Stummgeschaltet

StummgeschaltetDie Brandung hör ich heut nicht rauschen,
den Wind nicht rütteln an der Tür,
mag noch so ich ins Dunkel lauschen
mit stethoskopischem Gespür.

Ich liege warm in meinem Kissen,
die Decke bis ans Kinn gerafft,
und kau an den Gedankenbissen,
die flüchtig mir das Hirn verschafft.

Von meinen unsichtbaren Füßen
`ne grade Linie fortgedacht,
käm aus der Stube sie, der süßen,
rasch in die raue Meeresnacht.

Von meinen unsichtbaren Händen
`ne grade Linie fortgedacht,
wär sie aus festgefügten Wänden
in schwanke Wellen schnell gebracht.

Nur Schritte sind es bis zum Strande,
der oft mit Spitzen sich besäumt,
wenn wütend auf die trocknen Lande
die Woge ihren Geifer schäumt.

Von meinen unsichtbaren Knochen
`ne grade Linie fortgedacht,
hätt bei Polypen sie und Rochen
schon nach Sekunden haltgemacht.

Noch größer könnte wohl die Nähe
zu diesem Wasser gar nicht sein,
es sei denn, dass ich nachts die Zehe
im Liegen tauchte darin ein.

Ihr Mächte, die ihr sonst entfaltet
der Tiefe ganzen Lautbestand,
was hat euch heute stummgeschaltet,
so stumm wie dieser Ufersand?

Wollt mit dem Schweigen den ihr mobben,
den sonst ihr gern in Schlummer singt?
Ich zähle Schafe, zähle Robben –
was höchstens mich auf achtzig bringt.

Und wie ich noch so bei mir denke,
dass selbst `ne Nadel, die jetzt fällt,
weil sie ja weich ins Wasser sänke,
sich ihrer Stimme wohl enthält,

Bemerk ich, wenn die Ohrn nicht trügen,
im Hause wo ein Atmen leicht,
wie es mit regelmäß’gen Zügen
dem Auf und Ab des Meeres gleicht.

Willkommne Laute! Nehm sie gerne
als Wiegenlied für heute an –
und lass für Wellen, Mond und Sterne
die Stille, die mich jetzt mal kann!