Die schwülen Tage

zu_warmDie schwülen Tage, wenn wir leiden,
gehn rascher noch als sonst herum.
Bloß nicht bewegen, alles meiden,
was steigert dies Martyrium!

Der Slogan mag uns davor schützen,
dass heftiger der Schweiß noch rinnt,
und jene Trägheit unterstützen,
die ständig auf Vermehrung sinnt.

Doch ist die Zeit nicht eingefroren,
die wie ein vorgeheizter Fluss
bei jedem Wetter ungeschoren
in freier Strömung fließen muss.

Und die nicht nur in Dimensionen
des Universums unvereint,
nein, auch im Kosmos der Neuronen
dem Schädel oft verschieden scheint.

Genauer: Wenn mit regem Leben
und Neuem wir den Alltag fülln,
den Sinnen ständig Nahrung geben
an Reizen, sie nicht zuzumülln

Doch Welten ihnen zu erschließen,
die ihnen fern und fremd noch warn,
dann mögen Monate verfließen,
die wir im Herzen zähln nach Jahrn.

Und umgekehrt, wenn stubenhockend
wir uns in Däumchendrehn verliern
und andres nicht als Bier verbockend
nur glasig in die Röhre stiern

Und schaun dann, so aus Langeweile,
mal auf die Uhr gelegentlich,
dann wundern wir uns ob der Eile,
mit der auch dieser Tag verstrich.

So quälen sich dahin die Stunden,
gelähmt von Hitze, halb erstickt –
doch zügiger fährt seine Runden
der Zeiger, der die Zeit vertickt.

Ist nicht die Möwe zu beneiden,
die wie ein weißer Blitz durchschießt
des Dämmers trübe Schattenweiden
und schweigend ihren Flug genießt?

Schreibe einen Kommentar