In eigener Sache

In eigener SacheSoll ich von mir ein wenig euch erzählen,
wahrheitsgetreu, kein bisschen aufgesetzt,
so wie die indiskreten, die Juwelen,
einst vom Intimsten in der Welt geschwätzt?

(Natürlich könnt ihr euch nicht wehren,
die Frage ist nicht ernst gemeint –
ich würd ‘nen Deubel mich drum scheren,
falls unverhofft ihr sie verneint.)

Auf xx Jahre bring ich’s heuer
und seh nicht ein Jahr jünger aus:
auch Kleider machen mich nicht neuer,
da von der Marke „Graue Maus“.

Als in die Welt man mich geschmissen,
ging diese grad entzwei.
Ich lag in meinem Federkissen
und dacht mir nichts dabei.

Auch wo ich da gelandet,
das war mir piepegal.
Hat der, der glücklich strandet,
denn irgendeine Wahl?

So wuchs ich mit den Jahren,
und Ehrgeiz lag mir fern;
der Welt Warum erfahren,
wollt aber stets ich gern.

Macht, Mammon und Meriten,
sie waren nicht mein Ding –
es warn der Weisen Viten,
für die ich Feuer fing.

Die Riesen, viel beschworen,
weil weiter sie gesehn,
indes wir, nachgeboren,
auf ihren Schultern stehn.

O Großtat jener Geister,
dass Neues sie gedacht,
indem zu ihrem Meister
Prometheus sie gemacht!

Den Göttern zu entreißen
der Wahrheit Flammenlicht,
ließen sie Narrn sich heißen,
aus denen Wahnsinn spricht.

Und schritten so versonnen
in ihrem Wissensdurst,
dass ihnen selbst ein Bronnen,
in den sie fielen, wurst.

Und wär’s der Herr der Erde,
man beugte nicht sein Haupt.
„Dass wieder Sonne werde!“,
ward Alex zugeschnaubt.

Die Güter, die gefallen,
warn ihnen Schall und Rauch.
Was braucht es Hof und Hallen,
tat’s eine Tonne auch?

Dem Eigennutz zu leben,
hebt uns nicht ab vom Tier.
Nicht: „Welt, was kannst du geben?“ –
„Was“, fragt ich, „geb ich ihr?“

(Beim Tanz um goldne Kälber
wird dafür man verlacht.
Versteht sich wohl von selber,
dass ich’s nicht weit gebracht.)

Doch das, was ich ihr schenke,
es ist von Wert gering:
nur Verse, ungelenke,
die ich den Sternen sing.

Sie kommen mir von Herzen,
und gern geb ich sie fort
in dieses Kosmos Schwärzen,
die ohne Zeit und Ort.

Und sollt’s der Zufall fügen,
sie fänden wo ein Ohr,
das wär – ich will nicht lügen –
der Hammer Marke Thor.

Doch sollten sie verhallen
im Orkus ungehört,
ich würd nur fester krallen
den Stift, der sie beschwört.

Es ehrt der gute Wille
den Gebenden allein.
Gerade in der Stille
soll Großes ja gedeihn.

Zudem: In meinem Alter
fang ich von vorn nicht an.
Fühl wohl mich als Verwalter
der Kunst, die ich schon kann.

Soweit von Poesie gesprochen.
Steckt mir noch anderes im Blut?
Nein, mit dem Wasser muss ich kochen,
wie’s Meiermüllerschulze tut.

Mit Farben und Figuren
hab ich nicht viel im Sinn.
So wie für Partituren
ich nicht zu haben bin.

Ich blas auf meiner Flöte
mehr hölzern als mit Pfiff
und käm in arge Nöte,
wenn ich zum Pinsel griff.

Hab auch nichts im Gehirne
von Boyle und Kekulé,
grad dass ich eine Birne
heil aus der Fassung dreh.

Als Crack zu überzeugen
fällt ebenfalls mir schwer,
vorm Chef das Kniebeugen
gibt sportlich wenig her.

Und mimische Geschicke?
Die Lust an Schau und Spiel?
Nur wenn für Augenblicke
ich aus der Rolle fiel.

Nicht mal dass beim Genießen
ich gern zu Tische säß –
von mir aus könnten schließen
die Tempel der Gourmets.

Mal mit so Leckereien,
da wird wohl jeder schwach,
doch ihnen mich zu weihen
fänd fade ich und flach.

Von Tausenden Talenten
mit einem nicht begabt!
Nicht mal zum Delinquenten
hab ich das Zeug gehabt!

So leb ich meine Tage
ganz unscheinbar dahin,
der Menschheit nicht zur Plage
und auch nicht zum Gewinn.

(Falls nicht auf diese Weise
die Welt am besten fährt –
wenn jeder still und leise
das Seine nur begehrt.)

Wie immer auch, beenden
will nun ich mein Porträt,
verschwitzt an Hirn und Händen
brauch ich ‘nen Pausentee.

Habt Dank, ihr Herrn und Damen,
dass brav ihr, mit Fasson,
gelauscht der Beichte. Amen.
Und grüßt mir Franz Villon!