Knastkühe

Wo ist die Kuh auf grünem Anger,
die friedlich ihre Gräser käut,
von Babymilch das Euter schwanger
und jeder Schritt von Kirchgeläut?

Ein Bild, das immer mehr verschwindet,
weil es dem Eigner besser geht,
das heißt, mehr Milch er aus ihr schindet,
wenn „Liese“ nur im Stalle steht.

Und zwar zu hundert ihresgleichen,
die eine Wiese nie gekannt,
den Duft von Kiefern oder Eichen,
den Löwenzahn am Wegesrand.

Sie hausen auf Zementparzellen,
von Gitterstäben eingefasst,
als wärn es Raub- und Mordgesellen,
die büßen ihre Sündenlast.

Und hat man ihnen doch gestohlen
was jedem Wesen, das gebar,
ob Säugling, Gössel oder Fohlen,
seit je das Allerliebste war.

Um auch das Kälbchen zu betrügen
um seinen angestammten Trank –
es muss sich mit Ersatz begnügen
aus dem „humanen“ Chemo-Schrank.

Doch kann sie ihre Brut nicht säugen,
die Nahrung aus dem Beutel schleckt,
wie hilft der Kuh man vorzubeugen,
dass an dem Druck sie nicht verreckt?

Nun, wo mit kindlichem Behagen
genuckelt einst ein weicher Mund,
ist jetzt ein Saugnapf angeschlagen,
der melkt von selbst zur rechten Stund.

Auch sonst ist auf ihr Wohlbefinden
mit allen Mitteln man bedacht –
man pflegt ‘nen Clip ihr anzubinden,
der sie als Wanze überwacht.

Der schlägt mit findigen Frequenzen
auf ihre Leibsignale an,
damit man Störungen begrenzen
und sie bei Kräften halten kann.

Dem dient natürlich auch das Futter,
streng wissenschaftlich komponiert,
dass es der ahnungslosen Mutter
gewisse Drüsen optimiert.

Triumph der Technik: Mittlerweile
sind 20 Liter so am Tag
ein Witz, dass drüber keine Zeile
die „Landschau“ noch verlieren mag.

Die da von Technik angetrieben
im waagerechten Hamsterrad,
sie hat Geschichte längst geschrieben
und sich den 50 schon genaht.

Die Leistung aber, die erzielte,
sauteuer sie erkaufen muss –
normal sie sich bis zwanzig hielte,
doch so: Fünf Jahre, Exitus!

Doch schenkt auf ihre alten Tage
man ihr gewiss das Gnadenbrot?
I wo, zwecks bessrer Kassenlage
schickt man sie in den Schlachten-Tod.

Und sollten sich die Opfer fragen,
warum dies harte Los sie traf,
sie könnten nicht auf Tierschutz klagen –
es decken Norm und Paragraf.

Ich könnte allerdings mir denken,
bestimmten unsre Kühe mit,
sie würden sich die Marter schenken
und ihrem Milchdieb einen Tritt.