Nachtfantasie

NachtfantasieAls ob’s ein Riesenraubtier wäre,
hat sich der Bau, von nichts bewegt,
in seiner ganzen schwarzen Schwere
zur Nacht aufs Trottoir gelegt.

Kein Zucken zittert in den Flanken,
kein Härchen kräuselt sich im Fell,
nur über ihm ein leises Schwanken
von Sternen, die mal trüb, mal hell.

Die gelben Katzenaugen lauern
noch hier und da, verlöschend schon,
doch wo kein Fenster in den Mauern,
füllt Finsternis die Region.

So wird er bis zum Morgen liegen,
bis ihn der kühle Dämmer weckt,
und er, um wieder Licht zu kriegen,
den Scheitel in die Sonne reckt.

Na ja, ihr wisst schon: die Fassade
der Häuser, die vom Musensitz
ich abends sehe, wenn ich grade
mir Verse aus den Rippen schwitz.

„Die Nacht schuf tausend Ungeheuer“ –
das, was ein Dichter einst empfand
bei einem Liebesabenteuer,
es narrt noch heute den Verstand.

Man muss nicht mal durch Wälder jagen,
dass einen Angst vor Schatten packt –
auch Städte schlagen auf den Magen
mit mancherlei Gebäudetrakt.

Erst wenn der Tag mit seiner Funzel
entlarvend vor dem Monster kniet,
verkehrt die Furcht sich in Geschmunzel,
dass man so schnell Gespenster sieht.

Soll ruhig es da drüben liegen,
das Ungetüm aus Glas und Stein,
sich selbst in dunklen Träumen wiegen –
und Hüter auch der meinen sein.

 

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