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Kleine Staatslehre

Karneval der TiereDie Wandrung lang und voll Gefahren.
Doch jetzt genug herumgeirrt!
„Ein Glück, dass wir geduldig waren:
Dies Fleckchen hier das unsre wird!“

Genau geeignet scheint der Boden,
dass grade hier man Wurzeln schlägt
und sich mit baulichen Methoden
die Basis für ‘ne Bude legt.

Bald ist die Wohnung schon bezogen,
die man mit raschem Fleiß erschuf,
und jede Ecke, jeder Bogen
ein Lobeshymnus auf Vitruv.

Doch schützen auch die dicken Mauern
aus losem und gestampftem Dreck
vor Feinden, die genauso lauern
auf Beute hundert Meter weg?

„Solange die da existieren,
ist unsre Sicherheit bedroht.
Die beste Lösung: Liquidieren.
Es ist kein Platz in einem Boot“.

Nachdem man so den Krieg erfunden,
der später „präventiv“ genannt,
hat man die Mühe vieler Stunden
fürn Innenausbau aufgewandt

Wie pfiffig ging man da zu Werke:
Maß jedem seine Pflichten zu
nach seines Geists und Leibes Stärke,
dass willig er dieselben tu!

So ist es auch nicht ausgeblieben,
dass prächtig aufging diese Saat
und gut gedieh mit allen Trieben
bis hin zum ausgewachsnen Staat.

Nur Nektar und kein Wermutstropfen –
das Glück der Gründer schien perfekt.
Doch Mäuler warn auch viel zu stopfen,
was schließlich doch Probleme weckt.

Denn eines Tages, Jahre später,
als niemand Böses mehr gedacht,
hat’s wie ein Blitz aus blauem Äther
sie um den Unterhalt gebracht.

‘ne Dürre war hereingebrochen
und hatt‘ den letzten Halm versengt,
dass schmachtend durch die Gegend krochen,
die Frau Natur sonst reich beschenkt.

Doch haben sie verzweifeln müssen,
ihr letztes Sterbenswörtchen lalln?
I wo, nach eiligen Beschlüssen
ha’m sie die Nachbarn überfalln

Und alles ihnen aus den Kammern
nach dem bewährten Raubrezept
ganz ungerührt von Schrein und Jammern
samt Kind und Kegel weggeschleppt,

Dass dank sie der immensen Beute
vom Hungertod befreit miteins
und sich ihr Schurkenstaat erfreute
auch weiter wachsenden Gedeihns.

Bis irgendwann die Konkurrenten,
getrieben von der eignen Not,
sich kurz von ihrem Standort trennten,
um ihm zu rauben Brut und Brot.

Ad infinitum in Äonen
im Stile von Wildwest-Maniern –
ein steter Austausch blauer Bohnen,
bis alle an dem Fraß krepiern.

Von Ameisen ist hier die Rede
und ihrem kleinen, großen Reich –
und wie in Fleiß sie und in Fehde
dem Menschen so erschreckend gleich!

Ein Volksheld

Ein VolksheldMit diesem Krieg schrieb man Geschichte:
Des Erbrivalen Untergang.
„Die Panzerschlacht am Fuß der Fichte“ –
so lebt sie fort im Volksgesang.

Der Sieger bleibt uns unvergessen,
sein Name strahlt in Ewigkeit.
Am Himmel nur sein Ruhm zu messen,
der mindestens drei Haufen weit.

Vernichtend schlugen wir der Riesen
millionenfache Übermacht,
die aus dem Megawald der Wiesen
so oft uns sauren Tod gebracht.

Schon hat der Lichtgott hundert Male
den Weg uns wieder frisch erhellt,
seitdem dies schreckliche Finale
der Feind fand auf dem Nadelfeld.

Und doch herrscht weiter süßer Friede,
dass herrlich unser Staat gedeiht –
die Arbeiter, stark und solide,
die Königin und der sie freit.

O dass sich dieser nie verliere,
wer immer auch das Reich bedroht,
und dass sich stets ein Magnomiere
erhebe für den Sieg von Rot.

Ameisen, könnten sie denn schreiben,
sie würden’s ähnlich formuliern.
Doch besser schon, sie lassen’s bleiben –
geht’s denn nicht so bei allen Tiern?