Sommers Erwachen

Sommers Erwachen, Claude MonetWie pünktlich ist der Sommer eingetroffen,
und wie der Frühling sich sofort verkroch!
Im Guten selbstverständlich, wolln wir hoffen:
“Leb wohl, und viele schöne Tage noch!“

Voll Blumen hinterließ er uns die Fluren,
die er des Winters kaltem Schoß entriss –
erst einzeln und danach in ganzen Fuhren
dem Horror unterird’scher Finsternis.

Mag nun der Sommer mählich reifen lassen,
was jener bis zur Blüte schon geführt,
bis die Natur auf allen ihren Gassen
die Gegenwart der süßen Früchte spürt.

Die 4. Strophe, diese, wollt ich weihen
dem Farbenrausch der Juli-Sinfonie –
doch will’s im Ansatz mir schon nicht gedeihen:
Der Taktstock klemmt auf einmal irgendwie.

(Wie peinlich ist’s mir, Les’rin, auszufechten
vor aller Augen hier den Seelenstrauß –
doch widersteht man jenen innren Mächten,
die heimlich herrschen in des Fleisches Haus?)

Drum soll der Lenz nicht einfach so verschwinden,
so völlig ohne Lob und Dankbarkeit –
will rasch ihm noch ein Lorbeerkränzchen winden,
dass auch besiegt erhobnen Haupts er schreit’.

O Frühling, schweigend bist du hingegangen,
dem Windhauch gleich, der leise sich verweht,
wie Röte auf beredten Mädchenwangen
in stille Blässe wieder übergeht.

So sang- und klanglos unsrem Blick entschwunden,
als wär ein Abschied nicht der Mühe wert,
als schämtest du dich deiner Erdenstunden,
weil du nicht selber Früchte auch genährt.

Doch unsre ganze Seligkeit hienieden
entspringt der Saat, die du einst ausgestreut.
Erst jetzt begreifen wir’s, da du verschieden
bei aller Glockenblumen Wehgeläut.

Wer ließe sonst so deutlich uns empfinden,
wie Leben aus den tiefsten Grüften steigt,
den muffig-feuchten und den maulwurfsblinden,
und sich so frisch und ungebrochen zeigt,

dass es im Kuss der apollin’schen Strahlen,
von göttlichem Verlangen ganz durchglüht,
aus seinen unsagbaren Winterqualen
sich in die Freiheit lichter Lüfte blüht?

Die Sommersonne brennt, doch ohne Feuer,
bebrütet nur, was Leidenschaft gebar,
dass sie, bemutternd bloß, die Frucht erneuer,
die bald sie opfert auf dem Herbstaltar.

Die Triebe aber, die dem Lenz entsprießen,
sie welken nicht und wittern nicht dahin.
Ja, immer höher nur ins Kraut sie schießen
mit übermütig-jugendlichem Sinn.

Wenn schließlich dann in seinen reifen Tagen
der Sommer prächtig sich durchs Leben schlägt,
wird manchmal wohl ihn sein Gewissen fragen,
wer diese Bahn so rosig ihm gelegt.