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Frommer Betrug

Das hätt ich mir nicht träumen lassen,
so viel mit Versen ich hantiert,
dass aus den höchsten Klerus-Klassen
mir einer übers Blatt spaziert.

Und jetzt sogar noch deren Spitze,
der Papst in eigener Person!
Grüß Gott auf meinem Musensitze,
Grüß Gott auch seinem lieben Sohn!

Doch ist leibhaftig nicht erschienen
die aktuelle Heiligkeit;
ich kann euch nur mit einer dienen,
die schon verschied vor langer Zeit.

Die etwas allerdings vollbrachte,
was keiner noch in Rom gewagt,
hat er doch, Bonifaz der Achte,
die eigne Lehre hinterfragt!

Das weiß zumindest die Legende,
die gerne ja an Mythen strickt
und gleich nach seinem sel’gen Ende
als Ketzer ihm am Zeug geflickt.

Tatsächlich scheint zu vielen Malen
die Zunge ziemlich ihm entgleist
und er in Lehren, kardinalen,
sich widersetzt dem Heil’gen Geist.

Dem soll er gar bestritten haben,
was heut noch in der Satzung steht,
dass er mit seinen Göttergaben
ein Vollmitglied der Trinität.

Und auch dass Gott in seiner Güte
geschlüpft in eine Menschenhaut,
kam wohl für ihn nicht in die Tüte,
auch wenn die Firma darauf baut.

Mit Jungfraun ohne Schimpf und Schande,
die wundersam ein Kind gebärn,
kam er wohl auch nicht so zurande,
um die Madonna zu verehrn.

Sogar dass sich beim Abendmahle
durchaus nicht „wandeln“ Brot und Wein,
wurde von jenem Tribunale
gezählt zu seinen Ketzerein.

Und Tote, die aus Gräbern steigen,
in denen ewig sie geruht,
sich eh’r als Staub und Asche zeigen
denn als recycelbares Gut.

Genug jetzt, ehrenwerte Christen?
Nichts mehr von diesem Fischerring,
der gründlich ihn mal auszumisten,
zum Stall von Bethlehem wohl ging?

Zwar seh ich gläubig euch erschauern
vor diesem frevelhaften Sinn,
doch auch geduldig darauf lauern,
was sonst an Sünde noch darin.

So: Nicht im Himmel zu verbuchen
sind Hölle oder Seligkeit.
Man muss sie hier auf Erden suchen
im Schicksal seiner Lebenszeit.

Und, Gipfel aller Blasphemien
und Watsche für den Zölibat,
die Lust sei der Natur entliehen
und Lieben keine Missetat!

Da stehst du wie der Ochs vorm Berge,
der’s nicht in seinen Schädel bringt,
dass dieser höchste Kirchenscherge
das Credo in die Knie zwingt.

Dagegen ist ‘ne lahme Ente
der Reformator weit danach –
denn Bruder Martin Fundamente
in diesem Maße nicht zerbrach.

Und auch den spätren Jesuiten
war dieser „Vater“ weit voraus
in Anerkennung der Meriten
des Glaubensschwindels, pia fraus.

Ein Mann von kritischem Verstande,
der keine heil’gen Kühe kennt,
hat der in päpstlichem Gewande
die Chance zur Reform verpennt?

Das Wort wird auch für ihn wohl gelten
vom Geist, der willig, Fleisch, das schwach;
mocht er Absurdes noch so schelten,
hielt er den Ball doch immer flach.

Er hat sein Paradies genossen,
wohl wissend, wem er es verdankt –
ein Typ, der geistig aufgeschlossen,
an Christlichkeit hingegen krankt.

Familientag

FamilientagDie Augen heute aufzuschlagen
heißt freudig blicken in den Tag,
womöglich dass man mit Behagen
ein Stündchen gar noch dösen mag.

Man muss nicht ruck, zuck in die Puschen,
nicht kleinlich die Minuten zähln,
um irgendwo vorm Chef zu kuschen
und sich im Joch des Jobs zu quäln.

Den Frühstückskaffee und die Eier
wirft man nicht hastig in sich ein –
wie bei des Abendmahles Feier
empfängt man sie wie Brot und Wein.

Entspannt lässt so sich dann verplaudern
die Zeit, bis dir die Glocke schlägt
oder, sollt`s dich vor Kirchen schaudern,
die Gaumenlust sich wieder regt.

Das tut sie pünktlich hierzulande,
dem Rhythmus folgend der Natur
wie`n Geysir an Europas Rande
mit einem Schlag um vierzehn Uhr.

Dann wälzt sich eine Riesenmenge
schön grüppchen- und familienweis
in einer Futterstelle Enge,
dass sie ins Gras der Teller beiß.

Und wenn sie schließlich satt geworden
(es lichten sich um fünf die Reihn),
verdrücken sich die Hungerhorden,
der Völle ihren Herd zu leihn.

Am Abend dann: Verdaut die Stunden,
die unbeschwert man wo verbracht,
und aus dem Herzen brechen Wunden,
die schwellen noch im Schutz der Nacht.

Dann brausen aus des Hauses Dunkel
auf einmal Stimmen mir ans Ohr,
die aus dem üblichen Gemunkel
sich schaukeln bis zum Schrei empor.

Und irgendwo im Hintergrunde,
der meinen Blicken sich entzieht,
bekämpft sich bis zur letzten Runde
ein Paar, das noch kein Pfaffe schied.

Wie gerne brächte ich die Liebe
ein wenig wieder dann auf Trab,
weil schade so ein Zwist der Triebe –
und lenkt auch sehr vom Dichten ab.