beugt und streckt man seine Glieder,
vom vielen Sitzen etwas steif,
dann („Sicher nur Reklame wieder!“)
ist für die Tagespost man reif.

Hier eine Rechnung, da ein Schreiben,
das an dein Mitleid appelliert,
ein Anruf auch, nicht arm zu bleiben:
„Wer diese Aktie kauft, kassiert!“

Erledigt. Radio angeschmissen.
Was ist denn in der Welt so los?
Ach, besser wär’s, es nicht zu wissen –
man fasst sich an die Birne bloß.

Da lässt es sich schon wieder hören,
das Telefon mit schrillem Schrei
(„’ne Meinungsforschung, würd ich schwören!“) –
ach, Hilke, du, ich freu mich, hi!

Dann endlich ist die Zeit gekommen
fürs Beste, für das Abendmahl –
hätt nicht den Appetit genommen
mir dieser letzte Fleischskandal.

Und schon ist wieder angebrochen,
die Stunde, sich aufs Ohr zu haun.
Um elf bin ich ins Bett gekrochen –
um sechs beginnt das Morgen-Graun.

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