Kein Sonnenanbeter

kein-sonnenanbeterGleich morgens tönt’s euphorisch mir entgegen:
“Dies, liebe Hörer, wird ein super Tag!
Zwölf Stunden knallt euch Sonne auf den Brägen
mit besten Chancen für ’nen Hitzeschlag.

In Heide, Husum und in Altengamme
erreicht die Skala bis zu 90 Grad.
Die Hitze steigert sich beinah zur Flamme –
dagegen hilft wohl auch kein Thermostat.“

Und dann, der Witzbold sollte recht behalten,
glüht diese Birne jäh vom Firmament –
gigantisch, mörderisch, nicht auszuschalten,
als ob ins Fell sie einem Zeichen brennt.

Wohin vor dieser Marter aber fliehen?
Die seichten Schatten, ach, sie kühlen kaum.
O könnte sommers man nach Norden ziehen,
wie Vögel winters an des Südens Saum!

Die Zonen, die uns so gemäßigt scheinen,
gefalln von Zeit zu Zeit sich im Extrem –
und holen dann das Wetter von den Beinen,
damit sein Leumund mal ins Straucheln käm.

Doch halten Heim mich, Arbeit und die Lieben –
die Fesseln, die ich glücklich mir gewann,
dies alles mir gebietend: Hier geblieben,
hier stehst du und hier fällst du irgendwann!

Der Zufall warf mich blind in diese Breiten
und wahllos hier in einen Mutterschoß,
um mir ein Nest, ein Schicksal zu bereiten
für ein paar lächerliche Jahre bloß.

Obwohl, der ersten Wiege schnell entwachsen,
ich längst auf meine eignen Füße fiel,
bleibt doch die Erde – Holstein, Niedersachsen –
mir treulich immer handbreit unterm Kiel.

Und da besagter Zufall auch entschieden,
die Schulterblätter seien flügelfrei,
muss ich halt tapfer in der Sonne sieden,
bis ihre Hitzewallung mal vorbei.

Dir, einz’ger Les’rin, will ich es nicht wehren,
dass deinen Teint du mit der Sonne färbst,
doch selber kann die Bronze ich entbehren,
ja, schlimmer noch: Ich sehn mich schon nach Herbst.