Der Kafka war ein armer Hund.
So reich an düstren Fantasien:
Kein Schwein hat ihm ein Ohr geliehen.
Rieb sich umsonst die Pfote wund.
Saß Tag für Tag wo im Büro:
Da braucht’s statt Fantasien Fakten.
Im Grabesgrau der tausend Akten
ruhn still und staubig sie en gros.
Obwaltend drüber der Pedant.
Der pflegt die Wissenschaft im Kleinen:
Das Härchen, mag’s auch dünn erscheinen,
er nie genug gespalten fand.
Den Kafka hat’s gewiss gequält.
Muss ständig über Schoten brüten,
die ihm die Mühe erst vergüten,
wenn alle Erbsen ausgezählt.
Wie er nach Feierabend schreit!
Die Feder auf das Pult geschmissen,
den Deckel auf das Stempelkissen,
das Werkzeug seiner Leidenszeit!
Und macht sich auf ins Labyrinth,
des eignen Geistes Dunkelkammern,
von Heftern, Lochern frei und Klammern –
voll Schaffenskraft, bewusst und blind.
Wenn er dann Eignes schreibend spricht,
von einer Bilderflut verschlungen,
die zu bezähmen ihm gelungen,
hält unbarmherzig er Gericht.
Die Klagepunkte insgesamt
kann man mit einem wiedergeben:
Die Welt, in der wir Menschen leben,
gleicht einem ungeheuren Amt.
Ein endlos langer, dunkler Gang.
Und links und rechts die gleichen Türen.
„Hier nur Entrichtung der Gebühren“.
Und Wartende, gebückt und bang.
Was geht da hintern Türen vor?
Hermetisch bleiben sie geschlossen.
Da sitzt auf ihren hohen Rossen
die Macht, die jedes Maß verlor.
Man steht wie vor ‘ner Klagewand
und harrt auf ein Erlösungszeichen,
indes die Stunden weiterschleichen
wie angepappt mit Klebeband.
Man ist ganz förmlich einbestellt
und weiß nicht, wegen welcher Sache –
als müsste mit man auf die Wache,
nur weil‘s dem Schupo so gefällt.
Als Bürger ist man Delinquent,
das heißt auf Deutsch, nix als a Wanzen,
und bleibt’s durch sämtliche Instanzen,
die der vertrackte Rechtsweg kennt.
Der Kafka war ein armer Hund.
Wollt heimlich nur, im Stillen kläffen
und schließlich gar die Segel reffen
vor seiner frühen letzten Stund.
Gottlob dass uns erhalten blieb,
was er in Flammen wollt vernichten
und, dies zu sichern und zu sichten,
wer seine Absicht hintertrieb.
Ist das nicht etwa auch grotesk
gleich diesem aussichtslosen Streben,
den Dingen einen Sinn zu geben,
dass erst posthum er kafkaesk?