Wie mag es, Leserin, dir gehen?
Hab lange nichts von dir gehört.
Nun ja, ich muss dir auch gestehen,
dein Los hat wenig mich gestört.
Um es mal offen auszusprechen:
Ich ging ganz in Gedichten auf.
Dass dabei Bindungen zerbrechen,
das nahm ich unbewusst in Kauf.
Doch neuerdings trag ich Bedenken.
Ist das der Weisheit letzter Schluss,
bedingungslos sich zu versenken
in so ein selbstgewähltes Muss?
Ist Egoismus nicht die Quelle,
die solcherart Hingabe nährt,
dass wie ein Köter um die Pelle
man zwanghaft mit der Schnauze fährt?
Kenn ich nicht auch genügend Leute,
die reiten auf ‘ner Grille rum,
dass selbst ‘ner Kuh, die wiederkäute,
die ew’ge Leier wär zu dumm?
„Die Ohren auf, ihr Einfaltspinsel,
der Meister gibt sein Wissen preis,
mit dem verglichen nur Gewinsel,
was sonst wer zu verkünden weiß“!
Und diese selbstgerechten Schlauen,
die lauthals ihre Botschaft krähn,
verstehn nicht, dass sie Böcke bauen
und allen auf den Zeiger gehn.
(An einen kann ich mich entsinnen,
dem es gelang, auf Höchstniveau
‘nen Endlosfaden abzuspinnen
über den ganzen „Teilchenzoo“.
Ein andrer pflegte gern zu stärken
für Zahlen die Gedächtniskraft
und zeigte ständig, wie man’s Merken
mit Tricks der Mnemotechnik schafft.
Sich seiner Sache zu erfreuen,
ist sicher aller Ehren wert.
Doch Hinz und Kunz sie einzubläuen,
das heißt, man setzt aufs falsche Pferd.
Das schönste Thema lässt uns gähnen,
wenn einer nicht die Kurve kriegt
und wir uns auch missachtet wähnen
in dem, was uns am Herzen liegt.
Kurzum, mir soll das nicht passieren.
Der Dialog geht allem vor.
Auf keinen Fall will ich verlieren,
o Les’rin, dein geneigtes Ohr!
Bist du wohlauf und musst nichts missen?
O dass das Schicksal dich verwöhn!
Ja, alles will ich von dir wissen.
Und sag mal, liest du mich auch schön?