Grad-Wanderung

Grad-WanderungDas Wort, das nicht von Kindesbeinen
beständig wir geführt im Mund,
muss seltsam uns und schwer erscheinen
und läuft darum nicht richtig rund.

Die Schwäche muss auch ich bekennen –
im Supermarkt zum Beispiel auch,
wenn an der Kasse sie mir nennen
die Centimos, die ich noch brauch.

Zum Glück indes sind Warenpreise
in jeder Sprache zu verstehn,
wenn sie in dankenswerter Weise
im eckigen Display zu sehn.

So mag die Wirtschaft denn gedeihen,
die nur mit Zahlen operiert
und sich nicht in den Züngeleien
diverser Völker erst verliert.

Doch solln wir optisch nur verkehren,
auf kleinstem Nenner, digital?
Der Zunge ihren Dienst verwehren,
dass ein Organ sie zweiter Wahl?

Ich mein‘, das schlimmste Radebrechen
ist jenem Schweigen vorzuziehn,
mit dem wir nicht nur gar nicht sprechen,
sondern auch den Versuch schon fliehn.

Doch gibt es sogar ‘ne Variante,
die diese Art der Faulheit toppt,
wie jüngst erlebt bei einer „Tante“,
mit der ich simultan geshoppt!

Die lag à la Konquistadoren,
die andern die Kultur geklaut,
dem Ladenschwengel in den Ohren
mit ihrem eignen Mutterlaut.

Der glotzte nur mit offnem Munde,
verstand nur Bahnhof oder so –
so dass mir Stümper schlug die Stunde,
lag über Null doch mein Niveau!

Und mit dem Häufchen von Vokabeln,
das ich spontan im Hirn noch fand,
hab ich ihr Schwatzen und ihr Fabeln
ins hiesige Idiom gewandt.

Ich glaub nicht, dass ich groß Reklame
für meine Redekunst gemacht –
und war doch stolz, dass bei der Dame
ich etwas Dankbarkeit entfacht!