Kerzeleid

KerzeleidDie meisten sind in Schlaf gefallen;
bis Mitternacht Minutenrest.
Und morgen früh mit Adlerkrallen
zerrt sie der Montag aus dem Nest.

Dem Rentner hier, der seine Zeilen
bedächtig übern Bogen sät,
muss mit dem Schlummer es nicht eilen,
da eh kein Hahn mehr nach ihm kräht.

Wenn herrgottsfrüh Millionen Wecker
die Bürger aus den Träumen schrein,
dann baumelt ihm der alte Stecker
wie’n toter Ast am Nachttischbein.

Er hört nicht ihre Füße trappeln
„ab zur Maloche, ab zur Schicht!“,
von Eichen träumt er und von Pappeln,
in die der Wind sein Raunen flicht.

Die große Freiheit, die ersehnte:
Er macht den Buckel nicht mehr krumm.
Statt dass er ins Büro sich gähnte,
dreht er sich wohlig noch mal um.

Bis in die Puppen kann er pofen,
bis überall ‘s schon „Mahlzeit!“ heißt
und man der Arbeit Katastrophen
sich mit ‘nem Schweinesteak verbeißt.

Er tanzt nach keiner fremden Flöte
und wird von keinem Boss gehetzt.
Nur, ach, die schöne Morgenröte
verpennt er nun zu guter Letzt!

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